rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitnehmereigenschaft von sog. Telefoninterviewern

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die nach Zeit bemessene Vergütung von Televisioninterviewern, die in Räumen mit technischen Einrichtungen des Auftraggebers nach vorgegebenen Fragebögen Telefoninterviews durchführen, die von sog. Supervisoren mitgehört werden, ist als Arbeitslohn im Sinne des §§ 19 EStG zu qualifizieren.
  2. Bei der Inanspruchnahme des Arbeitgebers mit Haftungsbescheid für die Lohnsteuer ist die dem Haftungsbescheid zugrunde liegende Lohnsteuer für jeden Arbeitnehmer einzeln zu ermitteln bzw. zu schätzen.
 

Normenkette

EStG §§ 19, 42 Buchst. d; AO § 162; LStDV § 1

 

Streitjahr(e)

2006, 2007, 2008, 2009

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Haftungsinanspruchnahme für Lohnsteuer. Streitig ist, ob die bei der Klägerin im Zeitraum von Dezember 2006 bis Dezember 2009 (Streitzeitraum) tätig gewesenen Telefoninterviewer Arbeitnehmer waren sowie die Höhe der Lohnsteuer, für die eine Haftung in Betracht kommt.

Die Klägerin ist eine im Handelsregister des Amtsgerichts A unter HRB xxx eingetragene GmbH. Sie betrieb ein Unternehmen im Bereich der Markt- und Meinungsforschung. Für sie waren Interviewer tätig, die Befragungen per Telefon durchführten.

Zwischen der Klägerin und den Interviewern bestand jeweils eine ”Rahmenvereinbarung für die Zusammenarbeit mit Interviewern als freie Mitarbeiter“ (im Folgenden ”RV“, siehe im Einzelnen Bl. 109 ff. Fallheft der Lohnsteuer-Außenprüfung), wonach die Vereinbarungen so gestaltet sein sollten, damit ein freies – nicht lohnsteuerpflichtiges - Mitarbeiterverhältnis besteht (siehe Ziffer 1 Abs. 2 und Ziffer 2). Der jeweilige Interviewer soll frei und ungebunden sein, soweit sich aus der Natur der Sache nichts anderes ergebe.

Unter Ziffer 3 RV heißt es insbesondere:

”3.2. …Auch wenn sich das Institut an den Interviewer wenden soll, steht es dem Interviewer frei Aufträge, beliebig abzulehnen.

Das Institut erteilt Einzelaufträge. Diese Einzelaufträge kann der Interviewer wie beschrieben, beliebig annehmen oder ablehnen.

3.3. Der Interviewer muss sich nicht für die Annahmen von Aufträgen bereit halten. Es gibt keine Einsatzpläne, in denen im Vorhinein Einsätze des Interviewers festgestellt werden.

3.4. Dem Interviewer ist auch sonst freigestellt, wann er tätig werden will. Der Interviewer kann während der Öffnungszeiten kommen und gehen, wann er will. Kernarbeitszeiten, zu denen ein Interviewer anwesend sein muss, gibt es nicht. Anders verhält es sich nur, dies sind jedoch seltene Ausnahmefälle, wenn der Interviewer für den Einzelfall auf Grund der Natur der Sache mit dem Institut etwas anderes vereinbart.

Das Institut ist verpflichtet darauf zu achten, dass sich keine

Regelmäßigkeit ergibt, von der aus auf eine Unselbständigkeit des Interviewers geschlossen werden könnte.

Der Interviewer muss sich nur an gesellschaftliche Gepflogenheiten halten, er darf dementsprechend beispielsweise nicht die Nachtruhe stören. …

3.5. Der Interviewer darf und soll für andere Unternehmen tätig werden. Auch eine Tätigkeit für andere Institute ist erlaubt. …

3.6. Das Institut macht … auf die Rentenversicherungspflicht sogenannter arbeitnehmerähnlicher Selbständiger aufmerksam … Ein Selbständiger, der durch seine Interviewertätigkeit nicht rentenversicherungspflichtig sein möchte, sollte deshalb darauf bedacht sein, nicht regelmäßig und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig zu sein.“

Zur Vergütung heißt es in Ziffer 4 RV, dass die Vergütung erfolgsabhängig sei. Tatsächlich vereinbarte die Klägerin jedoch mit den Interviewern nach den von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung bestätigten Feststellungen des Beklagten, ein vom Zeitaufwand für die Interviews abhängiges und quartalsweise ausgehandeltes ”Honorar“ zwischen ursprünglich 7,50 € und 9,50 € je Stunde und zuletzt 8,50 € bis 10,50 € je Stunde. In Ziffer 5 RV heißt es, dass den Interviewern keine zusätzlichen Leistungen, wie Urlaubsgeld, Unkostenpauschalen und andere für Arbeitnehmer übliche Leistungen zustünde. Zudem seien die Interviewer für Verpflichtungen gegenüber dem Finanzamt und anderen staatlichen Stellen selbst verantwortlich. Bei Nichterfüllung dieser Verpflichtungen sei der Interviewer der Klägerin zum Ersatz des daraus

resultierenden Schadens verpflichtet (Ziffer 6 RV). Nach Ziffer 7 RV waren die Interviewer zu einer Schulung verpflichtet, um die Aufträge methodengerecht durchführen zu können. Entsprechend dieser Vereinbarung absolvierten die Interviewer vor Aufnahme der Tätigkeit eine zweitätige unbezahlte

Schulung.

Ziffer 9 RV lautete wie folgt:

”9. … Die Mitarbeiter des Instituts sind geschult und angewiesen, auf die Einhaltung dieser Vereinbarungen zu achten; insbesondere auch auf die Bestimmungen zur Selbständigkeit“.

Diese Regelung ist nach Angaben der Klägerin der Grund dafür, dass bei der Klägerin sogenannte Supervisoren beschäftigt waren, die mittels Glasscheiben Einblick in die Telefonstudios hatten und die Interviews mit...

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