vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [II R 39/19)]

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Besteuerungszeitpunkt für die Erbschaftssteuer bei zeitlich erst späterer Annahmeerklärung der Erbschaft im Ausland

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Nach deutschem Erbschaftsteuerrecht entsteht die Steuerschuld bei allen Erwerben von Todes wegen mit dem Tod des Erblassers, gleichgültig ob der Erblasser ein In-oder Ausländer war, im In- oder Ausland verstorben ist oder ob in- oder ausländisches Recht für die Erbfolge und die Regelungen des Nachlasses zur Anwendung kommen.
  2. Für die Entstehung der Steuerschuld ist nicht erforderlich, dass der Steuerschuldner bereits Verfügungsmacht über den Nachlass erlangt hat oder in der Lage ist sofort über den Gegenstand zu verfügen.
  3. Sofern nach ausländischem Recht (hier: Italien) die Annahme der Erbschaft konstitutiv wirkt, ist dies keine Bedingung im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 1a ErbStG.
 

Normenkette

ErbStG § 9 Abs. 1 Nrn. 1, 1a

 

Streitjahr(e)

2015

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 17.11.2021; Aktenzeichen II R 39/19)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine Zuwendung von Todes wegen der inländischen Besteuerung mit Erbschaftsteuer unterfällt.

Die Klägerin ist italienische Staatsbürgerin und lebte gemeinsam mit ihrer Familie in B. Am 24. August 2015 verstarb ihr Vater, Herr C(Erblasser), der ebenfalls die italienische Staatsangehörigkeit besaß und seinen letzten Wohnsitz in D hatte. Ein Testament hatte der Erblasser nicht errichtet, so dass die gesetzliche Erbfolge griff. Aufgrund dieser wurde die Klägerin – neben ihrer Mutter und ihrem Bruder - Miterbin zu 1/3. Der Nachlass bestand im Wesentlichen aus Immobilien in F sowie Guthaben und Wertpapieren bei italienischen Banken.

Diesen Sachverhalt teilte die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten im November 2015 dem für die Besteuerung mit Erbschaftsteuer zuständigen Beklagten (das Finanzamt - FA -) mit. Die Klägerin war allerdings der Ansicht, der Erbfall sei nicht der deutschen Besteuerung zu unterwerfen. Das italienische Erbrecht sehe nicht vor, dass der Nachlass dem gesetzlichen Erben automatisch zufalle, vielmehr sei eine Annahmeerklärung zwingend notwendig. Erst wenn die Erbschaft angenommen werde, sei eine Erbenstellung gegeben. Bislang habe sie (die Klägerin) die Erbschaft noch nicht angenommen und sei somit nicht Erbin geworden. Mit Schriftsatz vom 19. September 2016 erklärte die Klägerin, sie hätte ihren Wohnsitz Anfang Juli 2016 in Deutschland aufgegeben und sei - gemeinsam mit ihrem Ehemann - nach E verzogen. Erst nachdem sie den Tatbestand des § 2 Abs. 1 ErbStG nicht mehr erfüllt habe, sei in drei Teilakten, am 19., 26. und 29. Juli 2016, die Erbschaftsannahme in Italien erfolgt.

Das FA forderte die Klägerin gleichwohl mit Schreiben vom 8. Dezember 2016 auf, eine Erbschaftsteuererklärung abzugeben. Es war der Ansicht, die Klägerin sei unbeschränkt erbschaftsteuerpflichtig, da sie zum Todestag einen inländischen Wohnsitz innegehabt habe und damit der inländischen Steuerpflicht unterliege. Zwar gelte für den Erbfall das Erbrecht des Staates Italien, in dem der Erblasser zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe; dies habe aber keinen Einfluss auf das inländische Steuerrecht. Insbesondere sei der Zeitpunkt der Annahme der Erbschaft durch die Klägerin nicht entscheidend für den Besteuerungsstichtag nach § 9 ErbStG.

Im Rahmen der Abgabe ihrer Steuererklärung am 16. Februar 2017 wies die Klägerin noch einmal darauf hin, dass der Erbfall der deutschen Besteuerung nicht unterliege. Im vorliegenden Fall sei zu unterscheiden zwischen dem Anfall der Erbschaft mit dem Tod des Erblassers und der Annahme der Erbschaft durch die zur Erbschaft berufene Person, durch die diese erst Erbe im italienischen Recht werde. Die Erbeinsetzung stelle nicht einmal ein Anwartschaftsrecht, sondern lediglich eine Erwerbchance dar (vgl. Cornelius in Flick/Piltz, Der Internationale Erbfall 2. Aufl. Rdnr. 631). Im Streitfall sei die Steuer gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG erst mit der Erklärung zum Antritt des Erbes Ende Juli 2016 entstanden. Zu diesem Zeitpunkt habe sie (die Klägerin) keinen inländischen Wohnsitz im Sinne des § 2 ErbStG innegehabt.

Das FA folgte nicht der Ansicht der Klägerin und setzte unter Berücksichtigung der Angaben in der Erbschaftssteuererklärung mit Bescheid vom 12. April 2017 Erbschaftsteuer in Höhe von ….. € fest. In der Anlage zum Erbschaftsteuerbescheid heißt es: ”Gemäß Art. 459 Satz 2 des italienischen Zivilgesetzbuches (Codice Civile) wirkt die Annahme [der Erbschaft] auf den Zeitpunkt der Eröffnung der Erbschaft zurück. […] Da die Rechtsfolgen der Annahme auf den Zeitpunkt der Eröffnung der Erbfolge zurückwirken, wird die Annehmende also im Ergebnis so gestellt, als hätte sie die Erbschaft zum Zeitpunkt ihrer Eröffnung erhalten. […] Daher erfolgte der Anfall der Erbschaft auf den Tod des Erblassers am 24. August 2015 und die Steuer entstand gemäß § 9 Abs. 1 ...

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