vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [VI R 3/13, VI R 4/13)]

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Anwendung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2007

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die rückwirkende Anwendung des §§ 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG 2007 für das Kalenderjahr 2007 ist verfassungsgemäß.
  2. Die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO gilt nicht für Antragsveranlagungen nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG.
 

Normenkette

EStG 2007 § 46 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 55j; EStG 2008 § 46 Abs. 2 Nr. 8; AO § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1

 

Streitjahr(e)

2007, 2008

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob für den Kläger und seine – zwischenzeitig – verstorbene Ehefrau für das Streitjahr 2004 eine Veranlagung zur Einkommensteuer zu erfolgen hat.

Der Kläger und seine Ehefrau gaben am 09.02.2009 unter anderem für das Streitjahr 2004 eine Einkommensteuererklärung ab, mit der sie die Zusammenveranlagung beantragten. Sie erklärten Einkünfte des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit, für die Lohnsteuer einbehalten worden war, sowie bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einen Verlust von ./.  €. Der Beklagte forderte die Eheleute im Rahmen der Bearbeitung der für die Jahre 20..-20.. zusammen abgegebenen Einkommensteuererklärungen auf, die erklärten Ausgaben den einzelnen Jahren ordnungsgemäß zuzuordnen und korrigierte Steuererklärungen abzugeben. Am 14.07.2009 gaben die Eheleute eine berichtigte Steuererklärung 2004 ab. Danach betrug der Verlust bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nunmehr ./.  €. Außerdem gaben sie auch für die Ehefrau des Klägers eine Anlage N ab. Die Ehefrau erzielte als keine Einkünfte. Sie betreute den im Jahr 2003 geborenen

Sohn. Lohnersatzleistungen wurden ausweislich der Anlage N nicht bezogen.

Mit Bescheid vom .2009 lehnte der Beklagte die Durchführung einer Veranlagung ab. Eine Veranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 Einkommensteuergesetz – EStG – scheide aus, da die Steuererklärung nicht innerhalb von vier Jahren nach Ablauf des Veranlagungszeitraums 2004 abgegeben worden sei.

Der dagegen erhobene Einspruch vom . .2009 blieb ohne Erfolg. Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom . .2009 als unbegründet zurück. Mit Ablauf des 02.01.2009 habe die vierjährige Antragsfrist geendet. Die Steuererklärung sei erst am 09.02.2009 abgegeben worden. Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) sei ausgeschlossen, weil die Steuerpflichtigen nicht ohne ihr Verschulden gehindert gewesen seien, ihren Antrag rechtzeitig zu stellen.

Dagegen richtet sich die Klage vom 16.12.2009. Die Eheleute seien zusammen zur Einkommensteuer zu veranlagen, weil bereits die Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG in der bis zum 31.12.2006 maßgeblichen Fassung erfüllt seien. Der BFH habe mit Urteil vom 21.09.2006 VI R 52/04 eine Pflichtveranlagung auch für negative Einkünfte von weniger als ./. 410 € bejaht. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt. § 46 Abs. 2 Nr. 1 Einkommensteuergesetz i. d. F. durch das Jahressteuergesetz 2007 schließe zwar die Anwendung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG bei negativen Beträgen der Nebeneinkünfte generell aus und sei gemäß § 52 Abs. 55j EStG rückwirkend auf alle offenen Veranlagungszeiträume anzuwenden. Die rückwirkende Änderung durch das Jahressteuergesetz 2007 könne aber einen rechtlich bestehenden Anspruch auf Veranlagung für bereits abgeschlossene Veranlagungszeiträume wie hier das Jahr 2004 nicht beseitigen. § 52 Abs. 55j EStG sei mit dem Niedersächsischen Finanzgericht (Urteil vom 25.04.2007 2 K 379/04 und vom 31.01.2012 8 K 196/10) verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass nur Veranlagungsjahre erfasst werden, bei denen durch die Neufassung nicht nachträglich die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung entfällt. Andernfalls wäre die unbeschränkte Rückwirkung wegen Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot verfassungswidrig (Finanzgericht Köln, Beschluss vom 23.01.2008 10 K 6227/04). Entgegen der Gesetzesbegründung liege nicht nur eine Klarstellung vor. Insoweit regen die Kläger an, gegebenenfalls eine Vorlage zum Bundesverfassungsgericht zu erwägen.

Der Beklagte sei zudem nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG zur Veranlagung der Ehegatten verpflichtet. Die aus § 52 Abs. 55j S. 2 EStG folgende zeitliche Beschränkung auf Veranlagungszeiträume ab 2005 bzw. auf Fälle, in denen der Antrag auf Veranlagung bis zum 28.12.2007 gestellt worden sei, sei willkürlich und verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz. Festsetzungsverjährung sei entgegen der nunmehr erstmalig vertretenen Auffassung des Beklagten wegen der Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO nicht eingetreten. Für die Jahre 1998 und 2000 habe der Beklagte die Eheleute schließlich auch veranlagt. Vor diesem Hintergrund handele der Beklagte treuwidrig, nachdem er für das Streitjahr 2004 bei den Ehegatten eine korrigierte Steuererklärung anforderte.

Letztlich hab...

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