vorläufig nicht rechtskräftig

Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnsitz minderjähriger Kinder bei Schulbesuch im Ausland

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ob ein Kind, das sich zeitweise außerhalb des elterlichen Haushalts im Ausland zu Ausbildungszwecken auffällt seinen inländischen Wohnsitz bei den Eltern beibehält oder zunächst aufgibt und bei seiner Rückkehr neu begründet, ist aufgrund der objektiven Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.

2. Neben der voraussichtlichen Dauer der auswärtigen Unterbringung, der Art der Unterbringung am Ausbildungsort bzw. im Elternhaus, dem Zweck des Auslandsaufenthaltes, den persönlichen Beziehungen des Kindes am Wohnort der Eltern bzw. am Ausbildungsort, kommt auch der Dauer und Häufigkeit der Inlandsaufenthalte bei der Abwägung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung erhebliche Bedeutung zu.

3. Die erhebliche Zeitspanne von 6 Jahren mit dem Ziel der Schulausbildung, in der Türkei einen besseren Abschluss als in Deutschland zu erhalten sowie die fehlende Darlegung sozialer Kontakte im Inland sind bei einer Abwägung entscheidende Kriterien für eine Verwurzelung in der Türkei.

 

Normenkette

EStG § 63

 

Streitjahr(e)

2015, 2016

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für das Kind des Klägers, A, geboren am 27.02.2003.

Der Kläger erhielt zunächst Kindergeld für das Kind A sowie seine beiden weiteren Kinder B und C, geboren am 21.10.2006 bzw. am 19.03.2009. In den jeweiligen Kindergeldanträgen gab der Kläger als gemeinsamen Haushalt jeweils Adressen in D/Hessen an.

Nach einem Abgleich der Meldedaten erfuhr die beklagte Familienkasse --Familienkasse-- im Jahr 2018, dass die drei Kinder des Klägers bereits in den Jahren 2015 bzw. 2016 in die Türkei verzogen seien. Auf Nachfrage der Familienkasse Bayern Süd, auf die der Fall vorübergehend übergegangen war, teilte der Kläger im Juni 2018 mit, dass seine Kinder seit ca. 2 Jahren eine schulische Ausbildung in der Türkei absolvierten. Sie hielten sich mindestens drei Monate im Jahr in Deutschland auf (vgl. Bl. 30 der Kindergeldakten).

Mit Bescheid vom 31.07.2018 hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes für die beiden Kinder A und C ab dem Monat Juni 2018 auf (vgl. Bl. 38 der Kindergeldakten). Die Kinder könnten nicht mehr berücksichtigt werden, da sie weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland oder der EU bzw. dem EWR hätten.

Hiergegen legte der Kläger, vertreten durch seine jetzige Prozessbevollmächtigte, Einspruch ein. Nachdem keine fristgemäße Begründung einging, wurde der Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 23.10.2018 als unbegründet zurückgewiesen.

Der Kläger hat am 26.11.2018 Klage erhoben. Er trägt vor, dass das Kind A eine Schule in D/Hessen bis zum Ende der 5. Klasse besucht habe. Seit Sommer 2015 besuche sie eine Schule in der Türkei; der Schulbesuch ende voraussichtlich im Jahr 2021. Das Kind C habe eine Schule in D/Hessen bis zum Ende des 2. Schuljahres besucht; seit September 2016 besuche sie dieselbe Schule wie ihre Schwester in der Türkei. Der Schulbesuch ende voraussichtlich im Jahr 2022. Während des Schulbesuchs lebten die Kinder in einer Wohnung in der Türkei und würden dort von ihrer Mutter, der Ehefrau des Klägers, betreut. In nahezu der gesamten Ferienzeit, die zusammengenommen rund ein Vierteljahr pro Jahr ausmache, lebten die Kinder hingegen im Haushalt ihrer Eltern in D/Hessen. Dies – und der Umstand, dass aufgrund der Betreuung durch die Mutter in der Türkei eine weiterhin enge Bindung zu den Eltern bestehe – reiche aus, um weiterhin einen Wohnsitz der Kinder in Deutschland annehmen zu können. Das Kind A sei zwar in den Sommerferien im Jahr 2016 ausnahmsweise nicht nach D/Hessen zurückgekehrt, weil sich in diesem Zeitraum ihre Eltern mit ihrer Schwester C ebenfalls in der Türkei aufgehalten hätten, um die dortige Einschulung von C vorzubereiten. Hierin sei jedoch keine Aufgabe von As deutschem Wohnsitz zu sehen.

Der Kläger beantragt,

Ziffer 1 des Bescheides der Beklagten vom 31.07.2018 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.10.2018 aufzuheben,

hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 1 des Bescheides vom 31.07.2018 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 23.10.2018 zu verpflichten, dem Kläger für das Kind A über den Monat Juni 2018 hinaus Kindergeld zu gewähren,

die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen.

Die Familienkasse beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich des Kindes A ist die Familienkasse der Ansicht, dass die Tatsache, dass das Kind im Jahr 2016 während den Ferien sich nicht in D/Hessen aufgehalten habe, sondern in der Türkei verblieben ist, zur Aufgabe des inländischen Wohnsitzes geführt habe. Bezüglich des Kindes C hat die Familienkasse der Klage hingegen abgeholfen. Das Verfahren ist insoweit für erledigt erklärt und abgetrennt worden.

Termin zur mündlichen Verhandlung hat am 18.03.2021 stattgefunden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsp...

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