Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorliegen eines Pflegekindschaftsverhältnisses

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Volljährigkeit eines Kindes steht der Anerkennung eines Pflegekindschaftsverhältnisses nicht entgegen.

 

Normenkette

EStG § 63 Abs. 1, § 32 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4

 

Streitjahr(e)

1996, 1997, 1998

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 05.10.2004; Aktenzeichen VIII R 69/02)

BFH (Urteil vom 05.10.2004; Aktenzeichen VIII R 69/02)

 

Tatbestand

Der Kläger hat seinen jetzigen Sohn K. Ende 1995 kennen gelernt. Am 1. Mai 1996 hat der Kläger K. in seinen Haushalt aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt war K. 19 Jahre alt.

Dem Kläger war es - trotz seiner früheren Ehe - verwert geblieben, eigene Kinder zu haben. Hinzu kamen später medizinische Gründe, die dem Kläger die Fähigkeit, eigene Kinder zu bekommen, nahmen.

K. war 1991 nach Deutschland gekommen. Er hatte eine sehr schwierige Kindheit, in der kaum Platz für elterliche Geborgenheit war. Seit der Aufnahme in seinen Haushalt hat sich der Kläger um K. wie um einen eigenen Sohn gekümmert. Trotz schwieriger finanzieller Lage als schwerbehinderter Rentner hat der Kläger K. versorgt und betreut. Da K. ansonsten keine Verwandten in der Bundesrepublik Deutschland hatte und zu seinen leiblichen Eltern seit mehreren Jahren keinen Kontakt mehr bestand, war der Kläger zu seinem einzigen Ansprechpartner geworden und stand ihm mit Rat und Tat zur Seite.

Im Mai 1997 haben der Kläger und K. gemeinsam eine Adaptionsantrag beim Amtsgericht Offenbach am Main gestellt, wobei im Januar 1999 die beantragte Adoption ausgesprochen wurde.

Der Kläger hat für die Zeit ab der Aufnahme von K. in seinen Haushalt Kindergeld beim Beklagten beantragt. Der Beklagte hat für den streitigen Zeitraum das Kindergeld für das Kind K. auf null DM festgesetzt. Hiergegen hat der Kläger zunächst Einspruch eingelegt und nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage erhoben.

Der Kläger ist der Ansicht, eine altersmäßige Begrenzung für die Anerkennung von Pflegekindschaftsverhältnissen finde im Gesetz keine Grundlage. Der Kläger bezieht sich in diesem Zusammenhang auf mehrere finanzgerichtliche Urteile.

Es gehe vielmehr allein um die Annahme eines familienähnlichen Bandes zwischen dem Elternteil und dem Pflegekind. Ein solches könne auch unter Beteiligung eines volljährigen Kindes begründet werden. Gerade im vorliegenden Fall könne das Vorliegen eines auf Dauer angelegten familienähnlichen Bandes nicht ernsthaft angezweifelt werden. Ohne ein solches Band wäre die Adoption nicht beantragt worden. Auch habe das Familiengericht indem über anderthalbjährigen Adoptionsverfahren die Verhältnisse genauestens geprüft.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Klägerseite vom 25.04.1999 und 04.01.2001 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 02.02.1999 sowie der Einspruchsentscheidung vom 29.03.1999 zu verpflichten Kindergeld für K. für den Zeitraum vom 01.05.1995 bis zum 31.12.1998 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist darauf, dass der Kläger seinen Adoptivsohn K. zu einem Zeitpunkt kennen lernte, als dieser bereits 19 Jahre alt war. Zwar reiche die Aufnahme eines Pflegekindes in den Haushalt in Adoptionsabsicht in der Regel aus, jedoch werde sich zu einem volljährigen Kind ein Pflegekindschaftsverhältnis kaum oder jedenfalls nur bei Hilflosigkeit oder Behinderung begründen lassen.

Im vorliegenden Fall sei der inzwischen adoptierte Sohn K. bereits 20 Jahre alt gewesen, als er in den Haushalt des Klägers aufgenommen wurde, so dass hier zwar von einer körperlichen Versorgung ausgegangen werden könne, jedoch sei bei einem Zwanzigjährigen von Erziehung nicht mehr die Rede. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Beklagten vom 20.07.1999 und vom 15.03.2001 Bezug genommen.

Dem Gericht haben die einschlägigen Verwaltungsakten des Beklagten vorgelegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der angefochtene Kindergeldbescheid ist rechtswidrig und war antragsgemäß zu ändern. Denn der Kläger hat Anspruch auf Kindergeld, weil zwischen ihm und K. im fraglichen Zeitraum ein Pflegekindschaftsverhältnis bestand.

Nach § 62, § 63 Abs. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) besteht auch für Pflegekinder Anspruch auf Kindergeld. Pflegekinder im Sinn dieser Vorschrift sind Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den eigentlichen Eltern nicht mehr besteht. Der Steuerpflichtige muss dabei das Pflegkind mindestens zu einem nicht unwesentlichen Teil auf seine Kosten unterhalten.

Unter den Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 Satz 2 EStG i.V.m. § 32 Abs. 4 EStG können Kinder über die Vollendung des 18. Lebensjahr kindergeldberechtigt berücksichtigt werden. Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG wird ein Kind, dass das 18. Lebensjahr vollendet hat, berücksichtigt, wenn ...

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