Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung einer Aufrechnung mit einem Vorsteuererstattungsanspruch bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Der nach den Vorschriften für die insolvenzrechtliche Anfechtung maßgebliche Begriff der Rechtshandlung umfasst jede von einem Willen getragene Handlung, die eine Rechtswirkung auslöst und die Schulden des Insolvenzschuldners erhöht oder dessen Aktivvermögen vermindert.
  2. Die Berichtigung unbezahlter Vorsteuerbeträge nach § 17 UStG beruht nicht auf einer anfechtbaren vom Willen getragenen Rechtshandlung, sondern ist vielmehr gesetzliche Folge der durch die wirtschaftliche Situation des Insolvenzschuldners verursachten Zahlungsunfähigkeit.
 

Normenkette

InsO § 90 Abs. 1 Nr. 3, §§ 130-131; UStG § 17; AO § 218 Abs. 2

 

Streitjahr(e)

2009

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 24.04.2018; Aktenzeichen VII R 24/16)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte die Forderungen des Klägers als Insolvenzverwalter der A-GmbH auf Rückerstattung der Vorauszahlungen zur Körperschaftsteuer 2009 und zum Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer 2009 gegen einen sich aus § 17 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ergebenden Umsatzsteueranspruchs des Beklagten aufrechnen durfte.

Der Kläger ist Rechtsanwalt und zugleich der Insolvenzverwalter über das Vermögen der A-GmbH. Die A-GmbH ist eine beim Amtsgericht Stadt X unter HRB eingetragene GmbH und hat bzw. hatte die Geschäftsanschrift Strasse , StadtY. Für den Veranlagungszeitraum 2009 setzte der Beklagte zuletzt Vorauszahlungen zur Körperschaftsteuer in Höhe von 14.181 Euro und zum Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer 2009 in Höhe von 777 Euro fest, die die A-GmbH auch entrichtete. Die A-GmbH gab ferner für den Veranlagungszeitraum 2009 monatliche Umsatzsteuer-Voranmeldungen ab. In dieser erklärte sie für den Zeitraum Mai bis Dezember 2009 gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG abziehbare Vorsteuern

i.H.v. insgesamt 83.721,42 Euro. Davon entfielen 80.026,16 Euro auf den Zeitraum von Mai bis November 2009. Im Einzelnen wird zu den abgezogenen Vorsteuerbeträgen auf (USt-Akten) verwiesen.

Aufgrund wirtschaftlicher – schließlich in die Zahlungsunfähigkeit der A-GmbH mündender – Schwierigkeiten wurde am 04.03.2010 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A-GmbH beantragt. Das Insolvenzverfahren ist beim Amtsgericht Stadt X unter der Geschäftsnummer anhängig. Am 10.03.2010 ordnete das Amtsgericht die vorläufige Verwaltung an und bestellte den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Mit Beschluss vom 01.05.2010 eröffnete das Amtsgericht mit der Begründung, dass die A-GmbH zahlungsunfähig sei, das Insolvenzverfahren und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter.

Am 10.05.2010 gelangte der Beklagte zu der Ansicht, dass die ab Mai 2009 bis Dezember 2009 geltend gemachten Vorsteuerbeträge i.H.v. 83.721,42 Euro in voller Höhe zu berichtigen seien. Des Weiteren schätzte der Beklagte, dass die A-GmbH im Jahr 2010 keine umsatzsteuerpflichtigen Einnahmen erzielt und keine abziehbaren Vorsteuern an Leistungserbringer entrichtet habe (siehe im Einzelnen die dem Kläger bekannt gegebene Steuerberechnung für die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für das erste Kalendervierteljahr 2010 vom 27.05.2010). Nachdem der Beklagte die Umsatzsteuer für das erste Quartal 2010 in Höhe von 82.976,06 Euro zur Insolvenztabelle angemeldet hatte und der Kläger diese Forderung bestritten hatte, forderte der Beklagte den Kläger auf, eine Gläubigerliste mit Umsatzsteuerausweis zur Ermittlung des zutreffenden Vorsteuerkorrekturbedarfs sowie eine Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Zeitraum erstes Quartal 2010 abzugeben. Entsprechende Angaben hat der Kläger bis heute nicht vorgelegt. An der Ansicht, dass der Kläger

für 2010 Umsatzsteuer i.H.v. 83.721,42 Euro schulde und dies allein auf der Vorsteuerkorrektur für Mai bis Dezember 2009 beruhe, hielt der Beklagte auch

im weiteren Verfahren fest und gab dem Kläger deshalb am 15.06.2012 eine entsprechende Steuerberechnung für Umsatzsteuer 2010 bekannt.

Da der Kläger für die A-GmbH trotz Aufforderung keine Körperschaftsteuererklärung für 2009 und keine Umsatzsteuererklärung für 2010 abgab, hatte der Beklagte zunächst für 2009 einen Steuerbilanzgewinn in Höhe von 94.540 Euro geschätzt und die sich daraus ergebende Körperschaftsteuer in Höhe von 14.181 Euro nebst Solidaritätszuschlags i.H.v. 777 Euro mit Körperschaftsteuerbescheid vom 03.02.2011 gegen den Kläger festgesetzt. Aufgrund der gleich hohen Vorauszahlungsbeträge ergab sich zunächst weder eine Nachzahlung noch eine Erstattung. Nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, dass es unmöglich zu sein scheine, Steuererklärungen abzugeben, und dass sich aber für das Jahr 2009 voraussichtlich ein Verlust ergebe, erließ der Beklagte am 27.04.2011 einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid für 2009, in dem der Beklagte – ausgehend von einem geschätzten Steuerbilanzgewinn i. H. v. 0 Euro – Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag i.H.v. jeweils 0 Eur...

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