Entscheidungsstichwort (Thema)

Eilantrag auf Untersagung der Vollziehung eines bestandskräftigen Aufhebung-und Rückforderungsbescheides auf Kindergeld unter Geltendmachung eines Korrekturanspruchs nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Vollziehbar ist auch ein Verwaltungsakt, der die ganze oder teilweise Rücknahme (Aufhebung) eines anderen Verwaltungsaktes ausspricht; dessen Aussetzung bewirkt die Wiederherstellung der Wirkung des durch ihn aufgehobenen (zurückgenommenen) Verwaltungsakts für die Zeit der Aussetzung der Vollziehung.
  2. Der Aufhebungsbescheid über die Festsetzung von Kindergeld ist ein vollziehbarer Bescheid.
  3. Verwaltungsakte, deren Regelungsinhalt sich in einer Negation erschöpft, z.B die Ablehnung eines begünstigenden Verwaltungsaktes, sind nicht vollziehbar.
  4. Soweit die Voraussetzungen für eine Änderung eines Bescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO vorliegen und deshalb die Nichtvollziehung des zu ändernden Verwaltungsaktes begehrt wird, ist vorläufiger Rechtsschutz nur im Wege der einstweiligen Anordnung möglich, da sich der Betroffene im Kern ersichtlich gegen die Ablehnung seines Korrekturantrages wendet.
 

Normenkette

FGO §§ 69, 114; AO §§ 173, 227

 

Streitjahr(e)

2019

 

Tatbestand

Mit Bescheid vom 16.10.2019 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für das Kind A gemäß § 70 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) auf, weil die Antragstellerin den angeforderten Nachweis über das Ende der Schulausbildung im Juli 2019 trotz ihrer Mitwirkungspflicht nach § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG und ohne Angabe von Hinderungsgründen nicht vorgelegt habe. Die Aufhebung lasse den Rechtsgrund für die Kindergeldzahlung entfallen, weshalb für den Zeitraum September 2017 bis Juli 2019 ein Betrag in Höhe von 5.177,00 EUR nach § 37 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) zu erstatten sei. In der Folge veränderte sich aufgrund geänderter Ordnungszahl für den Zeitraum September 2017 bis einschließlich Juli 2019 auch der Kindergeldanspruch betreffend die weiteren Kinder B und C. Mit weiterem Bescheid vom 16.10.2019 lehnte die Familienkasse den formlosen Antrag auf Kindergeld vom 15.07.2019 für das Kind A ab dem Monat August 2019 ab, da Nachweise über die Suche nach einem Ausbildungsplatz bzw. über eigene Bemühungen um eine Ausbildung ab Juli 2019 nicht eingereicht worden seien.

Mit Schreiben vom 16.12.2019 meldete sich die bevollmächtigte Rechtsanwältin bei der Familienkasse und bat im Namen der Antragstellerin - unter Vorlage einer Bestätigung über Zeiten der Ausbildungssuche der Agentur für Arbeit vom 22.08.2019, wonach das Kind A in der Dienststelle seit dem 22.07.2019 bis auf weiteres ausbildungssuchend geführt wird - um Überprüfung des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheides vom 16.10.2019 nach § 173 AO. Die Antragstellerin sei der deutschen Sprache nicht mächtig, weshalb die Post üblicherweise von dem betroffenen Sohn geöffnet und bearbeitet bzw. dem Vater vorgelegt werde. Der Sohn sei damit beauftragt gewesen, den Nachweis seiner Arbeitssuchendmeldung an die Familienkasse weiterzuleiten, was dieser jedoch versäumt habe und was nicht aufgefallen sei. Der Bescheid vom 16.10.2019 sei auch von dem Sohn geöffnet und dem Vater aber nicht rechtzeitig vorgelegt worden, so dass dieser nicht habe fristgerecht Einspruch einlegen können. Nunmehr habe der Sohn den Bescheid vorgezeigt, zumal auch eine Rückforderung bestehe und er sich nun doch Sorgen gemacht habe. Damit läge bei den Eltern bzw. bei der Antragstellerin kein grobes Verschulden im Sinne des § 173 AO vor. Zudem sei es gegenüber der Familie unbillig, die Kindergeldfestsetzung aufzuheben. Bezüglich der Rückzahlung komme zumindest ein Erlass im Betracht, weil der Antragstellerin nicht angelastet werden könne, dass das volljährige Kind entgegen ihrer Aufforderung die Weitergabe versäumt und dann aus Scham den Bescheid zunächst zurückgehalten habe.

Mit Schreiben vom 23.12.2019 lehnte die Familienkasse eine Bescheidänderung ab, da Bestandskraft eingetreten sei und weil nach den konkreten Verhältnissen weder eine Änderung nach § 173 AO noch eine Billigkeitsentscheidung in Betracht komme.

Nachfolgend verwies der bevollmächtigte Rechtsanwalt mit Schreiben vom 21.01.2020 darauf, dass das Kind A der Aufforderung, einen Nachweis über das Ende der Schulausbildung im Juli 2019 vorzulegen, zweimal insbesondere auch durch Vorlage des Schulzeugnisses nachgekommen sei. Die geforderten Unterlagen seien im August 2019 bei der Bundesagentur für Arbeit eingereicht worden. Da die Familienkasse Teil der Bundesagentur für Arbeit sei, hätten die angeforderten Unterlagen bereits vorgelegen und der Bescheid vom 16.10.2019 hätte nicht ergehen dürfen. Dieser offensichtlich rechtswidrige Verwaltungsakt dürfe nicht vollzogen werden. Auf Antrag sei auch rückwirkend Kindergeldgewährung möglich; Kindergeld sei ab Juli 2019 zu zahlen. Die Voraussetzungen des § 173 AO lägen vor. Die zwangsweise Vollstreckung sei bis zum Abschluss des Verfahrens einzustellen.

Mit Schreiben vom 27.01.2020 setzte die Familienkasse ...

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