1. Systematik des Ertragswertverfahrens

Das Ertragswertverfahren des bisherigen Systems der Einheitsbewertung auf der Grundlage der jährlichen Reinerträge nach §§ 7882 BewG (Reinertragsverfahren) wurde unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des Wertermittlungsrechts und der aktuellen Datenlage fortentwickelt. Das Ertragswertverfahren nach §§ 252 ff. BewG wurde hierzu in Anlehnung an das vereinfachte Ertragswertverfahren nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ImmoWertV 2010 normiert.

Der Ertragswertmethodik liegt der Gedanke zugrunde, dass sich der objektiviert-reale Wert eines Grundstücks – ähnlich wie beim land- und forstwirtschaftlichen Vermögen – aus seinem nachhaltig erzielbaren Reinertrag ermitteln lässt. Im Ertragswertverfahren ist der auf den Bewertungsstichtag bezogene Barwert (Gegenwartswert) aller zukünftigen Erträge zu ermitteln. Hierbei ist zu beachten, dass die Lebensdauer (Nutzungsdauer) eines Gebäudes – im Gegensatz zum Grund und Boden – begrenzt ist. Während die Erträge oder Ertragsanteile für ein Gebäude nur für die am Bewertungsstichtag verbleibende und begrenzte Nutzungsdauer (Restnutzungsdauer) des Gebäudes kapitalisiert werden können, sind die dem Grund und Boden zuzurechnenden Erträge bzw. Ertragsanteile für eine unbegrenzte Nutzungsdauer als "ewige Rente" zu kapitalisieren. Der Wert des Grund und Bodens ist grundsätzlich eine stete Größe, die nur allgemeinen Wertschwankungen unterworfen ist.

Im vereinfachten Ertragswertverfahren nach §§ 252 ff. BewG wird diesen Grundsätzen der Wertfindung Rechnung getragen, indem der vorläufige Ertragswert am Bewertungsstichtag aus dem

  • über die Restnutzungsdauer des Gebäudes kapitalisierten jährlichen Reinertrag des Grundstücks (Reinerträge aus Grund und Boden sowie Gebäude/ohne vorherigen Abzug einer Bodenwertverzinsung, vgl. § 253 BewG) zzgl. des
  • über die Restnutzungsdauer des Gebäudes abgezinsten Bodenwerts (vgl. § 257 BewG)

ermittelt wird.

Das typisierte Ertragswertverfahren nach den §§ 252 bis 257 BewG stellt sich schematisch wie folgt dar:

Quelle: Koordinierte Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 9.11.2021 – S 301, BStBl. I 2021, 2334.

Beraterhinweis Besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale wie z.B. von den marktüblich erzielbaren Erträgen erheblich abweichende Erträge des Bewertungsobjekts, Baumängel oder Bauschäden, eine wirtschaftliche Überalterung, ein überdurchschnittlicher Erhaltungszustand, Bodenverunreinigungen sowie grundstücksbezogene Rechte und Belastungen sind i.R. dieser typisierenden Wertermittlung nicht gesondert zu ermitteln und zu berücksichtigen, vgl. A 252 Abs. 2 AEBewGrSt (Koordinierte Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 9.11.2021 – S 3017 zum Grundvermögen und zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen betreffend das Grundvermögen, BStBl. I 2021, 2334, und das land- und forstwirtschaftliche Vermögen, BStBl. I 2021, 2369).

2. Ermittlung des Rohertrags

Ausgangsgröße der Bewertung im Ertragswertverfahren ist der jährliche Rohertrag des Grundstücks. Der jährliche Rohertrag des Grundstücks ergibt sich aus typisierten monatlichen Nettokaltmieten. Die Höhe der monatlichen Nettokaltmieten pro qm ist der Anlage 39 zum BewG zu entnehmen. Die Erklärung der tatsächlichen Mieteinnahmen durch den Steuerpflichtigen oder die Ermittlung einer üblichen Miete ist ausgeschlossen.

Bei Wohngrundstücken wird der jährliche Rohertrag auf der Grundlage von aus dem Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes für jedes Bundesland abgeleiteten durchschnittlichen Nettokaltmieten je qm Wohnfläche ermittelt. Die Nettokaltmieten werden für die drei Grundstücksarten Einfamilienhaus, Zweifamilienhaus und Mietwohngrundstück jeweils in drei Wohnflächengruppen sowie fünf Baujahrgruppen unterteilt. Für die Ermittlung des Rohertrags bei Wohnungseigentum sind die Nettokaltmieten für Mietwohngrundstücke anzuwenden. Bei Wohngrundstücken mit mehr als einer Wohnung (Zweifamilienhaus, Mietwohngrundstück) ist jede Wohnung in eine der drei Wohnflächengruppen einzuordnen.

Beraterhinweis Flächen, die zu anderen als Wohnzwecken genutzt werden (z.B. Verkaufsräume oder Büros), gelten aus Vereinfachungsgründen als Wohnfläche (vgl. zur Einstufung solcher Flächen A 254 Abs. 3 Satz 1 AEBewGrSt). Für diese Flächen ist bei Mietwohngrundstücken die für Wohnungen mit einer Fläche unter 60 qm geltende monatliche Nettokaltmiete in Euro je qm Nutzfläche anzusetzen. Bei Ein- und Zweifamilienhäusern und bei Wohnungseigentum sind diese Flächen zu der jeweiligen Wohnfläche zu addieren. Lassen sich die Nutzflächen bei einem Zweifamilienhaus nicht zweifelsfrei einer Wohnung zuordnen, bestehen nach Verwaltungsauffassung keine Bedenken, die Flächen zu der Wohnung mit dem niedrigeren Mietwert zu addieren (vgl. A 254 Abs. 3 Satz 4 AEBewGrSt).

Zubehörräume wie z.B. Kellerräume, Abstellräume und Kellerersatzräume außerhalb der Wohnung, Waschküchen und Trockenräume, Bodenräume und Heizungsräume bleiben außer Ansatz. Räume, die zum dauernden Aufenthalt für Wohnzwecke ausgebaut wurden, sind keine Zubehörräume. Für Wohnräume, die keine Wohnungen dars...

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