Aktuelle Entwicklungen der Finanz-Rspr. für Zwecke der Grunderwerbsteuer

[Ohne Titel]

Dipl.-Finw. Thomas Rennar[*]

Eine sinnvolle Eindämmung von Steuergestaltungen mittels Share-Deals hat der Gesetzgeber erst kürzlich in einem eigenen Gesetzgebungsverfahren politisch umgesetzt. Weitergehend haben insoweit die Ergänzungstatbestände für Zwecke der Grunderwerbsteuer eine weitreichende Tragkraft. Welche praktischen Neuerungen sich hierbei hinsichtlich der Zurechnung von Grundstücksvermögen in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen nach den aktuellen Entwicklungen in der Finanz-Rspr. ergeben, ist kritisch zu betrachten. Welche Auswirkung sich zudem auf die sog. Signing-Closing-Fälle ergibt, ist überdies fraglich. Exemplarisch stellen die sog. Signing-Closing-Fälle zumindest nach noch bisheriger Auffassung der Finanzverwaltung dem Grunde nach zwei grunderwerbsteuerrechtliche Rechtsvorgänge dar. Der Beitrag stellt die weitreichenden Neuregelungen vor.

[*] Hannover.

I. Eindämmung von Share-Deal-Gestaltungen

Die Praxis hat gezeigt, dass es besonders im Bereich hochpreisiger Immobilientransaktionen immer gelungen war, durch gestalterische Maßnahmen die Grunderwerbsteuer zu vermeiden. Die hiermit einhergehenden Steuermindereinnahmen sind von erheblicher Bedeutung. Es ist insoweit nicht weiter gesetzgeberisch hinnehmbar gewesen, dass die durch Gestaltungen herbeigeführten Steuerausfälle von denjenigen finanziert wurden, denen solche Gestaltungen nicht möglich sind. Ziel der kurzzeitigen Änderung des GrEStG war es deshalb, die Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen in der Grunderwerbsteuer durch Umsetzung verschiedener Einzelmaßnahmen. Durch die Änderung des GrEStG sollten somit missbräuchliche Steuergestaltungen zur Vermeidung der Grunderwerbsteuer im Bereich hochpreisiger Immobilientransaktionen (sog. Share Deals) eingedämmt werden.

Insbesondere wurde die Schwelle bzgl. der Beteiligung, ab der eine Grunderwerbssteuerpflicht bisher griff, von 95 % auf 90 % abgesenkt. Zudem wurde ein neuer Ergänzungstatbestand für Kapitalgesellschaften eingefügt (§ 1 Abs. 2b GrEStG n.F.). Damit sollen zukünftig Anteilseignerwechsel ab einer Beteiligungsschwelle von mindestens 90 % erfasst werden. Der maßgebliche Zeitraum wurde durch eine Anhebung der Haltefristen zudem von fünf auf künftig zehn Jahre angehoben. Dies bedeutet, dass die Grunderwerbsteuer auch folglich künftig fällig wird, wenn 90 % der Anteile an einem Gesellschaftsvermögen einer Kapitalgesellschaft innerhalb von zehn Jahren von neuen Gesellschaftern – mittelbar oder unmittelbar – erworben werden.

Daneben wurden Übergangsregelungen aufgrund des zeitlichen Anknüpfungspunktes der Regelungen implementiert. Der diesbezügliche RegE sah insoweit bereits eine Anwendung der Ersatzbemessungsgrundlage auf Grundstücksverkäufe im Rückwirkungszeitraum von Umwandlungsfällen, eine Verlängerung der Vorbehaltensfrist (§ 6 GrEStG) auf fünfzehn Jahre und die Aufhebung der Begrenzung des Verspätungszuschlags vor (s. hierzu weitergehend bereits den RegE zur Änderung des GrEStG; zur finanziellen Krisenentschädigung durch novellierten Lastenausgleich ab 2024 s. Arconada Valbuena / Rennar, ErbStB 2022, 244).

II. Grunderwerbsteuerliche Implikationen

1. Bisheriger Zurechnungsgrundsatz

Die Vorschrift des § 1 Abs. 2a GrEStG ist grundstücksbezogen. Sie erfasst daher diejenigen Grundstücke, und zwar jedes für sich, die während des Zeitraums, in dem sich der Gesellschafterbestand ändert, durchgängig zum Vermögen der Personengesellschaft gehören. Zum Vermögen einer Personengesellschaft "gehören" hingegen grundlegend die Grundstücke, die ihr grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen sind. Es kommt insoweit nicht auf das zivilrechtliche Eigentum oder die bewertungsrechtliche Zurechnung an. Ein Grundstück gehört daher einer Personengesellschaft, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld aufgrund eines unter § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist.

Ein Grundstück gehört letztlich nicht mehr zum Vermögen der Personengesellschaft, wenn es zwar noch in ihrem Eigentum steht bzw. ihr bewertungsrechtlich zuzurechnen ist, es aber vor Entstehung der Steuerschuld Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs i.S.d. § 1 Abs. 1, 3 oder 3a GrEStG war (BFH v. 11.12.2014 – II R 26/12, BStBl. II 2015, 402 = ErbStB 2015, 32 [E. Böing]).

Grundstücke im Eigentum der Personengesellschaft, an denen sie einem anderen die Verwertungsbefugnis i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG eingeräumt hat, gehören zu ihrem Vermögen. Liegen lediglich schuldrechtliche Bindungen vor, kann für die nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorzunehmende Zurechnungsentscheidung unter Beachtung grunderwerbsteuerrechtlicher Besonderheiten auf die Grundsätze des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zurückgegriffen werden (BFH v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57 = ErbStB 2014, 272 [E. Böing], sowie BFH v. 25.11.2015 – II R 18/14, BStBl. II 2018, 783 = ErbStB 2016, 71 [Ch. Böing]). Dieser Rückgriff erlaubt eine entspr. Anwendung der Grundsätze des § 1 Abs. 2 GrEStG bei der Zurechnung von Anteilen an grundbesitzenden Personengesellschaften (glei...

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