Leitsatz

1. Erwirbt ein Treuhänder von einem Dritten für den Treugeber ein Grundstück (Erwerbstreuhand), ist sowohl der Grundstückserwerb durch den Treuhänder als auch der Erwerb der Verwertungsbefugnis durch den Treugeber grunderwerbsteuerpflichtig.

2. Für Grund und Umfang von Steuerbefreiungen sind grundsätzlich beide Erwerbsvorgänge getrennt zu betrachten.

3. Die Festsetzung von Grunderwerbsteuer und die abweichende Festsetzung der Grunderwerbsteuer aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO begründen zwei selbständige Verfahren.

4. Hat das FA im Rahmen einer die Festsetzung betreffenden Einspruchsentscheidung erstmals über einen Billigkeitsantrag entschieden, stellt eine unmittelbar erhobene Klage insoweit eine Sprungklage dar. Stimmt das FA dieser nicht zu,gilt sie als Einspruch. Das Verfahren ist formlos an das FA abzugeben.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 2, § 3 Nr. 8 Satz 1, § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 1 und 3 GrEStG, § 163 AO, § 45 FGO

 

Sachverhalt

Die A-GbR war Eigentümerin eines Grundstücks. An ihr waren X zu 94 % und Y zu 6 % beteiligt. An der Klägerin, ebenfalls einer GbR, sind X zu 94 % und Z zu 6 % beteiligt. Die Klägerin erteilte Z den Auftrag, das Grundstück im eigenen Namen als Treuhänder und im Innenverhältnis auf Rechnung der Klägerin zu erwerben. Z sollte das Grundstück für die Klägerin halten, nach ihren Anweisungen verwalten, alle Nutzungen und Lasten an sie heraus- bzw. weitergeben, an sie berichten, alle das Grundstück betreffenden Vorgänge, Konten und Zahlungsflüsse offenlegen und auf ihr Verlangen herausgeben.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 20.11.2008 veräußerte die A-GbR das Grundstück an Z. Das FA setzte gegenüber Z GrESt fest. Dieser Bescheid war nicht Gegenstand des Besprechungsurteils.

Ferner setzte das FA unter Berufung auf § 1 Abs. 2 GrEStG gegenüber der Klägerin GrESt fest. Es beließ dabei einen der Höhe der Beteiligung von Z an der Klägerin entsprechenden Teil der Bemessungsgrundlage von 6 % nach § 5 Abs. 2 GrEStG steuerfrei.

Mit ihrem Einspruch begehrte die Klägerin unter Hinweis auf § 6 Abs. 3 GrEStG die Freistellung auch des Anteils von 94 % und beantragte hilfsweise während des Einspruchsverfahrens die abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO. Das FA wies den Einspruch zurück und lehnte innerhalb der Einspruchsentscheidung den Billigkeitsantrag ab.

Die Klägerin erhob Klage sowohl gegen die Festsetzung der Steuer als auch gegen die ablehnende Billigkeitsentscheidung. Das FG setzte die Bemessungsgrundlage antragsgemäß herab und führte aus, nach dem Regelungszweck von § 6 Abs. 1 und 3 GrEStG scheide eine Erhebung der GrESt für den Erwerb der Verwertungsbefugnis aus. Unabhängig von der Frage, ob insoweit eine rechtsfortbildende Gesetzesauslegung möglich sei, sei jedenfalls die teilweise Steuerbefreiung aus Billigkeitsgründen zu gewähren (Sächsisches FG, Urteil vom 4.10.2017, 6 K 1535/15, EFG 2020, 1694).

 

Entscheidung

Der BFH hob auf die Revision des FA das Urteil des FG auf und wies die Klage hinsichtlich der Festsetzung von Grunderwerbsteuer ab. Der Erwerb der Verwertungsbefugnis an dem Grundstück durch die Klägerin sei nach § 1 Abs. 2 GrEStG i.V.m. § 5 Abs. 2 GrEStG mit einem Anteil von 94 % steuerpflichtig. Hinsichtlich der abweichenden Festsetzung von Grunderwerbsteuer aus Billigkeitsgründen gab der BFH das Verfahren an das FA ab. Das FA habe der Sprungklage nicht zugestimmt, sodass die Klage als Einspruch zu behandeln sei, der noch nicht beschieden wurde.

 

Hinweis

In materiell-rechtlicher Hinsicht betrifft das Besprechungsurteil die Festsetzung von Grunderwerbsteuer bei treuhänderischem Erwerb eines Grundstücks und dabei möglicherweise vorzunehmende Steuerbefreiungen (unten 1. und 2.). In verfahrensrechtlicher Hinsicht geht es um die gleichzeitige Anfechtung der Steuerfestsetzung und der Ablehnung einer abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO (unten 3.).

1. Nach § 1 Abs. 2 GrEStG unterliegen der GrESt auch Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Die Vorschrift erfasst Sachverhalte, in denen ohne Rechtsträgerwechsel der Eigentümer einem anderen so weitgehende Möglichkeiten zur Einflussnahme hinsichtlich des Grundstücks einräumt, dass dieser über die Verwertung des Grundstücks entscheiden kann. Grunderwerbsteuerrechtlich selbstständige Rechtsträger können auch Personengesellschaften sein.

a) Erwirbt ein Treuhänder im Auftrag des Treugebers von einem Dritten ein Grundstück, wird durch die Treuhandabrede eine Verwertungsbefugnis des Treugebers begründet. Durch einen Geschäftsbesorgungsvertrag i.S.v. § 675 BGB, der sich auf den Erwerb eines Grundstücks durch den Verpflichteten im eigenen Namen richtet, erlangt der Geschäftsherr die Rechtsmacht, von dem Beauftragten die Auflassung des Grundstücks (§ 925 BGB) zu verlangen (§ 667 i.V.m. § 675 BGB) oder es bei entsprechender Ausgestaltung des Vertrags durc...

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