Droht doppelte Grunderwerbsteuer?

[Ohne Titel]

Dr. Markus Wollweber, Dipl.-Finw. (FH), RA/FASt[*]

Halten Kapitalgesellschaften im Inland Grundbesitz, kann insbesondere auch durch die Übertragung von Anteilen oder einen Gesellschafterwechsel nach den Ergänzungstatbeständen des Grunderwerbsteuerrechts Grunderwerbsteuer ausgelöst werden. Die Voraussetzungen sind durch die Grunderwerbsteuerreform mit Wirkung zum 1.7.2021 verschärft worden. Mit Bezug auf Kapitalgesellschaften wurde der neue Tatbestand des § 1 Abs. 2 b GrEStG eingefügt. Der Beitrag beschäftigt sich mit Fragen des Gesellschafterwechsels und mit der Frage etwaig drohender doppelter Grunderwerbsteuer bei Unternehmenskaufverträgen.

[*] Streck Mack Schwedhelm Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaft mbB Köln – Berlin – München.

I. Einleitung

Verschärfte Ergänzungstatbestände: Verfügen Kapitalgesellschaften im Inland über Grundbesitz, kann die Anteilsübertragung oder der Gesellschafterwechsel zu Grunderwerbsteuer (GrESt) führen. Zu prüfen sind hier die Ergänzungstatbestände nach

Die Steuertatbestände sind dabei durch die zum 1.7.2021 in Kraft getretene GrESt-Reform verschärft worden.

Vorliegender Beitrag beschäftigt sich mit Fragen

  • des Gesellschafterwechsels und
  • des Unternehmenskaufvertrags

in grunderwerbsteuerlicher Hinsicht.

II. Änderungen im Gesellschafterbestand einer Kapitalgesellschaft (§ 1 Abs. 2 b GrEStG)

Im Rahmen der GrESt-Reform wurde für Kapitalgesellschaften eine dem § 1 Abs. 2 a GrEStG entsprechende Norm eingeführt.

1. Zum Tatbestand

Fiktion einer Grundstücksübereinung: Gehört zum Vermögen einer Kapitalgesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von 10 Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 90 % der Anteile der Gesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies gem. § 1 Abs. 2 b S. 1 GrEStG als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Kapitalgesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft. Mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand von den an einer Kapitalgesellschaft beteiligten Personengesellschaften werden nach § 1 Abs. 2 b S. 2 GrEStG durch Multiplikation der Vomhundertsätze der Anteile der Gesellschaft anteilig berücksichtigt.

 

Beispiel

A ist Alleingesellschafter der grundbesitzenden A-GmbH. Er veräußert

  • im Jahr 2022 50 % an B und
  • im Jahr 2023 weitere 40 % an C.

Lösung: Der Tatbestand des § 1 Abs. 2 b GrEStG ist erfüllt. Es wird ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Kapitalgesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft fingiert.

Der schädliche Gesellschafterwechsel bei grundbesitzenden Kapitalgesellschaften wird durch die dingliche Übertragung ausgelöst.[1]

Mittelbarer Gesellschafterwechsel: Um Umgehungen der Besteuerung zu vermeiden, werden neben unmittelbaren auch mittelbare Gesellschafterwechsel bei der Ermittlung der maßgeblichen Grenze berücksichtigt. An dem Grundgedanken, bei den Ergänzungstatbeständen auf die Erhebung der GrESt für den Erwerb des ganzen Grundstücks abzustellen, wird festgehalten.[2]

[1] Lange, DStR 2019, 2348.
[2] BR-Drucks. 355/19, 10.

2. Zeitlicher Anwendungsbereich

Unberücksichtigt bei der Anwendung des § 1 Abs. 2 b GrEStG bleiben Übergänge von Anteilen der Gesellschaft, die vor dem 1.7.2021 erfolgen (§ 23 Abs. 23 GrEStG).

 

Beispiel

(nach Behrens/Waadt, BB 2019, 1367)

Der ursprüngliche Alleingesellschafter A der A-GmbH übertrug

  • im Jahr 2016 50 % auf B und
  • im Jahr 2017 39 % der Anteile auf C.
  • Im Jahr 2022 überträgt A einen weiteren 1 %igen Anteil auf D.

Lösung: Die in 2016 und 2017 erfolgten Anteilsübergänge sind nicht zu berücksichtigen. § 1 Abs. 2 b GrEStG ist nicht verwirklicht.

3. Altgesellschafter

Ein relevanter Gesellschafterwechsel liegt nach § 1 Abs. 2b S. 1 GrEStG nur vor, wenn es sich um einen Gesellschafterwechsel handelt,

  • der durch einen Neugesellschafter ausgelöst wird, und
  • sich dadurch das Verhältnis der Altgesellschafter zu den Neugesellschaftern zu Lasten der Altgesellschafter verändert.[3]

Unmittelbar beteiligter Altgesellschafter: Unmittelbar an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligter Altgesellschafter ist – unabhängig von seiner Rechtsform –, wer

  • mit Ablauf des 30.6.2021 beteiligt war,
  • Gründungsgesellschafter ist,
  • vor dem Beginn des Zehnjahreszeitraums des § 1 Abs. 2 b S. 1 GrEStG beteiligt war,
  • im Zeitpunkt des Erwerbs des jeweiligen Grundstücks beteiligt war oder
  • bei einer früheren Verwirklichung des Tatbestands nach § 1 Abs. 2 b GrEStG beteiligt war.[4]

Ein unmittelbar beteiligter Altgesellschafter verliert die Eigenschaft als Altgesellschafter mit Aufgabe seiner Gesellschafterstellung.

Mittelbar beteiligter Altgesellschafter: Mittelbar an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligter Altgesellschafter ist – unabhängig von seiner Rechtsform –, wer über eine oder mehrere Personengesellschaften

  • mit Ablauf des 30.6.2021 beteiligt war,
  • im Zeitpunkt der Gründung der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligt war,
  • vor dem Beginn des Zehnjahreszeitraums des § 1 Abs. 2 b S. 1 GrEStG beteiligt war,
  • im Zeitpunkt des Erwerbs des jeweiligen Grundstücks beteiligt war oder
  • bei einer früheren Verwirklichung des Tatbestand...

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