Leitsatz

Zu den inländischen Kapitalgesellschaften i.S. des § 9 Nr. 2a GewStG gehören auch Kapitalgesellschaften, die ihren statutarischen Sitz im Ausland und ihren Ort der Geschäftsleitung im Inland haben.

 

Normenkette

§ 9 Nr. 2a und 7, § 2 Abs. 2, § 8 Nr. 5 GewStG, § 8b Abs. 1 und 5 KStG, § 107 FGO

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH mit Sitz und Geschäftsleitung in Deutschland. Ihr Unternehmensgegenstand ist die Verwaltung eigenen Vermögens, insbesondere der Erwerb und die Verwaltung eigenen Grundbesitzes sowie die Beteiligung an in- und ausländischen Gesellschaften, die Grundbesitz erwerben und verwalten.

Im Jahr 2009 (streitiger EZ) war die Klägerin Alleingesellschafterin der … BVBA (B‐BVBA), einer Gesellschaft mit Sitz in Belgien. Die B‐BVBA ist nach den Grundsätzen des sog. Rechtstypenvergleichs als Kapitalgesellschaft einzuordnen und war nicht aktiv tätig i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG. Unternehmensgegenstand der B‐BVBA war das Halten und Verwalten von Beteiligungen. Ihr alleiniger Geschäftsführer wohnte im Inland.

Die B‐BVBA war ihrerseits zu 14 % am Stammkapital der mexikanischen Kapitalgesellschaft … CV (M‐CV) beteiligt, die im streitigen Erhebungszeitraum aus ihrem im Wirtschaftsjahr 2008 erzielten Gewinn einen Anteil i.H.v. … EUR an die B‐BVBA ausschüttete. Die B‐BVBA schüttete diesen Betrag noch im streitigen EZ ohne Abschlag weiter an die Klägerin aus. In den jeweiligen Ausschüttungen waren keine zurückgezahlten Einlagen enthalten.

Das FA ermittelte den Gewerbeertrag und den vortragsfähigen Gewerbeverlust antragsgemäß unter Hinzurechnung von … EUR (95 % der Gewinnausschüttung der B‐BVBA gemäß § 8 Nr. 5 GewStG i.V.m. § 8b Abs. 1 und 5 KStG. Auf dieser Grundlage setzte das FA den GewSt-Messbetrag für 2009 auf 0 EUR und den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.2009 auf … EUR fest. Die entsprechenden Bescheide vom 2.9.2010 standen gemäß § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Den Antrag der Klägerin, diese Bescheide dahin zu ändern, dass die Hinzurechnung von … EUR gemäß § 9 Nr. 7 GewStG wieder gekürzt wird, lehnte das FA ab. Ein Einspruch blieb erfolglos.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt (Hessisches FG, Urteil vom 19.10.2018, 8 K 1279/16, Haufe-Index 12512728, EFG 2019, 199).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz. Die Begründung kann den Praxis-Hinweisen entnommen werden.

 

Hinweis

1. Mit der Besprechungsentscheidung hat der BFH eine praktisch bedeutsame gewerbesteuerrechtliche Streitfrage entschieden.

2. Die einzige Streitfrage des Verfahrens war, ob die für gewerbesteuerpflichtige Unternehmen grundsätzlich günstig wirkende Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 2a GewStG voraussetzt, dass die dort genannte inländische Kapitalgesellschaft einen doppelten Inlandsbezug aufweisen muss (Sitz und Geschäftsleitung im Inland) oder nicht. Im letztgenannten Fall wäre folglich auch eine Gesellschaft mit statuarischem Auslandssitz, aber inländischer Geschäftsleitung (doppelt ansässige Gesellschaft) tatbestandlich erfasst.

3. Der BFH hat die Streitfrage nunmehr entschieden: Eine "inländische Kapitalgesellschaft" i.S.d. § 9 Nr. 2a GewStG setzt keinen doppelten Inlandsbezug voraus.

4. Zu diesem Ergebnis kommt der BFH nach allen Regeln der klassischen Gesetzesauslegung:

a) Grammatische Auslegung: Nach dem Wortlaut kann man von einer inländischen Gesellschaft schon dann sprechen, wenn z.B. die Unternehmensführung in Deutschland sitzt und von dort aus die Geschicke des Unternehmens geleitet werden und sich etwa auch Fabrikanlagen in Deutschland befinden. Hier kann man nach allgemeinem Sprachgebrauch, der für die grammatische Auslegung grundsätzlich maßgeblich ist, ohne Weiteres von einem "deutschen", also einem inländischen Unternehmen sprechen.

b) Systematische Auslegung: In anderen Gesetzesregelung schreibt der Gesetzgeber den doppelten Inlandsbezug ausdrücklich vor. Wenn er es in § 9 Nr. 2a GewStG nicht tut, spricht das dafür, dass der einfache Inlandsbezug ausreicht.

c) Teleologische Auslegung: Der Zweck des § 9 Nr. 2a GewStG besteht darin, eine gewerbesteuerliche Doppelbelastung sowohl auf Ebene der ausschüttenden Gesellschaft als auch auf Ebene ihres Anteilseigners zu vermeiden. Kapitalgesellschaften mit Sitz im Ausland und Ort der Geschäftsleitung im Inland unterliegen aber in gleicher Weise wie Kapitalgesellschaften mit doppeltem Inlandsbezug der inländischen GewSt-Pflicht. Aus welchem Grund es gerade in diesem Fall bei einer gewerbesteuerlichen Doppelbelastung bleiben soll, obwohl nach § 9 Nr. 7 GewStG sogar Kapitalgesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland begünstigt werden, ist nicht ersichtlich.

5. Wichtig ist noch der Hinweis, dass der BFH ausdrücklich nur über die eine Konstellation der Doppelansässigkeit (Sitz im Ausland, Geschäftsleitung im Inland) geurteilt hat. Wie in anderen Konstellationen zu entscheiden ist (z.B. Inlandssitz und ausländische Geschäftsleitung oder "bloße" inländische Betriebsstätte), hat der BFH ausdrücklich offengelasse...

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