Leitsatz

1. Ist ein Vermächtnis auf Zuwendung von Grundbesitz gerichtet, ist für die Besteuerung der nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG gesondert festzustellende Grundbesitzwert maßgeblich.

2. Vermächtnisnehmer sind wie Erben und Miterben am Feststellungsverfahren beteiligt, wenn Gegenstand des Vermächtnisses ein nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG gesondert zu bewertendes Grundstück ist. Eine (eigene) gesonderte Feststellung von Grundbesitzwerten allein gegenüber dem oder – bei mehreren – den Vermächtnisnehmern ist in §§ 151ff. BewG nicht vorgesehen.

3. Ein eigenständiger Feststellungsbescheid über den Grundbesitzwert gegenüber einem Vermächtnisnehmer ist fehlerhaft, aber nicht unwirksam. Ein solcher Bescheid kann in Bestandskraft erwachsen.

 

Normenkette

§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 154 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Abs. 3 ErbStG, § 125 Abs. 1 AO

 

Sachverhalt

Der 2012 verstorbene Erblasser setzte den Bruder des Klägers zu seinem Alleinerben ein. Für den Kläger und dessen beiden Schwestern setzte der Erblasser Vermächtnisse aus. U. a. sollte ein zum Nachlass gehörendes Grundstück zu gleichen Teilen auf die drei Vermächtnisnehmer übergehen.

Das für die gesonderte Feststellung des Grundbe­sitzwerts für Zwecke der ErbSt zuständige FA stellte den Bedarfswert des Grundstücks mit insgesamt vier Bescheiden fest. Ein Bescheid war an den Erben gerichtet. Die anderen Bescheide enthielten als Inhaltsadressaten jeweils die drei Vermächtnisnehmer, denen jeweils ein Anteil von 1/3 zugerechnet wurde.

Auf den Einspruch des Erben setzte das FA den Grundbesitzwert diesem gegenüber herab. Den Einspruch des Klägers gegen den Feststellungsbescheid wies es wegen verspäteter Einlegung als unzulässig zurück.

Das FG gab der Klage mit der Begründung statt, der gegenüber dem Kläger ergangene Feststellungsbe­scheid sei wegen mangelnder inhaltlicher Bestimmtheit nichtig (FG Münster, Urteil vom 21.6.2018, 3 K 310/16 F, Haufe-Index 12407176, EFG 2019, 80).

 

Entscheidung

Der BFH wies auf die Revision des FA die Klage ab. Das FG habe den angefochtenen Feststellungsbescheid zu Unrecht aufgehoben. Der Bescheid sei weder unbestimmt noch aus anderen Gründen unwirksam.

 

Hinweis

Der BFH befasst sich im Besprechungsurteil mit bewertungsrechtlichen Fragen in Fällen, in denen ein Vermächtnis auf Zuwendung von Grundbesitz gerichtet ist.

1. Ein Erbfall kann mehrere Erwerbstatbestände nach § 3 ErbStG auslösen. Im Fall des Vermächtnisses erfüllen sowohl der Erbe als auch der Vermächtnisnehmer den Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Der Erbe erwirbt durch Erbanfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 ErbStG i.V.m. § 1922 BGB), der Vermächtnisnehmer durch Vermächtnis (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Fall 2 ErbStG i.V.m. §§ 2147ff. BGB). Die beiden Erwerbe erfolgen unabhängig voneinander, allerdings mindert der Wert des Vermächtnisses den steuerpflichtigen Erwerb des Erben als Nachlassverbindlichkeit (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG). Erben und Vermächtnisnehmer sind jeweils nur Steuerschuldner für ihren eigenen Erwerb (§ 20 Abs. 1 ErbStG).

2. Gegenstand des Erwerbs eines Vermächtnisnehmers ist der schuldrechtliche Anspruch gegen den Erben. Beim sog. Sachvermächtnis ist dies der Anspruch auf Herausgabe des im Wege des Vermächtnisses zugewandten Gegenstands und nicht der Gegenstand selbst. Ungeachtet dessen ist dieser Anspruch für Zwecke der ErbSt nach ständiger Rechtsprechung nach dem Steuerwert des im Wege des Vermächtnisses zugewandten Gegenstands zu bewerten. Soweit der BFH in früheren Entscheidungen wegen des Auseinanderfallens von Steuerwert und gemeinem Wert eine Abkehr von dieser Rechtsprechung erwogen hatte, hält er hieran nicht fest. Die aktuelle Bedarfsbewertung strebt grundsätzlich an, den Steuerwert und den gemeinen Wert zur Deckung zu bringen (§ 177 BewG), auch wenn es im Einzelfall zu Abweichungen kommt.

Der Erbe muss den nach § 12 Abs. 3 ErbStG i.V.m. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG gesondert festzustellenden Grundbesitzwert als zum Nachlass gehörend versteuern, kann jedoch im Gegenzug eine Verbindlichkeit aus einem Vermächtnis nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG vom steuerpflichtigen Erwerb abziehen. Der Vermächtnisverbindlichkeit entspricht die Vermächtnisforderung beim Vermächtnisnehmer. Bei einem Grundstücksvermächtnis ist für den Erwerb des Erben, für den Wert der beim Erben nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG anzusetzenden Verbindlichkeit wie auch für den Erwerb des Vermächtnisnehmers jeweils derselbe, nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG gesondert festgestellte Grundbesitzwert der Besteuerung zugrunde zu legen. Andernfalls müsste der Wert jeweils eigenständig ermittelt werden. Dies will § 12 Abs. 3 ErbStG mit dem Verweis auf § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG gerade vermeiden.

3. Nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG sind Grundbesitzwerte gesondert festzustellen, wenn die Werte für die ErbSt oder eine andere Feststellung i.S. dieser Vorschrift von Bedeutung sind. Nach § 154 Abs. 1 Satz 1 BewG sind am Feststellungsverfahren diejenigen beteiligt, denen der Gegenstand der Feststellung...

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