Grundsätzlich kann es weder des Gesetzgebers noch der Verwaltung Ziel sein, bei den millionenfach vorkommenden Kleinstanteilen von Mitgliedern an Genossenschaftsbanken oder Wohnungsbaugenossenschaften eine Ertrags- oder Substanzbewertung zur Anwendung kommen zu lassen. Bei diesen Genossenschaften sind ohnehin (s. genauer Abschn. V. 1.) die Vermögenszugriffrechte der einzelnen Genossen gesetzlich und faktisch ausgeschlossen, so dass eine Abkehr vom Nennwertansatz verfassungswidrig erscheinen würde. Vielmehr wird es wohl in zukünftigen Gesetzesänderungen oder erstmaligen BMF-Schreiben zur (jetzigen oder einstigen) Gesetzesanwendung das Konzept sein müssen, zumindest in groben Zügen festzulegen, wann Genossenschaftsanteile konkret derart ausgestaltet sind, dass eine bloße Nennwertbewertung auf Grund einer faktisch eigentümerähnlichen Stellung des Genossen nicht mehr zutreffend und verfassungsmäßig geboten erscheinen kann.

1. Berücksichtigung der gesetzlichen Einschränkung des Vermögenszugriffs durch die Genossen/Mitglieder

Aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Besonderheiten der Genossenschaft wird es dabei aber erforderlich sein, nachzuweisen, dass im Einzelfall eine Genossenschaft wegen eindeutiger gemeinsamer wirtschaftlicher Interessen aller Mitglieder faktisch und wirtschaftlich wie eine (beherrschte) Personen- oder Kapitalgesellschaft zu betrachten ist.

Hierzu sei statt aller auf Beuthien, NZG 2022, 1323, verwiesen, der ausführlich darlegt, dass grundsätzlich die Mitglieder einer Genossenschaft weder rechtlich noch wirtschaftlich Eigentümer oder Miteigentümer des Genossenschaftsvermögens sind. Im Einzelnen ist dabei auf folgende Besonderheiten des Genossenschaftsrechts einzugehen:

  • Anders als bei Kapitalgesellschaftern steht den Mitgliedern bzw. Genossen kein sämtliche Mitgliedschaftsrechte sowie den vollen Verkehrswert verkörpernder Gesellschaftsanteil nach Art eines GmbH-Geschäftsanteils (§ 15 Abs. 1 GmbHG) oder einer Aktie (§§ 1 Abs. 2, 8 Abs. 1 AktG) zu, sondern lediglich ein aus der Einlage und den Gewinnzuschriften bestehendes Geschäftsguthaben (§§ 21 Abs. 1, 22 Abs. 4, 73 Abs. 2 Satz 2, 91 Abs. 1 Satz 1 GenG).
  • Als substantielle Einschränkung ergibt sich daraus auch, dass ausscheidenden Genossen nur ihr Geschäftsguthaben ausgezahlt wird und sich deren Abfindung nicht auf die Rücklagen und das sonstige Vermögen der Genossenschaft (§ 73 Abs. 2 Satz 3 GenG) erstreckt. Etwaige diesbezügliche Satzungsänderungen sieht das Gesetz nicht vor, so dass sie insoweit nach § 18 Satz 2 GenG unzulässig wären.
  • Ebenso geht nach § 77 Abs. 1 GenG nur der Geschäftsanteil ("die Mitgliedschaft") auf den Erben über, ohne dass etwaige stille Reserven abgegolten werden können.

2. Mögliche Ansatzpunkte für zukünftige Änderungen des ErbStG oder der ErbStR

a) Finales Zusammenwirken der Genossen

Um einem Genossenschaftsanteil somit (i.R.d. erbschaft-/schenkungsteuerlichen Bewertung) die hinter der Genossenschaft stehende Ertrags- oder Vermögenskraft zuzuordnen, muss gleichsam feststehen, dass die Genossen im Zusammenwirken das Vermögen bzw. die ertragsbringenden Werte der Genossenschaft sich selbst zuweisen und nicht mehr aus der Hand geben wollen und aller Voraussicht nach auch nicht mehr werden.

Dies scheint nur denkbar bei bewusst aufgesetzten Familiengenossenschaften, die nur aus einem Familienstamm, somit nur aus den zukünftigen Erblassern und deren Nachkömmlingen in gerader Linie, bestehen. In diesen Konstellationen kann es denkbar und auch gewollt erscheinen, dass die Genossenschaft als solche immer nur ein Vermögensvehikel innerhalb der gesetzlichen oder bestimmten Erbfolge sein soll. Bereits hier kann es jedoch im weiteren Generationenverlauf zu Problemen kommen, wenn sich der einstige Stamm in die Geschwisterlinien aufteilt, da es erfahrungsgemäß den Genossen wichtiger sein wird, den eigenen Kindern anstelle der Geschwister das Durchgriffsrecht auf die hinter der Genossenschaft stehenden Vermögenswerte zu sichern.

Somit wird es der Finanzverwaltung nicht ohne weiteres leichtfallen, diesen durch die Genossenschaft gehenden Vermögensdurchgriff nachzuweisen. Andererseits wird es die Finanzverwaltung wohl früher oder später (verständlicherweise) nicht mehr vermeiden können, einer offensichtlich nach diesen Zielen errichteten Genossenschaft der Beurteilung durch höchstrichterliche Rspr. zuzuführen.

b) Bestimmung schädlicher in die Genossenschaft eingebrachter Vermögensarten

Eine weitere Fokussierung könnte neben dem Zusammenwirken der Genossen auf das in die Genossenschaft eingebrachte Vermögen erfolgen. Hier wird die Konzentration auf Genossenschaften mit hohen eingebrachten Vermögenswerten, insb. Grundstücken, Wertpapieren, sonstigen Finanzmitteln oder auch Kunstgegenständen liegen müssen, da insoweit die Genossenschaft die Besteuerung von nicht begünstigtem Privatvermögen und von Betriebsvermögen in Gestalt von schädlichem Verwaltungsvermögen durch den Nennwertansatz aushebeln will.

Die übergeordnete Prämisse ergibt sich dabei aus dem Urteil des BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, dessen Ausfluss insb. die jetzige Einzelunternehmen sowie Anteile an Personen- und Kapitalgesellschaften betreffende Unternehmensbewertung nach Ertragswert oder als Mindestansatz mit dem Substanzwert (zu Verkehrswerten) war an Stelle der zumei...

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