Bei genauerer Betrachtung sowohl von § 7 Abs. 8 Satz 3 ErbStG als auch der Ausführungen in R E 7.5 ErbStR 2019 tritt ein unlösbarer Widerspruch zu Tage:

  • Werden Genossenschaftsanteile direkt übertragen, erfolgt die Nennwertbewertung (bspw. mit 2.500 EUR für 25 % der Anteile) als Kapitalforderung unabhängig vom tatsächlichen gemeinen Wert des Vermögens der Genossenschaft.
  • Führt der Genosse jedoch bspw. als 25 %-Beteiligter bei weiterer 25 %-Beteiligung seiner Tochter der Genossenschaft eine verdeckte Sacheinlage im Wert von 500.000 EUR zu, erhöht sich (vereinfacht dargestellt) ihr Anteil um 125.000 EUR (500.000 EUR x ihr Anteil 25 %), weil insoweit nicht der Nennwert maßgebend ist. Diese Erhöhung unterliegt sodann der Besteuerung, ebenso die Werterhöhung von 250.000 EUR (500.000 EUR x 50 %) der anderen Genossen.

Das Ergebnis kann weder überzeugen noch scheint es verfassungsgemäß tragbar. Ziel des § 7 Abs. 8 ErbStG ist es, eine mögliche Besteuerungslücke zu schließen, wenn nicht Anteile übertragen werden, sondern die Werte der Anteile anderer Gesellschafter durch Einlagen erhöht werden. Dies ist bei Kapitalgesellschaften in sich stimmig und verfassungsrechtlich unbedenklich, da insoweit sowohl die Werterhöhung als auch die direkte Schenkung mit dem gemeinen Wert anzusetzen wären. R E 7.5 Abs. 11 Satz 2 ErbStR 2019 ermöglicht es durch den Verweis auf §§ 199 ff. BewG sogar, die einlagebedingte Wertsteigerung durch Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens vor und nach der Einlage zu ermitteln, wenn die Ertragsaussichten der Gesellschaft durch eine Einlage erhöht wurden.

Diese Grundsätze explizit in Gesetz und ErbStR auf Genossenschaften übertragen zu wollen, erscheint nur basierend auf der Verkennung der aktuellen Rechtslage zur regulären Bewertung von Genossenschaftsanteilen möglich, es sei denn, Gesetzgeber und Verwaltung halten auch insoweit eine Ertrags- und Substanzbewertung für zulässig. Bezüglich der Finanzverwaltung erscheint dies jedoch unter Berücksichtigung ihrer (in Abschn. IV. 2. a) ausgeführten) entgegenstehenden sonstigen Äußerungen sehr fraglich. Warum der Gesetzgeber in § 7 Abs. 8 Satz 3 ErbStG die Werterhöhung von Genossenschaftsanteilen mit dem Verkehrswert besteuern will und andererseits Genossenschaftsanteile selbst keiner Ertrags- und Substanzbewertung zuführen will, ist ebenso schwer nachvollziehbar.

Beraterhinweis Bereits vollzugs- und gesetzeslogisch kann § 7 Abs. 8 Satz 3 ErbStG nicht auf die millionenfach vorliegenden Anteile an den Volks- und Raiffeisenbanken als Kreditgenossenschaften anzuwenden sein, da dies schlichtweg abwegig wäre, denn der Grundgedanke des § 7 Abs. 8 ErbStG – zumindest bei Kapitalgesellschaften in Familienhand – ist ja, dass im Nachfolgeverbund bewusst herbeigeführte indirekte Vermögenstransfers erfasst werden sollen. Dem Telos folgend sollte der Gesetzgeber also auch vornehmlich solche Verschiebungen zwischen nahen Angehörigen insb. innerhalb "geschlossener" Familien-Genossenschaften bei der Ergänzung der Besteuerung um § 7 Abs. 8 Satz 3 ErbStG vor Augen gehabt haben. Dann es aber im Umkehrschluss gleichermaßen zu unterlassen, ebensolche Anteile unter genauer definierten Voraussetzungen von der reinen Nennwertbewertung auszunehmen, erscheint als derart schwere Regelungslücke oder überschießende Einzeltatbestanderfassung in gleichzeitiger Ermangelung der Erfassung des Grundtatbestands, dass verfassungsrechtliche Bedenken bestehen.

Hierbei hilft das Gedankenexperiment, dass bspw. GmbH-Anteile mit dem Nennwert i.S.d. § 12 Abs. 1 BewG zu bewerten wären, während werterhöhende Einlagen in GmbHs mit dem gemeinen Wert erfasst würden, ggf. unter Berücksichtigungen des vereinfachten Ertragswertverfahrens. Eine höchstrichterliche Überprüfung des § 7 Abs. 8 Satz 3 ErbStG oder eine wirtschaftlich nachvollziehbare Gesetzesänderung wäre daher schnellstmöglich wünschenswert.

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