Leitsatz

1. Eine außerordentliche Beschwerde wegen sog. greifbarer Gesetzwidrigkeit ist im Finanzprozess seit In-Kraft-Treten des § 321a ZPO nicht mehr statthaft.

2. Stattdessen kann zur Beseitigung schweren Verfahrensunrechts in mit förmlichen Rechtsmitteln nicht anfechtbaren Entscheidungen eine fristgebundene Gegenvorstellung bei dem Ausgangsgericht entsprechend § 321a ZPO erhoben werden.

 

Normenkette

§ 128 FGO , § 155 FGO , § 321a ZPO

 

Sachverhalt

Der Antragsteller hatte beim FA erfolglos Aussetzung der Vollziehung (AdV) eines Gewinnfeststellungsbescheids beantragt. Deshalb beantragte er AdV beim FG. Zu der Antragschrift hatte das FA Stellung genommen. Das FG setzte dem Antragsteller eine Frist zur Gegenäußerung bis zum 20.9., lehnte aber den AdV-Antrag bereits mit Beschluss vom 12.9. ab. Am folgenden Tag wurde der Beschluss an die Beteiligten versandt. Gleichzeitig ging die Gegenäußerung des Antragstellers beim FG ein.

Der Antragsteller erhob beim FG Beschwerde gegen den Beschluss, obwohl das FG die Beschwerde nicht zugelassen hatte. Mit der Beschwerde wurde eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nach § 119 Nr. 3 FGO gerügt. Das FG leitete die Beschwerde ohne eigene Stellungnahme an den BFH weiter.

 

Entscheidung

Der BFH legte die Beschwerde als Gegenvorstellung entsprechend § 321a ZPO aus (s. dazu die Praxis-Hinweise) und gab sie durch Beschluss zur weiteren Bearbeitung an das FG zurück.

 

Hinweis

Die Entscheidung ist prozessrechtlich deshalb von Bedeutung, weil sie einen in den letzten Jahren außerhalb des Gesetzes "gewachsenen"Rechtsbehelf abschafft und zugleich in Anlehnung an die ZPO einen neuen Rechtsbehelf für den Finanzprozess schafft.

1. Seit vielen Jahren hatte der BFH ebenso wie andere oberste Bundesgerichte in bestimmten Fällen eine Beschwerde für statthaft erklärt, die die Prozessordnungen nicht vorsehen. Diese sog. außerordentliche Beschwerde sollte zur Beseitigung schwerer Fehler (greifbare Gesetzwidrigkeit) in Entscheidungen des FG, aber auch des BFH selbst dienen, um zu vermeiden, dass das BVerfG mit Verfassungsbeschwerden überschwemmt wird. Die Bedenken dagegen, dass ein Rechtsbehelf gegen Entscheidungen gewährt wird, die nach der Prozessordnung unanfechtbar sein sollten, konnten jedoch nie ganz ausgeräumt werden.

2. Im Jahr 2001 hat der Gesetzgeber erstmals mit einer ausdrücklichen Regelung eine instanzinterne Korrektur schweren Verfahrensunrechts in unanfechtbaren Entscheidungen zugelassen. Nach dem neuen § 321a ZPO ist auf Rüge der durch ein unanfechtbares Urteil beschwerten Partei der Prozess vor dem Gericht des ersten Rechtszuges fortzuführen, wenn dieses Gericht den Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Daraus hat der BGH für den Zivilprozess entnommen, dass eine außerordentliche Beschwerde nun nicht mehr statthaft sei, weil der neue Rechtsbehelf zur Verfügung stehe. Ähnlich entschied auch das BVerwG für den allgemeinen Verwaltungsprozess.

3. Der BFH hat sich nun den Entscheidungen der beiden anderen Bundesgerichte angeschlossen und für den Finanzprozess entschieden, dass § 321a ZPO entsprechend anzuwenden sei. Über den Wortlaut der Vorschrift hinaus kann der Rechtsbehelf, den der BFH als Gegenvorstellung bezeichnet, bei allen schwerwiegenden Verfahrensfehlern erhoben werden. Die Gegenvorstellung ist nur statthaft, wenn weder Revision noch Beschwerde gegen die Entscheidung eingelegt werden können. Sie ist bei dem Gericht zu erheben, dem der Fehler unterlaufen ist. Beachten Sie, dass dabei eine Frist von zwei Wochen seit Zustellung der vollständigen Entscheidung eingehalten werden muss.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 5.12.2002, IV B 190/02

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