Rz. 86

Für das Vorliegen eines einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillens genügt es auch, dass die Gruppe von Personen, die das Besitzunternehmen tatsächlich beherrscht, auch in der Lage ist, in der Betriebsgesellschaft ihren Willen durchzusetzen (sog. Beherrschungsidentität).[1] Hieran hat auch die geänderte Rspr. des BFH[2] zur umsatzsteuerlichen Organschaft (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) nichts geändert[3], da es für die Frage der personellen Verflechtung nicht auf die Frage der finanziellen Eingliederung ankommt, sondern darauf, ob die Möglichkeit besteht, den Willen auch in der Betriebsgesellschaft durchzusetzen.

 

Rz. 87

Der einheitliche Geschäfts- und Betätigungswille ist grundsätzlich gegeben, wenn dieselben Personen – und nur diese – in unterschiedlicher Höhe am Besitzunternehmen und der Betriebsgesellschaft beteiligt sind.[4] In diesen Fällen wird Beherrschungsidentität bejaht, weil davon ausgegangen wird, dass es sich um einen bewusst geplanten, zweckgerichteten Zusammenschluss dieser Personen handelt und nicht um ein zufälliges Zusammenkommen, bei der die wirtschaftliche Notwendigkeit der Doppelgesellschaft gleichgerichtete Interessen indiziert und ein gemeinsames Handeln gebietet (Theorie der bewusst geplanten Doppelgesellschaft[5]); nicht zu vereinbarende Entscheidungen bei Besitz- und Betriebsunternehmen würden praktisch das Ende der Doppelgesellschaft bedeuten.[6] Dies gilt auch dann, wenn in einem der beiden Unternehmen das Einstimmigkeitsprinzip Anwendung findet.[7] Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die an Besitz- und Betriebsgesellschaft beteiligten Personen Eheleute sind, da sich der Interessengleichklang bereits aus dem zweckgerichteten Zusammenschluss der Personen ergibt (Rz. 113ff.).

 

Rz. 88

Beherrschungsidentität wird auch dann bejaht, wenn der eine Gesellschafter über die Mehrheit der Anteile an der Betriebsgesellschaft, der andere über die Mehrheit der Anteile an der Besitzgesellschaft verfügt.[8]

 
Praxis-Beispiel

Beherrschungsidentität

 
Gesellschafter Besitzgesellschaft Betriebsgesellschaft
A 70 % 30 %
B 30 % 70 %
 

Rz. 89

Dagegen fehlt es an einer Beherrschungsidentität, wenn die Beteiligungsverhältnisse an Besitz- und Betriebsgesellschaft extrem konträr sind. Eine solche Konstellation lässt den Schluss auf gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen nicht mehr zu.[9] Vielmehr ist von einem natürlichen Interessengegensatz der Beteiligten (z. B. hinsichtlich des Nutzungsentgelts) auszugehen. Die Interessenlagen kommen im wirtschaftlichen Ergebnis denen einer Fremdverpachtung des Besitzunternehmens gleich.[10]

 
Praxis-Beispiel

Fehlende Beherrschungsidentität

 
Gesellschafter Besitzgesellschaft Betriebsgesellschaft
A 95 % 5 %
B 5 % 95 %
 
Gesellschafter Besitzgesellschaft Betriebsgesellschaft
A 90 % 10 %
B 10 % 90 %

In beiden Beispielen fehlt es an der personellen Verflechtung.[11]

 

Rz. 90

Es ist nicht abschließend geklärt, ab welcher Beteiligungsrelation extrem konträre Beteiligungsverhältnisse vorliegen.[12] Die Rspr. ist bisher in Fällen, bei denen Beteiligungsrelationen von 55 % zu 45 %[13], 60 % zu 40 %[14] bzw. 80 % zu 20 %[15] beim Besitzunternehmen und im umgekehrten Verhältnis beim Betriebsunternehmen vorgelegen haben, von personeller Verflechtung ausgegangen.

 

Rz. 91

Ein bloßer Splitteranteil an einer Gesellschaft führt dann zur personellen Verflechtung, wenn der betreffende Gesellschafter an dem anderen Unternehmen eine gleichgewichtige Beteiligung hält. Ein einheitlicher geschäftlicher Betätigungswille wird in diesem Fall bejaht, weil eine Missachtung der Interessen des an der Betriebskapitalgesellschaft nur geringfügig beteiligten Gesellschafters zu einer Blockierung der Willensbildung in der Besitzgesellschaft und damit zum Zerbrechen der Doppelkonstruktion führen würde.[16]

In einem solchen Fall, Beteiligung an der Besitzgesellschaft im Verhältnis 50 % zu 50 %, macht es keinen Unterschied, ob die Beteiligungsverhältnisse an der Betriebskapitalgesellschaft 90 % zu 10 %[17], 88 % zu 12 %[18] oder 98 % zu 2 %[19] sind. In allen genannten Fällen geht der BFH von personeller Verflechtung aus.

 

Rz. 92

Selbst in Fällen, in denen einer der Gesellschafter nur ganz geringfügig, d. h. unter 1 %, an der Betriebskapitalgesellschaft beteiligt ist, ist der Rspr. des BFH[20] zu entnehmen, dass die Annahme eines extrem konträren Beteiligungsverhältnisses in zahlreichen Fällen abgelehnt wurde. Auch im Fall[21], bei dem innerhalb einer Personengruppe eine engere Gruppe an der Besitzgesellschaft über eine einfache Mehrheit von 60 % und an der Betriebskapitalgesellschaft über eine qualifizierte Mehrheit von 99,27 % verfügte, wurde ein extrem konträres Beteiligungsverhältnis verneint.

Bei der Gestaltungsberatung sollte daher nicht auf die Anerkennung extrem konträrer Beteiligungsverhältnisse vertraut werden, wenn eine Betriebsaufspaltung bewusst vermieden werden soll. Dies gilt umso mehr, als die Finanzverwaltung die personelle Verflechtung nur in den Fällen verneint, in denen vom Stpfl. tatsächlich auch...

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