Rz. 99

Dem Anschaffungsvorgang können ein Kauf, eine Werklieferung, ein Tausch – insbesondere eine Sacheinbringung – oder eine Schenkung zugrunde liegen. Der Anschaffungsvorgang muss nicht zeitpunktbezogen sein, sondern kann sich über einen längeren Zeitraum erstrecken. Ein Wirtschaftsgut ist angeschafft, mit der Folge, dass es beim Erwerber zu bilanzieren ist, sobald dieser die wirtschaftliche Verfügungsmacht, also zumindest das wirtschaftliche Eigentum erlangt hat.[1]§ 246 Abs. 1 S. 2 HGB stellt für die Bilanzierung eines Vermögensgegenstands auf das rechtliche Eigentum ab, gibt jedoch, wie das Steuerrecht, bei Auseinanderfallen von rechtlichem und wirtschaftlichen Eigentum dem wirtschaftlichen Eigentum den Vorrang. Für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums ist der Zeitpunkt des Gefahrenübergangs maßgebend. Die bloße Inbetriebnahme z. B. während eines Probebetriebs genügt nicht.[2] Sind Veräußerer, Erwerber und Gläubiger übernommener Verbindlichkeiten nahe Angehörige, so können ein Anschaffungsgeschäft und Anschaffungskosten nur angenommen werden, wenn der Kauf rechtswirksam vereinbart ist sowie Inhalt und Durchführung des Vertragsverhältnisses dem unter Fremden Üblichen entsprechen, also einem Fremdvergleich standhalten. Anderenfalls kann es sich um eine verschleierte Schenkung oder um einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten handeln. Im Rahmen des Fremdvergleichs ist die Gesamtheit der objektiven Umstände zu würdigen.[3] Mit einer Veräußerung bzw. einer Anschaffung kann eine Einbringung i. S. v. § 24 UmwStG verbunden sein.

 

Rz. 99a

Noch nicht zum Anschaffungsvorgang gehören mangels eines konkreten wirtschaftlichen Zusammenhangs Aufwendungen, die angefallen sind, bevor der Stpfl. endgültig den Entschluss gefasst hat, das Wirtschaftsgut zu erwerben. Derartige Aufwendungen sind sofort als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar.[4]

Allerdings wird die Frage, wann ein Erwerbs-Entschluss als gefasst anzusehen ist, kontrovers diskutiert. Dem BFH wurde eine Entscheidung dazu noch nicht abverlangt. Er hat zwar mehrfach über die Frage der sofortigen Abziehbarkeit von Kosten geurteilt, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften angefallen waren, allerdings betrafen diese nicht den Bereich der Gewinneinkünfte, sondern die Überschusseinkünfte. Jedoch beziehen sich alle Urteile bei der Definition des Anschaffungskostenbegriffs auf den § 255 Abs. 1 HGB. Im Umkehrschluss könnte daraus abzuleiten sein, dass die grundsätzlichen Aussagen zum Anschaffungsvorgang auch auf die Gewinneinkünfte anzuwenden sind.[5] Bisher hat lediglich das FG Köln zu der Frage Stellung genommen und entschieden, dass bei einer "due diligence-Prüfung" regelmäßig davon auszugehen sei, dass eine grundsätzliche Erwerbsentscheidung gefallen sei.[6]

 

Rz. 100

Bewertet werden dem Kaufmann zurechenbare Wirtschaftsgüter[7], sei es aufgrund seines bürgerlich-rechtlichen Eigentums, hilfsweise aufgrund seines wirtschaftlichen Eigentums (§ 246 Abs. 1 HGB). Dies schließt jedoch nicht aus, den Anschaffungsvorgang zur Ermittlung der Anschaffungskosten für ein Wirtschaftsgut zeitraumbezogen zu sehen. Der Anschaffungsvorgang umfasst schon nach § 255 Abs. 1 HGB einen Zeitraum von zwei Abschnitten, nämlich den Zeitraum des Erwerbs und den Zeitraum, um das Wirtschaftsgut in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Durch diese weite Erstreckung des Anschaffungsvorgangs soll der Anschaffungsvorgang so weit wie möglich erfolgsneutral behandelt werden. So hat der BFH den Anschaffungsvorgang bereits beginnen lassen, wenn der Stpfl. überhaupt noch kein rechtliches oder wirtschaftliches Eigentum an einem Wirtschaftsgut besitzt. Der Erwerbszeitraum beginnt schon mit der Suche nach einem für den Betrieb geeigneten Objekt. Zu derartigen vor dem Erwerbszeitpunkt liegenden Anschaffungskosten gehören beispielsweise die Kosten für den Abschluss des Kaufvertrags. Es fallen z. B. Maklergebühren beim Kauf eines am Bilanzstichtag noch nicht aufgelassenen und übereigneten Grundstücks an. Die Maklergebühren dürfen nicht zunächst als Aufwand verbucht werden; sie sind als Anschaffungskosten bereits zu aktivieren.[8]

 

Rz. 101

Die zweite Zeitphase des Versetzens des Wirtschaftsguts in Betriebsbereitschaft ist erst abgeschlossen, wenn das Wirtschaftsgut nach den Vorstellungen des Unternehmers für die Zwecke seines Unternehmens einsatzbereit ist.[9] Zu den Anschaffungskosten gehören daher nach § 255 Abs. 1 S. 1 HGB auch solche Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Hierher gehören Aufwendungen für den Transport, die Montage und den Anschluss, darüber hinaus bei gebraucht erworbenen Wirtschaftsgütern Instandsetzungsaufwendungen, die vor ihrer Ingebrauchnahme anfallen (anschaffungsnahe Aufwendungen). Die Verwendungsabsicht des Erwerbers entscheidet darüber, ob ein Wirtschaftsgut betriebsbereit ist. Ein funktionsuntüchtiges Wirtschaftsgut kann nicht betriebsbereit sein.[10] Wenn ...

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