Rz. 438

§ 5 Abs. 3 bis 4b EStG enthält einige Regelungen, in denen das Steuerrecht von den handelsrechtlichen Regelungen abweicht. Diese Vorschriften stellen gesetzlich zugelassene Abweichungen der Steuerbilanz von der Handelsbilanz dar und durchbrechen daher den Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz. Die steuerlichen Regelungen enthalten Passivierungsverbote für Rückstellungen. Diese Rückstellungen dürfen daher in der Steuerbilanz nicht oder nur eingeschränkt nach den Regelungen der Abs. 3–4b angesetzt werden, auch wenn handelsrechtlich Passivierungspflicht besteht.

 

Rz. 438a

Folge dieser Regelung ist, dass der Steuerbilanzgewinn höher ist als der Handelsbilanzgewinn. Da handelsrechtlich der Gewinn auszuweisen ist, der sich bei einer vorsichtigen Bilanzierung aufgrund der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung ergibt, weist die Steuerbilanz einen zu hohen Gewinn aus, der die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit überschätzt. Handelsrechtlich ist nicht nur die Verbindlichkeit auszuweisen; zusätzlich wird der Handelsbilanzgewinn durch die zusätzliche Steuer auf den erhöhten Steuerbilanzgewinn geschmälert. Kapitalgesellschaften dürfen insoweit einen Aktivposten für latente Steuern als Bilanzierungshilfe aktivieren[1], der jedoch mit einer Ausschüttungssperre verbunden ist.

 

Rz. 438b

Da die steuerrechtliche Regelung über Rückstellungen in großem Umfang der handelsrechtlichen Regelung folgt (Rz. 326), gilt mittelbar für die Rückstellungen im Steuerrecht die EG-Bilanzrichtlinie (Rz. 33). Da somit Steuergerichte insoweit (mittelbar) EU-Recht anwenden, greift insoweit auch die Vorabentscheidungskompetenz des EuGH (Rz. 64). Allerdings sind damit steuerrechtliche Sonderregelungen für Rückstellungen nicht ausgeschlossen. Für Steuerrecht gilt die EG-Bilanzrichtlinie nur mittelbar über die handelsrechtliche Regelung und die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, das Steuerrecht über den Maßgeblichkeitsgrundsatz an das Handelsrecht zu binden. Es obliegt dann dem nationalen Gesetzgeber zu entscheiden, wieweit diese Bindung reichen soll; er kann daher auch einzelne Bereiche aus der Bindung und damit der mittelbaren Geltung der EG-Bilanzrichtlinie ausnehmen.[2] Die auf Gesetz beruhenden Abweichungen der steuerrechtlichen Regelungen von der EG-Bilanzrichtlinie verstoßen daher nicht gegen EG-Recht.

 

Rz. 439

Für Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten enthält § 5 EStG folgende steuerrechtliche Sonderregelungen:

  • Die Bildung von Rückstellungen für die Verletzung fremder Patent-, Urheber- und ähnlicher Schutzrechte ist erst möglich, wenn der Rechtsinhaber Ansprüche geltend gemacht hat oder mit der Inanspruchnahme ernsthaft zu rechnen ist; ist die Rückstellung gebildet worden, weil mit der Inanspruchnahme ernsthaft zu rechnen ist, ist sie spätestens nach drei Jahren aufzulösen, wenn keine Inanspruchnahme erfolgt ist.[3]
  • Rückstellungen für Jubiläumszuwendungen dürfen nur für ein Jubiläum von mindestens 15 Jahren sowie erst gebildet werden, wenn das Dienstverhältnis 10 Jahre bestanden hat; die Zusage ist schriftlich zu erteilen. Außerdem darf die Rückstellung nur für solche Anwartschaften gebildet werden, die nach dem 31.12.1992 erworben worden sind.[4]
  • Rückstellungen dürfen nicht gebildet werden, soweit es sich bei den Aufwendungen um Anschaffungs- oder Herstellungskosten handelt.[5] Bei dieser Regelung handelt es sich um eine Klarstellung, die auch handelsrechtlich gilt; eine Durchbrechung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes liegt insoweit nicht vor (Rz. 359).
  • Die Bildung von Rückstellungen für die Verpflichtung zur schadlosen Verwertung radioaktiver Reststoffe sowie radioaktiver Anlagenteile dürfen nicht gebildet werden, soweit diese Aufwendungen im Zusammenhang mit der Wiederaufarbeitung stehen[6]); dies ist eine besondere Ausprägung des Grundsatzes, dass Rückstellungen für Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht gebildet werden dürfen.[7]

Eine weitere steuerrechtliche Sonderregelung betrifft das Verbot der Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften.[8]

 

Rz. 440

Zu den steuerlichen Sonderregelungen gehören auch die steuerlichen Abzugsverbote, insbesondere § 4 Abs. 5 EStG. Rückstellungen sollen den aus Verbindlichkeiten resultierenden Aufwand verursachungsgerecht der jeweils betroffenen Periode zuordnen. Auf das Steuerrecht übertragen bedeutet dies, dass der steuerlich anzusetzende Aufwand entsprechend seiner wirtschaftlichen Verursachung in der Periode abzuziehen ist, zu der er wirtschaftlich gehört. Daraus folgt aber, dass Aufwand, der steuerlich nicht abgesetzt werden kann, auch nicht in einer steuerlich anzuerkennenden Rückstellung erfasst werden darf. Wenn kein steuerlich anzuerkennender Aufwand vorliegt, kann er auch nicht verursachungsgerecht der zutreffenden Periode zugeordnet werden.

 

Rz. 440a

Das bedeutet, dass Aufwendungen, die nach § 4 Abs. 5 EStG nicht abzugsfähig sind, auch nicht in einer steuerlichen Rückstellung erfasst werden dürfen. Die steuerlichen Rückstellungen w...

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