Rz. 17

Die unterschiedliche steuerliche Behandlung identischer Sachverhalte durch verschiedene Staaten kann, je nach Sachverhaltsgestaltung, sowohl zu negativen als auch zu positiven Qualifikationskonflikten führen und damit einhergehend, Besteuerungsinkongruenzen in Form einer Nicht- oder Minderbesteuerung und in Form einer Doppelbesteuerung zur Folge haben.[1] Die vorhandenen Regelungen sind bislang nicht hinreichend in der Lage, aus Qualifikationskonflikten resultierenden Besteuerungsinkongruenzen derart zu begegnen, dass diese weitestgehend neutralisiert werden können.[2]

 

Rz. 18

Nicht- und Minderbesteuerung aufgrund negativer Qualifikationskonflikte: Negative Qualifikationskonflikte, wie sie im Zusammenhang mit hybriden Gestaltungen auftreten, können zu einer Nicht- oder Minderbesteuerung führen.[3] Eine Nichtbesteuerung wird als eine Situation bezeichnet, bei der die jeweiligen Einkünfte sowohl im Quellen- als auch im Ansässigkeitsstaat nicht besteuert werden, weil sie entweder gar nicht steuerbar oder vollständig steuerbefreit sind.[4] Im Schrifttum ist dieses Phänomen auch häufig unter Begriffen wie "Keinmalbesteuerung", "Nullbesteuerung", "Doppelnichtbesteuerung", "Doppelfreistellung" oder "weiße Einkünfte" vorzufinden, die hierfür synonym verwendet werden.[5] Obwohl im deutschsprachigen Raum unter dem Begriff der Minderbesteuerung stets Steuervorteile infolge grenzüberschreitender Tätigkeiten diskutiert werden, besteht über die inhaltliche Abgrenzung des Begriffs keine einheitliche Auffassung.[6]

Das Phänomen der Minderbesteuerung wird dagegen allgemein als eine Situation beschrieben, in der Einkünfte oder Vermögenswerte zu niedrig, unangemessen niedrig oder nur ermäßigt besteuert werden.[7] Sämtliche dieser Formulierungen enthalten ein unbestimmtes quantitatives Element, für dessen inhaltliche Ausgestaltung sich bislang keine allgemein anerkannte Meinung durchgesetzt hat.[8] Aufgrund der fehlenden Bestimmtheit werden daher häufig sowohl niedrig als auch überhaupt nicht besteuerte Einkünfte unter dem Begriff der Minderbesteuerung zusammengefasst.[9] Die Minderbesteuerung ist damit "de facto" das Gegenstück zur Doppelbesteuerung, indem sie einen Zustand beschreibt, bei dem die Gesamtsteuerbelastung der grenzüberschreitenden Tätigkeit regelmäßig geringer ist als bei einer rein inländischen Tätigkeit.[10] Im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Qualifikationskonflikten kann eine Minderbesteuerung aus einer doppelten Nichtbesteuerung, einer doppelten Aufwandsberücksichtigung (sog. "double dip"), einem Betriebsausgabenabzug ohne eine korrespondierende Besteuerung von Betriebseinnahmen oder einer unterschiedlichen Periodisierung von Betriebsausgaben und Betriebseinnahmen (Betriebsausgaben vor Betriebseinnahmen) resultieren.[11] Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ist der Begriff der Minderbesteuerung entsprechend weit zu verstehen.

Während eine Minderbesteuerung aufgrund des Verlustes von Besteuerungssubstrat und dem daraus resultierenden Rückgang der Steuereinnahmen aus fiskalischer Sicht unzweifelhaft unerwünscht ist,[12] wird sie von Unternehmen häufig angestrebt. Durch die gezielte Nutzung von negativen Qualifikationskonflikten haben grenzüberschreitend tätige Unternehmen die Möglichkeit, ihre Gesamtsteuerbelastung und somit auch ihre Gesamtsteuerquote signifikant zu reduzieren.[13] Die Reduzierung der Gesamtsteuerquote[14] kann neben der ordnungsgemäßen Erfüllung der gesetzlichen Vorschriften (sog. Compliance) daher ein zentrales steuerpolitisches Ziel börsennotierter multinationaler Konzerne sein.[15] Grund hierfür ist unter anderem, dass schon eine geringfügige Reduzierung der Gesamtsteuerquote den gleichen Effekt auf das Nettoergebnis haben kann wie eine beträchtliche Umsatzsteigerung. Dies wiederum hat einen positiven Einfluss auf den Shareholder-Value und die Marktkapitalisierung der entsprechenden Unternehmen.[16] Die Nutzung systembedingter Minderbesteuerung und die legale gestaltungsbedingte Minderbesteuerung durch den Stpfl.kann dabei nicht als verwerflich bezeichnet werden.[17] Stattdessen sind die Staaten, sofern sie mit den steuerplanerischen Aktivitäten unzufrieden sind, angehalten, derartige Situationen durch gesetzgeberische Lückenschließung zu verhindern.[18]

 

Rz. 19

Doppelbesteuerung aufgrund positiver Qualifikationskonflikte: Neben der Gefahr der Minderbesteuerung bergen Qualifikationskonflikte latent die Gefahr, dass aus ihnen eine Doppelbesteuerung resultiert.[19] Dabei ist zwischen der rechtlichen und wirtschaftlichen Doppelbesteuerung zu unterscheiden. Der Tatbestand der rechtlichen Doppelbesteuerung ist erfüllt, wenn derselbe Stpfl.mit denselben Einkünften oder Vermögenswerten in demselben Besteuerungszeitraum in zwei oder mehreren Staaten zu gleichen oder vergleichbaren Steuern herangezogen wird.[20] Eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung liegt demgegenüber vor, wenn dasselbe Steuerobjekt in mehreren Staaten in demselben Besteuerungszeitraum zu gleichen oder vergleichbaren St...

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