Rz. 37

Ein (noch) bestehender Ausgleichsposten ist insgesamt aufzulösen, sofern einer der in § 4g Abs. 2 S. 2 EStG normierten Ersatztatbestände erfüllt ist. Der Gesetzgeber wollte hiermit wohl eine Begünstigung des Stpfl. "über Gebühr" vermeiden. Mit anderen Worten soll die Begünstigung des § 4g EStG in pauschalierender Weise die Europarechtstauglichkeit des gesetzgeberischen Entstrickungskonzepts herstellen, darüber hinaus jedoch keine Begünstigungen schaffen. Dementsprechend knüpfen die Ersatzrealisationstatbestände an Sachverhalte an, bei denen die stillen Reserven des Wirtschaftsguts nach inländischen und sogar nach ausl. Rechtsmaßstäben aufzudecken wären (Meistbegünstigungsprinzip für den Fiskus). Die Regelung wurde im Zuge des ATADUmsG[1] grundlegend überarbeitet. Gleichwohl enthält das Artikelgesetz keine besondere Anwendungsregelung für die Neufassung, sodass diese erstmalig auf Wirtschaftsjahre anzuwenden ist, die nach dem 25.6.2021 enden. Für frühere Wirtschaftsjahre gilt hingegen noch die alte Fassung.

Weiterhin soll eine Auflösung in aktueller Fassung auch dann erfolgen, sofern die physische Präsenz des Wirtschaftsguts das Hoheitsgebiet des EU-/EWR-Raums verlässt. Insoweit soll wohl die Herstellung der Europarechtstauglichkeit durch die Norm nicht notwendig sein. Schließlich erfolgt eine Auflösung, sofern die Einziehung der Steuer gefährdet sein könnte.

Die Aufzählung in § 4g Abs. 2 S. 2 EStG (inkl. der in § 36 Abs. 5 S. 4 EStG) ist abschließend. Weitere Ersatztatbestände – abgesehen von der Verletzung der Mitwirkungspflicht gem. § 4g Abs. 5 S. 2 EStG – können auch nicht über einen Analogieschluss zur Auflösung des Ausgleichspostens führen. Aufgrund der Bildung eines Ausgleichspostens je Wirtschaftsgut muss auch die Betrachtung der Ersatzrealisationstatbestände ebenfalls bezogen auf das jeweilige Wirtschaftsgut erfolgen.[2]

Eine Ausnahme ergibt sich im Zuge des Brexit, da der Gesetzgeber insoweit eine Rückausnahme eingefügt hat (siehe Rz. 71).

 

Rz. 38

Grundsätzlich verfügt die Regelung über zwei Tatbestandsalternativen. Nach der ersten Tatbestandsalternative ist der Ausgleichsposten im vollen Umfang gewinnerhöhend aufzulösen, sofern ein Ereignis i. S. d. § 36 Abs. 5 S. 4 EStG eintritt (§ 36 EStG Rz. 98).

Die "Ereignisse" des § 36 Abs. 5 S. 4 EStG beziehen sich indessen vornehmlich auf Wirtschaftsgüter i. S. d. § 36 Abs. 5 S. 1 EStG, also solche, bei denen es aufgrund einer Sitzverlegung eines Betriebs oder Teilbetriebs zu einer Beschränkung oder einem Ausschluss des Besteuerungsrechts kam. Die Regelung des § 4g EStG bezieht sich aber auf Einzelwirtschaftsgüter, die nicht in den Anwendungsbereich des § 16 Abs. 3a EStG und so auch gerade nicht in den Anwendungsbereich des § 4g EStG fallen.

Die Regelung wird m. E. dementsprechend so zu verstehen sein, dass sich die in § 36 Abs. 5 S. 4 EStG genannten Tatbestandsalternativen sich auf Wirtschaftsgüter beziehen müssen, für die aufgrund einer Besteuerung gem. § 4 Abs. 1 S. 3 EStG ein Ausgleichsposten gem. § 4g EStG gebildet wurde. Diese Verbindung soll durch die Formulierung eines Ereignisses "im Sinne des" § 36 Abs. 5 S. 4 EStG gesichert sein. Dies entspricht auch der Intention des Gesetzgebers.[3]

 

Rz. 39

§ 36 Abs. 5 S. 4 EStG nennt insgesamt fünf Tatbestände, die zu einer entsprechenden Auflösung eines Ausgleichspostens führen können. Eine Auflösung erfolgt demnach, sofern das nämliche Wirtschaftsgut veräußert, entnommen, in einen Drittstaat verlagert oder in eine Kapitalgesellschaft eingelegt wird, das Wirtschaftsgut also aus dem Betrieb des Stpfl. oder der Besteuerungshoheit der EU (inkl. EWR) ausscheidet. Obgleich eine dezidierte Gesetzesbegründung nicht vorhanden ist,[4] dürfte die Intention unzweifelhaft sein, dass bei einer tatsächlichen Hebung der stillen Reserven oder dem Ausscheiden aus dem EU/EWR-Raum keine Notwendigkeit einer Steuerstundung mehr bestehen soll. Relevanz dürfte der Regelung insbesondere im Zusammenhang mit der Überführung von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens zukommen. Da diese i. d. R. eine Verweildauer von weniger als fünf Jahren im Unternehmen haben dürften, sollte der Stundungsmöglichkeit gem. § 4g EStG insoweit nur eine geringfügige Bedeutung zukommen. Da der Ausgleichsposten bei Veräußerung der Wirtschaftsgüter zwingend erfolgen muss, wäre eine Auflösung i. d. R. bereits kurze Zeit nach der Bildung geboten. Allerdings lassen sich 4/5 der stillen Reserven um den Bilanzstichtag herum in das nächste Wirtschaftsjahr verschieben, sodass sich bei Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens mit erheblichen stillen Reserven ggf. eine entsprechende bilanzpolitische Manövriermasse für den Stpfl. ergibt.

 

Rz. 40

Weiterhin ist der § 4g EStG-Posten aufzulösen, sofern der Betrieb oder ein das Wirtschaftsgut umfassender Teilbetrieb des Stpfl. eingestellt, veräußert oder der Sitz aus der EU heraus in ein Drittland verlegt wird (§ 36 Abs. 5 S. 4 Nr. 2 EStG). Dies erscheint sachgerecht, da auch bei einer direkten Überführung der Wirtschaftsgüter in ...

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