Rz. 5

S. 2 der Vorschrift, der dem Erwerber von Dividendenscheinen oder sonstigen Gewinnansprüchen in den Fällen des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG (§ 20 EStG a. F. Rz. 197ff.) die Erstattung der bei der Ausschüttung einbehaltenen KapESt zuspricht, wurde durch G. v. 13.9.1993[1] in das EStG eingefügt und galt erstmals für Fälle, in denen die Veräußerung, d. h. die Trennung von Stammrecht und Dividendenanspruch, nach dem 31.12.1993 erfolgte. Grund hierfür war die Klarstellung in § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Buchst. a S. 2 EStG, dass die Besteuerung der Einnahmen aus der Veräußerung von Dividendenscheinen oder sonstigen Ansprüchen i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG an die Stelle der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG tritt. Hatte demnach der Stammrechtsinhaber den Veräußerungserlös für die Dividendenscheine oder sonstigen Gewinnansprüche nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zu versteuern, entfiel die Besteuerung der späteren Gewinnausschüttung als Gewinnanteil nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG (§ 20 EStG a. F. Rz. 198).

 

Rz. 6

Die Einnahmen i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG aus der isolierten Veräußerung eines Dividendenscheins unterliegen dem Steuerabzug, wenn die Entgelte aus der Veräußerung nach dem 31.12.2004 zufließen (§ 52 Abs. 53a S. 1 EStG). Die Steuerabzugsverpflichtung wurde durch G. v. 9.12.2004[2] in § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 2 EStG eingefügt. Sind die Erträge vor diesem Zeitpunkt zugeflossen, so ist die Veräußerung des Dividendenscheins nicht steuerabzugspflichtig. Unabhängig davon behält der Steuerabzugsverpflichtete (§ 44 EStG Rz. 19ff.) bei Erfüllung des Dividendenanspruchs KapESt ein, obwohl der Dividendenscheinerwerber nur eine Forderung einzieht. Der Steuerabzugsverpflichtete hat i. d. R. auch gar keine Kenntnis von der isolierten Dividendenscheinveräußerung. Dem Erwerber des Dividendenscheins ist daher nach S. 2 die KapESt zu erstatten.[3]

 

Rz. 6a

Ausweislich der Ausführungen des Gesetzgebers ermöglicht es § 45 S. 2 EStG dem Erwerber eines Dividendenanspruchs, abweichend von der Grundaussage in S. 1, die Erstattung der auf die Dividendenzahlung einbehaltenen KapESt, wenn bereits anlässlich der Veräußerung des Dividendenanspruchs KapESt einbehalten worden ist.[4] Hintergrund ist die Vermeidung einer Doppelbesteuerung.

 

Rz. 6b

§ 45 S. 2 EStG wurde m. W. z. 31.7.2014 dahingehend geändert, dass S. 1 nicht nur nicht für den Erwerber eines Dividendenscheins, sondern nunmehr auch nicht für den Erwerber eines "sonstigen Anspruches" in den Fällen des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Buchst. a S. 2 EStG gilt (Rz. 1c). Nach dem bisherigen Wortlaut war die Anwendung des S. 2 auf verbriefte Dividendenansprüche (Dividendenscheine) beschränkt. Die Änderung der Vorschrift dient daher nach Ansicht des Gesetzgebers der Klarstellung, dass § 45 S. 2 EStG sowohl beim Erwerb von verbrieften als auch bei unverbrieften Dividendenansprüchen anzuwenden ist.[5]

 

Rz. 6c

§ 45 S. 2 EStG wurde mit Anwendungswirkung ab dem Vz 2018 (Rz. 1d) geändert, obwohl die Änderung erst m. W. z. 15.12.2018 in Kraft trat. Die Ergänzung von S. 2 soll Gestaltungen verhindern, bei denen über die Abtrennung von Dividendenscheinen die Beschränkung der Anrechnungsvoraussetzungen nach § 36a EStG umgangen wird.

 
Praxis-Beispiel

Beispielsfall aus der Gesetzesbegründung:[6] Ein Steuerausländer verleiht vor dem Dividendenstichtag eine inländische Aktie an eine inländische Bank (Wert der Aktie Cum Dividende: 100 EUR, Dividende: 10 EUR). Die inländische Bank zahlt vereinbarungsgemäß eine Kompensationszahlung in Höhe von 9,70 EUR an den Ausländer, trennt den Dividendenanspruch ab und veräußert ihn für 9,90 EUR an einen anderen Inländer. Dieser zieht die Dividende ein. Im Anschluss überträgt die inländische Bank die Aktie an den Steuerausländer zurück.

Der Bank verbleibt ein Gewinn von 9,90 – 9,70 = 0,20 EUR. Die Veräußerung des Dividendenscheins ist gem. § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 2 EStG KapESt-pflichtig. Zwar würde der komplette Erlös zunächst als Bemessungsgrundlage der KapESt dienen. Allerdings erhält die Bank wegen des weit geringeren Gewinns von 0,20 EUR fast die komplette KapESt zurück.

Aufgrund der Besteuerung der Veräußerung des Dividendenscheins bei der inländischen Bank wäre für den Erwerber der Anwendungsbereich des § 45 S. 2 EStG nach dessen Wortlaut eröffnet und die Anrechnung oder Erstattung der KapESt nicht ausgeschlossen. Die Effektivbelastung auf die Dividendenzahlung von 10 EUR würde fast komplett durch den Veräußerungspreis von 9,90 EUR gemindert.

Nach dem Wortlaut des Gesetzes vor der Änderung des S. 2 war es nach Ansicht des Gesetzgebers unklar, ob bei der Erstattung der KapESt an den Erwerber des Dividendenscheins die beschr. Anrechnung der KapESt nach § 36a EStG zu berücksichtigen ist.[7] Dagegen sprach die alleinige Anknüpfung an § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG. Nach der Systematik des Gesetzes sind aber die Beteiligungseinnahmen gem. § 20 Abs. 5 EStG dem Anteilseigner zuzurechnen und § 36a EStG macht beim...

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