Rz. 95

Im Steuerabzugsverfahren hat die auszahlende Stelle im Kj. die beim Anleger auftretenden negativen Kapitalerträge einschließlich gezahlter Stückzinsen bis zur Höhe der positiven Kapitalerträge auszugleichen. Unterjährig kann ein Kreditinstitut die Erträge allerdings nur in der Reihenfolge ihres Zuflusses abarbeiten.[1] Würden negative Kapitalerträge nur mit künftigen positiven Kapitalerträgen verrechnet, so wären das KapESt-Aufkommen und das Ausmaß der Verrechnung positiver Kapitalerträge mit negativen Kapitalerträgen von der Zufälligkeit der Reihenfolge von Geschäftsvorfällen abhängig. Wird z. B. zunächst ein positiver Ertrag erzielt, auf den Abgeltungsteuer einbehalten wird, und entsteht anschließend ein Verlust, wäre dieser in den Verlustverrechnungstopf einzustellen.

Entsteht zunächst ein Verlust und fließt anschließend ein positiver Ertrag zu, könnte sofort eine Verrechnung über den Verlustverrechnungstopf erfolgen, sodass insoweit keine KapESt anfiele. Um dem Erfordernis des Verlustausgleichs über das Kj. hinweg gerecht zu werden, ist ein steuerlicher Ausgleichsmechanismus erforderlich, der die zuvor dargestellten "Zufälligkeiten" bereinigt. Es ist daher möglich, dem Stpfl. anlässlich einer Verlustrealisierung eine Steuergutschrift aus einer nachträglichen Verrechnung des Verlusts mit zuvor bereits abgerechneten und dem Steuerabzug unterworfenen Kapitalerträgen zu erteilen.[2] Wenn Kreditinstitute wie vor Einführung der Abgeltungsteuer zum 1.1.2009 beim Stückzinstopf gem. § 43a Abs. 3 S. 1 EStG a. F. nur Verrechnungen "nach vorne" vornehmen würden, ergäbe sich aus der dargestellten Zufälligkeit der Reihenfolge der Geschäftsvorfälle eine Vielzahl von Veranlagungsfällen. Denn der Stpfl. könnte die Erstattung der zu viel erhobenen KapESt nur durch Beantragung einer Verlustbescheinigung gem. § 43a Abs. 3 S. 4 EStG (Rz. 102ff.) und anschließende Veranlagung gem. § 32d Abs. 4 EStG erlangen; die Zielsetzung der Abgeltungsteuer, möglichst viele Veranlagungen durch das KapESt-Abzugsverfahren zu ersetzen, wäre nicht erreicht.

 

Rz. 96

Die Verlustverrechnung muss nach § 43a Abs. 3 S. 2 EStG unter Berücksichtigung von § 20 Abs. 6 S. 5 EStG erfolgen. Danach sind Verluste aus der Veräußerung von Aktien lediglich mit Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien verrechenbar. Verluste aus der Veräußerung von Teilrechten oder Bezugsrechten auf Aktien sind dagegen uneingeschränkt verrechenbar. Sinn und Zweck der Einschränkung der Verlustverrechnung ist die Verhinderung von spekulationsbedingten, abstrakt drohenden qualifizierten Haushaltsrisiken. Die Verlustverrechnungsbeschränkung entbehrt jeglicher systematischer Rechtfertigung.[3]

Gewinne aus der Veräußerung von Aktien, die nicht durch entsprechende Verluste aus Aktienverkäufen ausgeglichen werden, können mit Verlusten gem. § 20 Abs. 2 i. V. m. § 20 Abs. 4 EStG verrechnet werden. Falls nach Verrechnung eines Gewinns aus Aktienverkäufen mit allgemeinen Verlusten im weiteren Verlauf des Jahrs ein Verlust aus Aktienverkäufen realisiert wird, darf die Verlustverrechnung insoweit im Interesse des Stpfl., um eine zeitnahe Verrechnung der Aktienverluste zu erreichen, wieder "korrigiert" und der Aktienverlust nachträglich mit dem Aktiengewinn verrechnet werden; der allgemeine Verlust, der bereits durch Verrechnung mit den Gewinnen aus Aktienveräußerungen verbraucht wurde, lebt insoweit wieder auf. Er kann jedoch uneingeschränkt gem. § 43a Abs. 3 S. 2 EStG mit Gewinnen verrechnet werden.

 

Rz. 97

Bei Ehegatten/eingetragenen Lebenspartnern ist ab dem Vz 2010 eine übergreifende Verlustverrechnun vorzunehmen, wenn diese einen gemeinsamen Feststellungsantrag gestellt haben.[4]

 

Rz. 98

Stirbt ein Ehegatte, werden die für seine Einzelkonten bzw. -depots und die Verlusttöpfe für die Gemeinschaftskonten bzw. -depots der Ehegatten geschlossen und von der Zahlstelle bescheinigt.[5] Die Verlusttöpfe für den überlebenden Ehegatten werden dagegen fortgeführt.[6]

 

Rz. 99

Der durch das G. v. 19.12.2008[7] in § 43a Abs. 3 S. 2 EStG eingefügte Halbsatz führt eine ehegattenübergreifende Verlustverrechnung ab 2010 ein. Dies ermöglicht die Verrechnung zwischen allen für die Ehegatten geführten Einzel- sowie Gemeinschaftskonten und -depots bei einem Kreditinstitut. Damit wird dem Wunsch des Gesetzgebers Rechnung getragen, Veranlagungen zur ESt möglichst zu vermeiden. Bei unbeschränkt stpfl. und nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten erfolgt für Kapitalerträge, die nach dem 31.12.2009 zufließen (§ 52a Abs. 16 S. 2 EStG), ein gemeinsamer Ausgleich bereits während bzw. am Schluss des Kalenderjahrs. Der gemeinsame Ausgleich setzt nach § 43a Abs. 3 S. 2 Halbs. 2 EStG allerdings die Erteilung eines gemeinsamen Freistellungsauftrags voraus.[8] Mit dieser Neuregelung bezweckt der Gesetzgeber eine Erleichterung bei der Abwicklung des Einbehalts der KapESt.[9]

 

Rz. 99a

Die Bestimmungen zur ehegattenübergreifenden Verlustverrechnung finden ab dem Inkrafttreten des G. v. 15.7.2013[10] (Umsetzung der Entscheidung des...

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