Rz. 374

Der Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts tritt in den praktisch wichtigsten Fällen ein, wenn ein Wirtschaftsgut in das Ausland überführt wird. Dabei kann es sich um eine Überführung vom inländischen Stammhaus in eine ausländische Betriebsstätte (unbeschränkte Steuerpflicht) oder von einer inländischen Betriebsstätte in das ausländische Stammhaus oder eine andere ausländische Betriebsstätte (beschränkte Steuerpflicht) handeln.

 

Rz. 374a

Die Überführung eines Wirtschaftsguts erfolgt regelmäßig in eine im Ausland belegene Betriebsstätte. Das Gesetz sagt das zwar nicht ausdrücklich, doch sind kaum andere Fälle denkbar. Wenn im Ausland noch keine Betriebsstätte besteht, wird durch die Überführung des Wirtschaftsguts, das ja Betriebsvermögen ist, regelmäßig eine Betriebsstätte begründet, sodass dieses Wirtschaftsgut dann zu einer "festen Geschäftseinrichtung" gehört. Im Folgenden wird daher für diese Fälle (vereinfachend) von der "Überführung in eine Betriebsstätte" gesprochen.

 

Rz. 375

Es ist bezweifelt worden, ob die Überführung eines Wirtschaftsguts in das Ausland überhaupt zu einem Ausschluss oder einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts führen kann.[1] Nach dieser Ansicht behält die Bundesrepublik das Besteuerungsrecht hinsichtlich der in dem überführten Wirtschaftsgut ruhenden stillen Reserven und kann es bei einer späteren Veräußerung des Wirtschaftsguts geltend machen. Der BFH[2] hat sich dieser Ansicht für die Rechtslage vor Inkrafttreten des § 4 Abs. 1 S. 3 EStG angeschlossen und die "finale Entnahmetheorie" daher aufgegeben.[3] Die Verwaltung[4] will das Urteil jedoch nicht anwenden.

 

Rz. 375a

Aus der für die Zeit vor Inkrafttreten des § 4 Abs. 1 S. 3 EStG ergangenen Rechtsprechung[5] wird überwiegend geschlossen, dass der Entstrickungstatbestand des § 4 Abs. 1 S. 3 EStG ins Leere geht.[6] Der BFH selbst hat diese Ansicht nicht definitiv vertreten, sondern stellt ausdrücklich auf die "maßgebliche Rechtslage vor Inkrafttreten des § 4 Abs. 1 S. 3 EStG" ab. Allerdings äußert der BFH die Ansicht, bei Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte bleibe das deutsche Besteuerungsrecht für die bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen stillen Reserven erhalten, so definitiv, dass kaum zu sehen ist, wie er bezüglich § 4 Abs. 1 S. 3 EStG zu einer anderen Auslegung kommen sollte. Denkbar wäre allenfalls, aufgrund der Gesetzesmaterialien und daran anknüpfend einer teleologischen Auslegung zu dem Ergebnis zu kommen, dass der Gesetzgeber wegen einer abstrakten Gefährdung und Erschwerung der Durchsetzung des deutschen Besteuerungsrechts in den Fällen der Überführung des Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte zu einer Besteuerung kommen wollte. Allerdings gibt der Gesetzestext selbst kaum Anhaltspunkte für eine solche Auslegung, weshalb sich der BFH von der Theorie der finalen Entnahme abgewandt hat.

 

Rz. 375b

Die Entscheidung des BFH[7] ist zu einem DBA-Fall ergangen. Jedoch wäre danach auch in einem Nicht-DBA-Fall § 4 Abs. 1 S. 3 EStG nicht anwendbar. Die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts läge dann in der Anrechnung der ausl. Steuer. Wenn aber die Bundesrepublik das Besteuerungsrecht für die bis zum Zeitpunkt der Überführung des Wirtschaftsguts entstandenen stillen Reserven hätte, lägen nach § 34d Nr. 2 Buchst. a EStG keine ausl., sondern inländische Einkünfte vor. Für diese käme eine Anrechnung ausl. Steuern nach § 34c Abs. 1 EStG nicht in Betracht. Der Abzug von der Bemessungsgrundlage nach § 34c Abs. 3 EStG ist aber keine "Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts" (Rz. 381).

 

Rz. 375c

M. E. ist das Urteil des BFH[8] nicht überzeugend. Dabei soll nicht weiter vertieft werden, ob eine Gewinnrealisierung in dem entschiedenen Fall nicht bereits deshalb eingetreten war, weil das Wirtschaftsgut auf eine ausl. Personengesellschaft, und damit einen selbstständigen Rechtsträger, übertragen worden war; diese würde das hier interessierende Problem der Überführung auf eine Betriebsstätte nicht berühren. Zu kritisieren ist aber, dass der BFH in seiner Entscheidung ausschließlich deutsche Autoren für seine geäußerte Ansicht, die Bundesrepublik würde bei Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausl. Betriebsstätte das Besteuerungsrecht nicht verlieren, herangezogen hat. Diese Frage kann nicht aus deutscher Sicht beantwortet werden, da der ausländische Staat eine gegenteilige Auffassung vertreten kann. Im entschiedenen Fall hätte der BFH zumindest auch die österreichische Sicht heranziehen und prüfen müssen, ob Deutschland auch aus österreichischer Sicht das Besteuerungsrecht für die bis zum Zeitpunkt der Überführung begründeten stillen Reserven behält.

 

Rz. 375d

M. E. muss bezweifelt werden, ob es einen international anerkannten Grundsatz gibt, dass der überführende Staat das Besteuerungsrecht für diese stillen Reserven behält. So geht schon das innerstaatliche Recht nicht von diesem Grundsatz aus. Vielmehr wird die Realisierung stiller Rese...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge