6.3.2.1 Inhalt der Vorschrift

 

Rz. 363

Nach § 4 Abs. 1 S. 3 EStG gilt es als (fiktive) Entnahme zum gemeinen Wert, wenn das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik hinsichtlich der Veräußerung eines Wirtschaftsguts ausgeschlossen oder beschränkt wird. Wird das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Nutzungen des Wirtschaftsguts ausgeschlossen oder beschränkt, gilt dies als Nutzungsentnahme, bewertet ebenfalls zum gemeinen Wert.

 

Rz. 363a

In systematischer Hinsicht ist die Vorschrift eine Gewinnrealisierungsvorschrift; durch sie wird ein Gewinn realisiert, ohne dass ein Tatbestand vorliegt, der nach dem Realisationsprinzip zu einer Gewinnverwirklichung führen würde. Es handelt sich nicht um eine bloße Gewinnabgrenzungsvorschrift[1]; dies würde voraussetzen, dass der Gewinn auch ohne § 4 Abs. 1 S. 3 EStG realisiert wäre, was nicht der Fall ist.

 

Rz. 364

Die Gesetzesbegründung[2] sieht diese Regelung als Klarstellung zur ohnehin bestehenden Rechtslage an. Das ist m. E. unrichtig, da ein gesetzlicher Gewinnrealisierungstatbestand bisher nicht existierte.[3] Ein solcher konnte auch nicht mittelbar § 6 Abs. 1 S. 1 EStG entnommen werden, wonach die Überführung eines Wirtschaftsguts von einem Betriebsvermögen des Stpfl. in ein anderes Betriebsvermögen desselben Stpfl. (nur) dann zum Buchwert erfolgen konnte, wenn die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Diese Regelung war auf die Überführung eines Wirtschaftsguts von einer inländischen Betriebsstätte in eine ausl. Betriebsstätte desselben Stpfl. nicht anwendbar, weil es sich um ein einheitliches "Betriebsvermögen" handelt; das Gesetz hätte, sollten diese Fälle erfasst werden, formulieren müssen, dass die Überführung in eine "Betriebsstätte" (statt: "Betriebsvermögen") erfasst wird (Rz. 354). Eine Ausdehnung, und nicht nur eine Klarstellung, ist auf jeden Fall die Erfassung der "Nutzung" eines Wirtschaftsguts (Rz. 388).

 

Rz. 364a

In § 4 Abs. 1 S. 3 und 4 EStG wurde in erstinstanzlicher Entscheidung ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit gem. Art. 49 AEUV gesehen und die Entscheidung über die Vereinbarkeit mit dem EU Recht dem EuGH vorgelegt.[4] Dieser hat daraufhin zugunsten der Regelung entschieden und die fiktive Entnahme bei Steuerentstrickung mit Bildung und linearer Auflösung eines Ausgleichspostens für EU-rechtskonform erklärt.[5]

[1] So aber Kramer, DB 2007, 2338, 2339; hierzu auch Wassermeyer, DB 2008, 430.
[2] BT-Drs. 16/2710, 28.
[3] Ebenso Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481, 1483.

6.3.2.2 Persönlicher und sachlicher Regelungsbereich

 

Rz. 365

In persönlicher Hinsicht erfasst werden alle ESt-Subjekte. Ist der Stpfl. an einer Personengesellschaft beteiligt und verbringt diese Personengesellschaft ein Wirtschaftsgut in das Ausland, ist dieser Vorgang (anteilig) den Gesellschaftern zuzurechnen, da die Personengesellschaft im internationalen Steuerrecht als "transparent" behandelt wird. Sind an der Personengesellschaft sowohl Körperschaften als auch natürliche Personen beteiligt, ist bei jedem Wirtschaftsgut die Verbringung in das Ausland in Höhe der Beteiligungen der Körperschaften nach § 12 Abs. 1 KStG (fiktive Veräußerung), in Höhe der Beteiligungen der natürlichen Personen nach § 4 Abs. 1 S. 3 EStG (fiktive Entnahmen) zu behandeln.

 

Rz. 365a

Bei der ausl. Betriebsstätte gilt das Wirtschaftsgut aus deutscher Sicht in Höhe der Beteiligung der Körperschaften als fiktiv erworben, in Höhe der Beteiligungen der natürlichen Personen als fiktiv eingelegt. Da sowohl die fiktive Veräußerung/Anschaffung als auch die fiktive Entnahme/Einlage (aus deutscher Sicht) zum gemeinen Wert zu erfolgen haben, ergeben sich durch die unterschiedlichen Rechtsgrundlagen keine Wertabweichungen.

 

Rz. 365b

Der Stpfl. muss Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbstständiger Tätigkeit erzielen; § 4 Abs. 1 S. 3 EStG ist nur im Rahmen dieser Einkunftsarten anwendbar.

 

Rz. 366

In sachlicher Hinsicht werden Vorgänge erfasst, bei denen das deutsche Besteuerungsrecht bei Veräußerung oder Nutzungsüberlassung des Wirtschaftsguts ausgeschlossen wird. Daraus folgt, dass der Tatbestand nicht an eine Veräußerung (oder einen sonstigen gewinnrealisierenden Vorgang) oder eine Nutzungsüberlassung anknüpft. In diesem Fall wird der Gewinn nämlich realisiert und könnte im Inland besteuert werden.

 

Rz. 366a

"Übertragungen", bei denen der Rechtsträger wechselt (Veräußerung, Einlage, Umwandlungsfälle), werden von der Vorschrift nicht erfasst.[1] Unter die Vorschrift fallen daher nur Vorgänge, in denen der Rechtsträger nicht wechselt und bei denen daher keine Veräußerung oder offene oder verdeckte Einlage in eine Körperschaft vorliegt bzw. in denen das Wirtschaftsgut nicht einem Dritten zur Nutzung überlassen wird. Es muss daher die "Überführung" eines Wirtschaftsguts vorliegen, die dazu führt, dass die Gewinne aus einer spätere...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge