Rz. 6

§ 36a EStG ist nach § 52 Abs. 35c S. 1 EStG aber bereits erstmals auf Kapitalerträge anzuwenden, die ab dem 1.1.2016 zufließen, und ist daher rückwirkend auf in diesem Zeitraum zugeflossenen Kapitalerträge anzuwenden. In der Praxis ist die Rückwirkung des § 36a EStG zum 1.1.2016 im Hinblick auf dessen Auswirkungen auf die Dividendenbesteuerung jedoch kritisch zu sehen, da die sog. "Dividendensaison", die regelmäßig im April/Mai eines jeden Jahres stattfindet, bei Inkrafttreten des § 36a EStG Ende Juli 2016 bereits abgelaufen ist.[1]

 

Rz. 7

Es liegt zunächst keine echte Rückwirkung vor, da diese im Steuerrecht nach der Rspr. des BVerfG nur dann vorliegt, wenn der Gesetzgeber eine bereits entstandene Steuerschuld nachträglich abändert.[2] Da nach § 38 AO i. V. m. § 36 Abs. 1 EStG die ESt mit dem Ablauf des Vz entsteht, kann keine echte Rückwirkung vorliegen, da die Steuerschuld für den Vz 2016 im Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 36a EStG (27.7.2016) noch nicht entstanden ist. Nach Ansicht des Gesetzgebers liegt lediglich eine verfassungsrechtlich unbeachtliche unechte Rückwirkung vor.[3] Eine unechte Rückwirkung liegt dagegen nach der Rspr. des BVerfG immer dann vor, soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden ("tatbestandliche Rückanknüpfung").[4]Grenzen einer grundsätzlich zulässigen unechten Rückwirkung können sich nach der Rspr. nur aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ergeben.[5] Diese Grenzen sind nach Ansicht des BVerfG erst dann überschritten, wenn die unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen.[6]

 

Rz. 8

Verfassungsrechtlich ist die unechte Rückwirkung des § 36a EStG dagegen trotz der berechtigten Kritik für die steuerliche Praxis wohl zulässig, da das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber im Hinblick auf Rückwirkungen innerhalb eines laufenden Veranlagungszeitraumes einen weitgehenden Spielraum zugebilligt hat.[7] Zudem ist zu berücksichtigen, dass gewichtige Gründe nach der Rspr. des BVerfG selbst unechte Rückwirkungen, die sich auf Veranlagungszeiträume davor auswirken, rechtfertigen können.

[1] Ähnlich Kempf/Hirtz, DStR 2016, 1, 8; krit. auch Gosch, in Kirchhof, EStG, 2017, § 36a EStG, Rz. 4; Ettlich, in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 36a EStG, Rz. 23.
[3] BT-Drs. 17/8045, 140.

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