6.1.1 Allgemeines

 

Rz. 318

§ 20 Abs. 4a S. 1 EStG enthält eine Sonderregel für Fälle, in denen es zum Tausch von Anteilen an einer Körperschaft, Vermögensmasse oder Personenvereinigung gegen Anteile an einer anderen Körperschaft, Vermögensmasse oder Personenvereinigung kommt. Hintergrund eines Anteilstauschs können die unterschiedlichsten gesellschafts- und wertpapierrechtlichen Vorgänge sein. Zu denken ist insbesondere an Verschmelzungen und Aufspaltungen. Der Tausch von Anteilen an einer Körperschaft, Vermögensmasse oder Personenvereinigung gegen Anteile an einer anderen Körperschaft, Vermögensmasse oder Personenvereinigung führt seit der Einführung der Abgeltungsteuer im Grundsatz zu Einkünften aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG, sofern die betroffenen Anteile im Privatvermögen gehalten werden und keine Einkünfte i. S. d. § 17 EStG vorliegen. Unter bestimmten Voraussetzungen besteht aber die Möglichkeit, einen Anteilstausch steuerneutral zu behandeln. Zu denken ist insbesondere an die Fälle der §§ 13, 15 und 21 UmwStG. Kommt es zum Tausch von Anteilen an einer Körperschaft, Vermögensmasse oder Personenvereinigung gegen Anteile an einer anderen Körperschaft, Vermögensmasse oder Personenvereinigung, können die Kreditinstitute ohne erheblichen Aufwand häufig nicht erkennen, ob es sich um einen stpfl. Vorgang handelt, oder ob die Maßnahme keine Steuerpflicht auslöst. Weiterhin fehlt es bei einem Anteilstausch an der Zahlung eines Geldbetrags. Stattdessen werden Kapitalanteile geliefert. Die Kreditinstitute sind daher gezwungen, die gelieferten Anteile zu bewerten, auf dieser Grundlage die KapESt zu ermitteln und diese beim Stpfl. anzufordern. § 20 Abs. 4a S. 1 EStG soll diese Schwierigkeiten vermeiden, indem er unter bestimmten Voraussetzungen die steuerneutrale Abwicklung eines Anteilstauschs anordnet.[1] Eine Besteuerung erfolgt erst, wenn der Stpfl. die erhaltenen Anteile zu einem späteren Zeitpunkt weiterveräußert. Bis zu diesem Zeitpunkt bleiben die in den Anteilen enthaltenen stillen Reserven steuerverstrickt.

[1] BR-Drs. 545/08, 72f.; BT-Drs. 16/11108, 16.

6.1.2 Durchführung eines Anteilstauschs

 

Rz. 319

Eine steuerneutrale Behandlung eines Anteilstauschs nach § 20 Abs. 4a S. 1 EStG ist nur möglich, wenn die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind. Insofern ist zunächst erforderlich, dass der Stpfl. Anteile an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse gegen Anteile an einer anderen Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse tauscht. § 20 Abs. 4a S. 1 EStG erfasst sowohl Anteile an inländischen als auch Anteile an ausl. Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen.[1] Die zunächst vorgesehene Beschränkung auf ausl. Anteile wurde im Rahmen des JStG 2010[2] aufgegeben. Eine Definition des Begriffs des Anteils enthält die Vorschrift nicht, was zu erheblichen Unsicherheiten führt. Insbesondere stellt sich die Frage, ob auch der Tausch von Anteilen an Personengesellschaften erfasst ist. Vom Wortlaut des § 20 Abs. 4a S. 1 EStG wäre eine solche Auslegung gedeckt, da auch Personengesellschaften zu den Personenvereinigungen zählen. Gegen ein solches Verständnis spricht jedoch der Sinn und Zweck der Vorschrift, die den KapESt-Einbehalt für die Kreditinstitute vereinfachen und Veranlagungsfälle vermeiden soll.[3] Danach kann der Tausch von Anteilen an einer Personengesellschaft nicht von § 20 Abs. 4a S. 1 EStG erfasst sein, da ein solcher nicht zu Einkünften aus Kapitalvermögen führt und damit auch keinen Einbehalt von KapESt auslöst. Im Ergebnis unterfällt der Vorschrift daher nur der Tausch solcher Anteile, deren Veräußerung eine Steuerpflicht nach § 20 Abs. 2 EStG begründen würde, wofür letztlich auch die Bezugnahme des § 20 Abs. 4a S. 1 EStG auf § 20 Abs. 2 EStG spricht.[4] Erfasst ist damit auch der Tausch von eigenkapitalähnlichen Genussrechten, ähnlichen Beteiligungen und Anwartschaften i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 2 EStG. Auch beim Tausch dieser Anlageformen stellen sich die beschriebenen Probleme beim KapESt-Einbehalt.[5]

 

Rz. 320

Der Begriff des Tauschs wird in § 20 Abs. 4a S. 1 EStG ebenfalls nicht definiert, obwohl es sich auch hierbei um ein zentrales Merkmal der Vorschrift handelt. Ein Tausch ist nach allgemeinem Verständnis ein Unterfall der Veräußerung, bei dem die Gegenleistung nicht in einer Geldzahlung, sondern in der Lieferung eines Wirtschaftsguts besteht.[6] Als Unterfall der Veräußerung setzt der Tausch damit insbesondere die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an dem hingegebenen Wirtschaftsgut voraus.[7] Ein solch enges Verständnis des Tauschs wird dem Sinn und Zweck des § 20 Abs. 4a S. 1 EStG jedoch nicht gerecht. Würde man für einen Tausch eine Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums fordern, wären insbesondere die Verschmelzung und die Aufspaltung von Kapitalgesellschaften nicht erfasst, da in diesen Fällen die Anteile an der bisherigen Kapitalgesellschaft untergehen und gerade nicht übertragen werden. Dies widerspräche aber dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, der neben der...

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