Rz. 186a

§ 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 7 EStG bestimmt, dass, falls der Stpfl. Ansprüche aus einem von einer anderen Person abgeschlossenen Versicherungsvertrag entgeltlich erworben hat, zu den Einkünften aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG auch der Unterschiedsbetrag zwischen der Versicherungsleistung bei Eintritt des versicherten Risikos und den Aufwendungen für den Erwerb und Erhalt des Versicherungsanspruchs gehört. Die hälftige Steuerbefreiung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EStG findet in diesem Zusammenhang keine Anwendung. § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 7 EStG wurde zusammen mit § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 8 EStG durch das Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (KroatienAnpG) v. 25.6.2014[1] eingeführt. Der zeitliche Anwendungsbereich von § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 7 EStG ergibt sich aus § 52 Abs. 28 S. 10 EStG. Danach ist die Regelung erstmals auf Versicherungsleistungen anzuwenden, die aufgrund eines nach dem 31.12.2014 eingetretenen Versicherungsfalls ausgezahlt werden.

 

Rz. 186b

Die von § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 1 EStG erfassten Versicherungen dienen der Absicherung des wirtschaftlichen Risikos, das aus der Unsicherheit und Unberechenbarkeit des menschlichen Lebens für den menschlichen Lebensplan erwächst. Typischerweise abgedeckte Gefahren sind der Tod (Todesfallrisiko) oder die ungewisse Erlebensdauer (Erlebensrisiko). Gegenstand können aber auch weitere Risiken wie die Pflegebedürftigkeit oder die Berufsunfähigkeit sein.[2] Neben einer Risikoabsicherung dient eine Versicherung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 1 EStG regelmäßig auch der langfristigen Kapitalbildung, sofern keine reine Risikoversicherung abgeschlossen wird. In diesem Fall kommt der Versicherung eine doppelte Funktion zu. Für den Eintritt des Versicherungsfalls bietet sie eine wirtschaftliche Absicherung. Im Übrigen steht der Zweck des privaten Vermögensaufbaus im Vordergrund.[3] Der Besteuerung im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 1 EStG unterliegt allein der Unterschiedsbetrag zwischen der Versicherungsleistung und der Summe der auf sie entrichteten Beiträge im Erlebensfall oder bei Rückkauf des Vertrags, soweit nicht eine lebenslange Rentenleistung gewählt und erbracht wird, vorausgesetzt, der Vertrag wurde nach dem 31.12.2004 abgeschlossen. Wird die Versicherungsleistung nach Vollendung des 60. Lebensjahres des Stpfl. und nach Ablauf von 12 Jahren seit Vertragsschluss ausgezahlt, ist nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EStG lediglich die Hälfte des Unterschiedsbetrags anzusetzen. Die Auszahlung der Versicherungsleistung bei Eintritt des mit der Versicherung untrennbar verbundenen Hauptrisikos unterliegt dagegen nicht der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 1 EStG.

 

Rz. 186c

Durch die Veräußerung eines Versicherungsanspruchs i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 1 EStG verliert die Versicherung nach Ansicht des Gesetzgebers den vorstehend beschriebenen Zweck der Risikovorsorge. Denn für den Erwerber einer Versicherung ist die Absicherung des versicherten Risikos ohne Bedeutung. Bei wirtschaftlicher Betrachtung erhält der Erwerber eine Forderung auf Auszahlung der Versicherungssumme mit einem unbestimmten Fälligkeitszeitpunkt. Diese Erwägungen sind auch Grundlage von Anlagemodellen, die auf dem Versicherungsmarkt vertrieben werden. Die Produkte verfolgen den Zweck, durch den gezielten Ankauf gebrauchter Versicherungen vorab kalkulierte Erträge in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen der Versicherungssumme im Fall des Todes der versicherten Person und der Aufwendungen für die Anschaffung und den Erhalt des Versicherungsanspruchs zu erzielen. Dazu wird unter Verwendung medizinischer Gutachten die Sterbewahrscheinlichkeit der versicherten Person ermittelt, um über statistische Modelle die erwartete Rendite kalkulieren zu können. Zur Reduzierung des Schwankungsrisikos, dass einzelne Personen länger leben als prognostiziert, wird eine hinreichend große Anzahl von Versicherungsverträgen zu einem Pool zusammengefasst. Mit dem Tod der versicherten Person erzielt der Erwerber einen Gewinn, der umso höher ist, je früher der Todesfall tatsächlich eintritt. Solche Gewinne sollen nach dem Willen des Gesetzgebers nicht steuerfrei vereinnahmt werden können, weshalb er sie im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 7 EStG der Besteuerung unterwirft.[4] Auf die Art des versicherten Risikos kommt es hierbei nicht an, weshalb die Regelung neben Lebensversicherungen auch andere Risikoversicherungen erfasst.[5] Die hälftige Steuerbefreiung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 2 EStG findet in den Fällen des § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 7 EStG keine Anwendung.

[1] BGBl I 2014, 1266.
[3] Gebert/Schnepp, in Veith/Gräfe, Versicherungsprozess, 2010, § 10 Rz. 5.
[4] BT-Drs. 18/1529, 52f.
[5] Ratschow, in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 20 EStG Rz. 281a.

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