9.1.1 Allgemeines, persönlicher Anwendungsbereich

 

Rz. 238

Durch den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG sollte über die Tarifvergünstigung des § 34 EStG hinaus insbesondere für kleinere und mittelständische Unternehmen in bestimmten Grenzen eine Steuererleichterung geschaffen werden (Rz. 3, 6)[1].

Die Vorschrift ist mit Wirkung ab 1996 grundlegend umgestaltet worden (zur früheren Rechtsentwicklung Rz. 8). Der allgemeine Freibetrag ist entfallen, die Freibetragsregelung dient nur noch der Alterssicherung[2].Seit dem Vz 2004 gilt ein Freibetrag von 45.000 EUR bei einer Freibetragsgrenze von 136.000 EUR[3].

§ 16 Abs. 4 EStG ist keine Tarifvorschrift, sondern beinhaltete in seiner früheren Fassung eine sachliche Steuerbefreiung[4]. Ob dies auch für die Zeit nach der Umgestaltung gilt, ist sehr zweifelhaft[5] und ergibt sich jedenfalls nicht mehr aus dem heutigen Gesetzeszweck der Alterssicherung. Auch die Beschränkung auf eine einmalige Inanspruchnahme sowie die Bindung an personelle Voraussetzungen sprechen eher für eine Steuerbefreiung aus pauschal unterstellten subjektiven Gründen.

 

Rz. 239

Damit wird auch fraglich, ob die aus dem Charakter der sachlichen Steuerbefreiung abgeleitete Folgerung noch zutrifft, dass ein Verlust aus dem Bereich der laufenden Einkünfte des Stpfl. aus Gewerbebetrieb oder aus anderen Einkunftsarten nicht mit dem steuerfreien Teil des Veräußerungs- oder Aufgabegewinns nach § 16 EStG zu saldieren ist, der steuerfreie Teil des Veräußerungs- oder Aufgabegewinns also am Verlustausgleich nicht teilnimmt[6].

240 frei

 

Rz. 241

Beschränkt Stpfl. ist der auf Alter und Berufsunfähigkeit beschränkte Freibetrag gem. § 50 Abs. 1 S. 3 EStG nicht zu gewähren (§ 50 Abs. 1 S. 3 EStG)[7]. Durch die Veränderung zu einer eher subjektiven Steuerbefreiung dürfte diese nunmehr personenbezogene Regelung mit EU-Recht vereinbar sein[8].

Rz. 242-252: einstweilen frei

[1] Gesetzesmotive, Strutz, EStG v. 10.8.1925, Bd. 2 § 30 EStG Anm. 3; offengelassen in BFH v. 28.7.1961, VI 25/61 U, BStBl III 1961, 436.
[2] BT-Drs. 13/1686, 36.
[3] Gesetz v. 29.12.2003, BGBl I 2003, 3076; BVerfG v. 8.12.2009, 2 BvR 758/07, BGBl I 2010, 68, BVerfGE 125, 104, bestätigend neu gefasst durch G v. 5.4.2011, BStBl I 2011, 310.
[4] BFH v. 16.12.1975, VIII R 147/71, BStBl II 1976, 360 unter Aufgabe der früheren Rspr.
[8] Gosch, in Kirchhof, EStG, 2013, § 50 EStG Rz. 6.

9.1.2 Freibetragsregelung

 

Rz. 253

Mit Wirkung für Veräußerungen nach dem 31.12.1995 (§ 52 Abs. 19a S. 2 EStG a. F., jetzt: § 52 Abs. 34 S. 5 EStG) ist die Freibetragsregelung neu geregelt worden.[1] Seither bezweckt die Vorschrift ausschließlich eine steuerliche Begünstigung wegen Alters und Berufsunfähigkeit. Der Freibetrag wegen Alters oder Berufsunfähigkeit kann für jeden Fall einer Betriebsveräußerung oder -aufgabe ungeschmälert in Anspruch genommen werden, jedoch von jedem Stpfl. nur einmal im Leben (Lebensfreibetrag).[2] Dies bedeutet nach h. L., dass der Stpfl. den Freibetrag für einen Veräußerungs- oder Aufgabevorgang in Anspruch nehmen kann[3], dann aber in voller Höhe (Rz. 258), somit auch bei Teilbetrieben oder Mitunternehmeranteilsveräußerungen. Ein nicht verbrauchter Teil des Freibetrags verfällt. Hat der Stpfl. mehrere Objekte i. S. v. § 16 EStG, so steht ihm ein Wahlrecht (Antragsrecht) zu (Rz. 257).

Ist ein Aufgabegewinn auf zwei Vz zu verteilen (Rz. 69), so muss der Freibetrag zwar ebenfalls einheitlich ermittelt, aber sodann in gleicher Weise anteilig auf die Vz verteilt werden (Rz. 233b).

 

Rz. 254

Der Freibetrag kann in Anspruch genommen werden, wenn der Stpfl. das 55. Lebensjahr vollendet hat. Maßgebender Zeitpunkt ist die Entstehung des Veräußerungs- oder Aufgabegewinns. Bei einer Veräußerung kommt es hier auf die Vollendung der Veräußerung an, also auf das dingliche Erfüllungsgeschäft, ggf. auf den (früheren) Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf den Erwerber. Bei der Betriebsaufgabe entsteht der Aufgabegewinn zwar sukzessive mit der Verwertung des Betriebsvermögens (Rz. 211). Gleichwohl genügt es, wenn der Stpfl. im Zeitpunkt der Beendigung der Betriebsaufgabe das 55. Lebensjahr vollendet hat[4]. Eine Vollendung nach Veräußerung oder Aufgabe reicht auch dann nicht, wenn die Vollendung noch im Vz der Veräußerung bzw. Aufgabe eintritt[5].

 

Rz. 255

Alternativ kann der Freibetrag gewährt werden, wenn der Stpfl. im sozialversicherungsrechtlichen Sinn dauernd berufsunfähig ist. Die Berufsunfähigkeit muss – entgegen der früheren Regelung – nicht kausal für die Betriebsveräußerung oder -aufgabe sein (R 16 Abs. 14 S. 3 EStR 2012)[6]. Deshalb genügt es auch in diesem Fall, wenn die Berufsunfähigkeit im maßgebenden Zeitpunkt (Entstehung des Veräußerungs- oder Aufgabegewinns) vorliegt. Ein Veranlassungszusammenhang mit der Betriebsveräußerung oder -aufgabe ist nicht erforderlich.

Das Vorliegen einer Berufsunfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit ist gleichgestellt, R 16 Abs. 14 EStR 2012) richte...

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