Rz. 140

Das alte Anrechnungsverfahren beschränkte die Anrechnung der KSt auf inländische anrechnungsberechtigte Stpfl., war darum diskriminierend und verstieß gegen die Freiheit des Kapitalverkehrs des europäischen Unionsrechts.[1] Das neue Körperschaftsteuersystem mit Halb- bzw. nunmehr Teileinkünfteverfahren stimmt grundsätzlich mit den Grundfreiheiten des AEUV, insbesondere der Kapitalverkehrsfreiheit überein.[2] Für inländische Körperschaften als Anteilseigner werden Dividendeneinkünfte und Veräußerungsgewinne aus Anteilen an anderen Körperschaften nach § 8b Abs. 1, 4 unabhängig davon von der Besteuerung freigestellt, ob es sich um eine Investition in eine inländische oder ausländische Körperschaft handelt. Das System bevorzugt also die Investition in inländische Körperschaften nicht. Umgekehrt werden Dividenden, die eine inländische Kapitalgesellschaft an eine ausländische Körperschaft zahlt, mit Ausnahme der Abgeltungsteuer ebenso von der Steuer freigestellt wie Dividenden an einen inländischen Gesellschafter. Inländische und ausländische Gesellschafter werden daher gleichbehandelt.

 

Rz. 141

Ist der Gesellschafter eine natürliche Person, greift das Teileinkünfteverfahren unabhängig davon ein, ob er inländischer oder, im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht, ausländischer Gesellschafter ist. Beide Arten von Gesellschaftern werden daher gleichbehandelt.

Die Dividendeneinkünfte eines inländischen Gesellschafters unterliegen dem Teileinkünfteverfahren unabhängig davon, ob die Dividenden von einer inländischen oder ausländischen Gesellschaft ausgeschüttet werden. Die Investition eines Inländers in eine inländische Körperschaft wird also steuerlich ebenso behandelt wie die in eine ausländische Körperschaft.

 

Rz. 142

Das Unionsrecht enthält punktuell Vorgaben für die nationale Ausgestaltung der KSt, insbesondere sekundärrechtlich durch die Mutter-Tochter-Richtlinie.[3] Vor allem § 8b KStG dient der Umsetzung der Mutter-Tochter-Richtlinie in Deutschland.[4] Die Freistellung nach § 8b KStG kommt den sekundärrechtlichen Anforderungen zur Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung nach, indem die in Art. 4 Mutter-Tochter-Richtlinie eingeräumte Möglichkeit der Freistellungsalternative genutzt wird. Art. 4 Abs. 1 Mutter-Tochter-Richtlinie erfasst Gewinne, die einer Muttergesellschaft (oder ihrer Betriebstätte) "aufgrund ihrer Beteiligung an der Tochtergesellschaft" zufließen, was die "Beteiligungskausalität der Ausschüttung" voraussetzt.[5] Die Mutter-Tochter-Richtlinie erfasst nicht Veräußerungsgewinne aus der Übertragung von Anteilen, sodass § 8b Abs. 2 KStG insoweit über die unionsrechtlichen Vorgaben hinausgeht. Ist das neue System damit im Wesentlichen europarechtskonform, gilt dies nicht unbedingt auch für alle Einzelregelungen.[6] Im Widerspruch zum Unionsrecht steht insbesondere die Regelung zur KapESt auf Gewinnausschüttungen an ausländische Körperschaften.[7] Der Gesetzgeber hat auf die festgestellte Vertragsverletzung – systematisch fragwürdig – mit der Besteuerung von Streubesitzdividenden, § 8b Abs. 4 KStG, reagiert (§ 8b KStG Rz. 455).

[1] EuGH v. 6.3.2007, C-292/04 (Meilicke I), BFH/NV Beilage 2007, 273, ECLI:EU:C:2007:132 im Anschluss an EuGH v. 7.9.2004, C-319/02 (Manninen), BFH/NV Beilage 2005, 1, ECLI:EU:C:2004:484.
[2] Schön, StuW 2000, 151; Spengel/Jaeger/Müller, IStR 2000, 257.
[3] Richtlinie 2011/96/EU des Rates v. 30.11.2011 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, ABl. L 345 v. 29.12.2011, 8.
[4] Van Brocke, in Mössner/Oellerich/Valta, KStG, 5. Aufl. 2021, EU-steuerpolitischer Hintergrund, Rz. 255, 263 ff.
[5] Kofler, Mutter-Tochter-Richtlinie, Wien 2011, Art. 4 Rz. 2 i. V. m. Art. 1 Rz. 22f.
[6] Einzelanalyse bei Hackemann, in Bott/Walter, KStG, UnionsR, Rz. 11ff.

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