Rz. 10

Da die KSt eine Personensteuer ist, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aufgrund persönlicher Leistungsmerkmale erfasst, gilt auch für die Besteuerung der Körperschaft das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.[1] Dieser Befund könnte zweifelhaft sein, wenn man die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in untrennbarem Zusammenhang mit dem subjektiven Nettoprinzip als den Betrag definiert, der der Person für die Bestreitung der Lebensbedürfnisse frei, d. h. über das Existenzminimum hinaus zur Verfügung steht.[2]

Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der natürlichen Person kann durch unvermeidbare Aufwendungen der Lebenshaltung gemindert sein. Der natürlichen Person steht daher nicht die gesamte aus der Teilnahme am Marktgeschehen fließende Vermögensmehrung zur freien Verwendung zur Verfügung. Sie hat notwendige Aufwendungen für die Lebenshaltung, die das frei verfügbare Einkommen mindern. Ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, d. h. der ihr frei zur Verfügung stehende Teil des Einkommens, ist daher definiert als objektive Vermögensmehrung (nach dem objektiven Nettoprinzip) abzüglich der notwendigen Aufwendungen für die Lebenshaltung (Einkommensverwendung – subjektives Nettoprinzip). Dies entspricht der finanzwissenschaftlichen Opfertheorie, wonach die Steuer ein Opfer darstellt, das das Steuersubjekt zulasten seiner Bedürfnisbefriedigung erbringt.[3]

 

Rz. 11

Anders als bei einer natürlichen Person kann es bei der Körperschaft keine steuerlich beachtliche Minderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit geben, die aus der Sphäre der Einkommensverwendung fließt. Die Besteuerung einer Körperschaft ist es nach § 8 Abs. 3 S. 1 KStG ohne Bedeutung, ob das Einkommen verwendet, also an die Anteilseigner verteilt wird. Da eine Körperschaft keine Privatsphäre zukommt (vgl. § 8 KStG Rz. 53) und sie keine notwendigen Lebenshaltungskosten haben kann, gilt für sie das subjektive Nettoprinzip nicht.[4] Die Körperschaft kann keine Bedürfnisbefriedigung "aufopfern".

 

Rz. 12

Anders ist es jedoch, wenn man die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Zusammenhang mit dem objektiven Nettoprinzip als den Betrag definiert, der dem Steuerpflichtigen über die zur Erwerbserzielung erforderlichen Aufwendungen hinaus zur Verfügung steht.[5] Auch die Körperschaft hat, wie die natürliche Person, eine Sphäre der Einkommenserzielung und eine Sphäre der Einkommensverwendung.[6] Bei beiden fließt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aus der Sphäre der Einkommenserzielung, d. h. aus der Teilnahme am Marktgeschehen. Diese Teilnahme ist bei der Körperschaft nicht anders gestaltet als bei der natürlichen Person. Ihr steht das gesamte nach dem objektiven Nettoprinzip ermittelte Einkommen zur freien Verfügung. Der Körperschaft fließt daher, ebenso wie der natürlichen Person, eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aus der (schuldrechtlichen) Teilnahme am wirtschaftlichen Lieferungs- und Leistungsverkehr zu. Auch für die Körperschaft gilt daher das objektive Nettoprinzip, das besagt, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aus dem am Markt erzielten Einnahmen abzüglich der dadurch verursachten Aufwendungen gebildet wird.

Die Körperschaft ist auch hinsichtlich der Einkommensverwendung, abgesehen von der Nichtgeltung des subjektiven Nettoprinzips, mit einer natürlichen Person vergleichbar. Der Körperschaft steht das durch die Teilnahme am Marktgeschehen erzielte und der Besteuerung unterworfene Einkommen zur freien Verfügung. Sie kann dieses Einkommen "verbrauchen", d. h. an die Anteilseigner ausschütten, oder es "sparen", d. h. thesaurieren.

 

Rz. 13

Es ist die Körperschaft, die am Marktgeschehen teilnimmt, nicht der Gesellschafter. Legt man das Äquivalenzprinzip als Rechtfertigung der Besteuerung zugrunde[7], dann ist es die Körperschaft, die bei ihrer Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr die staatliche Infrastruktur in Anspruch nimmt und nur deshalb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnehmen kann, weil sie diese Infrastruktur in Anspruch nehmen kann. Daher kann die hieraus fließende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nur der Körperschaft, nicht dem Gesellschafter, steuerlich zugeordnet werden (vgl. Rz. 15, Rz. 48). Steuerwürdig ist die Körperschaft mit ihrem eigenen Einkommen. Die Körperschaft hat daher eine eigene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, für die das objektive Nettoprinzip gilt.[8] Das BVerfG hat diese Position im Beschluss zu § 8c KStG bestätigt[9]: "Der Gesetzgeber erkennt Körperschaften i. S. von § 1 KStG, insbesondere Kapitalgesellschaften, eine eigenständige und objektive Leistungsfähigkeit zu, die von der individuellen und subjektiven Leistungsfähigkeit der hinter der Kapitalgesellschaft stehenden Personen getrennt ist und unabhängig von dieser besteuert wird. Er misst die Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft nach deren Einkommen (§§ 7f. KStG) und damit nach der Ertragskraft des Unternehmens".[10] Es sieht "in der abgeschirmten Vermögenssphäre eine eigenständige Leistungsfäh...

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