Rz. 77

Finanzverfassungsrechtlich setzt Art. 106 Abs. 3 GG die "KSt" als Steuerart voraus. Die KSt ist wie die übrigen in Art. 105 und Art. 106 GG aufgeführten Steuern und Steuerarten rechtsmethodisch ein Typusbegriff.[1] Das bedeutet, dass die Steuerart an die historische Entwicklung anknüpft, aber im Rahmen der sie prägenden Typusmerkmale entwicklungsoffen ist. Der Steuergesetzgeber hat ohne Änderung der Verfassung zwar kein Steuererfindungsrecht, kann die Steuern aber innerhalb des kompetenzrechtlichen Typusbegriffes fortentwickeln. Das erklärt, warum verschiedene Ausgestaltungen der KSt im Einklang mit den finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben des GG stehen. Innerhalb dieses Rahmens liegt auch die durch § 1a KStG erfolgte Einbeziehung von Personengesellschaften in die Körperschaftsbesteuerung aufgrund einer Option (s. Rz. 96).[2] Der Typusbegriff "KSt" ist auch offen für eine Fortentwicklung zu einer echten Konzernbesteuerung mit Konsolidierung der Einkommen verbundener Unternehmen.[3] M.E. lassen sich die jüngsten europäischen Vorschläge zu einer Gemeinsamen KSt-Bemessungsgrundlage v. 25.10.2016[4] finanzverfassungsrechtlich ohne Verfassungsänderung national umsetzen.

 

Rz. 78

Das deutsche Körperschaftsteuerrecht hat verschiedene Entwicklungsschübe und Systemwechsel hinter sich.[5] Das ab 2002 in Deutschland geltende System ist eine Synthese aus steuerlicher Entlastung auf der Ebene der Körperschaft und steuerlicher Entlastung auf der Ebene des Anteilseigners. Auf der Ebene der Körperschaft erfolgt eine Milderung der Doppelbelastung dadurch, dass der Steuersatz mit 15 % relativ niedrig angesetzt wird. Damit soll berücksichtigt werden, dass eine weitere, wenn auch reduzierte Besteuerung auf der Ebene der Anteilseigner erfolgt.

Bei einer natürlichen Person als Anteilseigner wird die Doppelbesteuerung dadurch gemindert, dass nur die Hälfte der Dividende als Einkünfte zugrunde gelegt wird. Die als richtig angesehene steuerliche Belastung setzt sich zusammen aus der Belastung von 15 % auf der Ebene der Körperschaft und der Belastung mit dem persönlichen Steuersatz auf die Hälfte der Dividende bei dem Anteilseigner (zur Höhe der Belastung vgl. die Berechnungen in Rz. 62).

Bei einer Körperschaft als Anteilseigner unterliegt die Ausschüttung überhaupt nicht der KSt, wohl aber können sich aus der KapESt (vgl. Rz. 103) steuerliche Belastungen ergeben.

 

Rz. 79

Folge dieses Systems ist, dass die volle Belastung nur dann eintritt, wenn das Einkommen tatsächlich ausgeschüttet wird. Thesauriert die Körperschaft den Gewinn, liegt die gesamte steuerliche Belastung (ohne GewSt) nur bei 15 % und damit wesentlich niedriger als die als angemessen angenommene Belastung (vgl. Rz. 72).

[2] Drüen, in Bonner Komm. zum GG, Art. 106 Rz. 116.
[3] Näher Drüen, in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 2. Aufl. 2019, Rz. 4.6.
[4] Krauß, IStR 2017, 479.
[5] Hüttemann, Besteuerung von Unternehmen – Entwicklungen und Ausdifferenzierung, StuW 2014, 58; Reiß, Zurück zu den Wurzeln? – Zur Geschichte der KSt in Deutschland, in Akademie für Steuer- und Wirtschaftsrecht des Steuerberater-Verbandes Köln GmbH, 50 Jahre Steuerreformen in Deutschland, 2003, 65; umfassend Seer, Die Entwicklung der GmbH-Besteuerung, 2005.

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