Rz. 86

Der Gedanke einer Betriebssteuer ist besonders in den ersten Jahren nach der Währungsreform eingehend erörtert worden. Ein im Jahr 1948 eingesetzter "Betriebssteuer-Ausschuss" hat drei Modelle aufgezeigt (vgl. StuW 1949, 929ff.). Ein Modell sah vor, die Doppelbelastung für Körperschaftsgewinne auf alle betrieblichen Gewinne auszudehnen, auch soweit sie von Einzelunternehmen oder Personengesellschaften erwirtschaftet werden. Diese Lösung wurde jedoch wegen der nachteiligen Wirkungen der Doppelbelastung nicht weiter verfolgt. Ein anderer Vorschlag ging dahin, die einheitliche ESt nach Art einer Schedulensteuer aufzuspalten in proportionale Abgaben für einzelne Einkünfte, darunter für betriebliche Gewinne, und in eine ESt für den Teil des Einkommens, der in die Konsumsphäre der natürlichen Personen gelangt. Diese ESt sollte nach einem progressiv gestaffelten Tarif erhoben werden. Nach dem dritten Modell sollten alle betrieblichen Gewinne zunächst einer proportionalen Betriebssteuer unterliegen, die dann auf die zusätzlich vorgesehene progressive ESt angerechnet werden sollte.

 

Rz. 87

Eine Sonderform dieses Modells ist die im Rahmen der Unternehmenssteuerreform 2000 diskutierte Möglichkeit, dass Personengesellschaften und Einzelbetriebe zur Körperschaftsbesteuerung optieren können, die erst durch § 1a KStG i. d. F. des KöMoG ab 2022 (§ 34 Abs. 1a KStG) für bestimmte Personengesellschaften eingeführt wurde (s. Rz. 96). Eine Betriebssteuer in dieser Form hätte den Vorteil, dass sie, anders als alle anderen Modelle, das Postulat der rechtsformneutralen Besteuerung verwirklichen würde.

 

Rz. 88

Gegen die Einführung einer Betriebssteuer bestehen jedoch auch erhebliche Bedenken. Sie würde ein Loslösen vom zivilrechtlichen Ordnungsprinzip voraussetzen und es erfordern, den Betrieb als ein vom Unternehmer unabhängiges Besteuerungsobjekt zu betrachten. Dies käme einer Abkehr vom synthetischen Einkommensbegriff und dem Übergang zur Schedulenbesteuerung gleich.

 

Rz. 89

Systematisch setzt eine Betriebssteuer voraus, dass zwischen dem "Unternehmer" als dem Einkommensteuerpflichtigen und dem "Unternehmen" als der Betriebssteuer unterliegend unterscheiden werden müsste. Es würde zwischen der Besteuerung der Gewinne des "Unternehmens" (letztlich der thesaurierten Gewinne) und denjenigen des "Unternehmers" (der entnommenen Gewinne) unterschieden. Die Betriebssteuer tendiert daher zu einer Ausdehnung und Anwendung körperschaftsteuerlicher Regelungen und des Trennungsprinzips. Systematisch ist aufgrund des gegenwärtigen Einkommensteuersystems eine solche Unterscheidung kaum zu begründen. Die Betriebssteuer würde daher eine grundlegende Änderung der Systematik (etwa in Richtung auf eine Schedulensteuer, mit allen negativen Folgen für den Gleichheitssatz und die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit) wenn nicht erzwingen, dann doch in diese Richtung führen.

 

Rz. 90

Bedenklich wäre weiter, dass der Begriff des "Betriebs" oder "Unternehmens" nicht konkret genug ist, um als Abgrenzungsmerkmal bei der Besteuerung zu dienen. Es wäre schon problematisch, diesen Begriff mit dem der Gewinneinkünfte (Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständige Tätigkeit) oder einzelner Gewinneinkünfte (z. B. nur Gewerbebetrieb) gleichzusetzen. Insbesondere der Begriff des Gewerbebetriebs enthält im Übergang zur Vermögensverwaltung (z. B. gewerblicher Grundstückshandel) Bereiche, die kaum klar genug von der "nicht betrieblichen" Tätigkeit abgegrenzt werden können.

 

Rz. 91

Schwerer ins Gewicht fällt aber, dass die Abgrenzung der Einkünfte nach den Gewinnermittlungsarten kaum einer inneren Logik folgt, sondern nur "technischer" Natur ist. So wäre für den Regelungsgrund einer unterschiedlichen steuerlichen Behandlung kaum einzusehen, wieso bei der Investition eines Gewerbebetriebs (z. B. einer Kapitalgesellschaft) in Grundvermögen die "Betriebssteuer" eingreifen soll, für die Investition eines Privatmanns in entsprechendes Grundvermögen aber nicht. Eine rechtsformabhängige Betriebssteuer setzt klare Abgrenzungen voraus, was ein "Betrieb" oder ein "Unternehmen" ist, und warum eine bestimmte Tätigkeit unter den Unternehmensbegriff fällt, eine andere aber nicht. Solange solche Abgrenzungen nicht vorhanden sind, stellt eine Besteuerung nach der Rechtsform eine rechtspolitisch zwar nicht vollständig befriedigende, systematisch aber doch überzeugendere Lösung dar.[1]

 

Rz. 92

Als Regelungsgrund für eine gesonderte steuerliche Behandlung des "Betriebs" oder "Unternehmens" sind z. B. genannt worden:

  • der Einsatz von Vermögen statt Arbeitskraft: Die Abgrenzung scheitert an gewerblichen (z. B. Makler, Handelsvertreter) und freiberuflichen Tätigkeiten, die nahezu ausschließlich auf der Arbeitskraft beruhen, sowie daran, dass auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und aus Kapitalvermögen überwiegend auf Einsatz von Kapital beruhen;
  • die größere Risikobehaftung des eingesetzten Vermögens. Dieses Abgrenzungskriterium kann nicht erklären, wieso pr...

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