Rz. 68

Bei dem System des gespaltenen Steuersatzes wird die Doppelbesteuerung dadurch gemildert, dass der Steuersatz für das ausgeschüttete Einkommen auf der Ebene der Körperschaft gesenkt wird. Dieses System wurde in der Bundesrepublik bis 1976 angewendet. Der Tarifsteuersatz für die nicht ausgeschütteten Einkommensteile betrug 51 %. Da die thesaurierten Einkommensteile nicht der Besteuerung beim Anteilseigner und damit nicht der Doppelbesteuerung unterlagen, bestand keine Notwendigkeit, insoweit die Besteuerung auf der Ebene der Körperschaft zu mildern. Für die ausgeschütteten Einkommensteile wurde der Steuersatz auf 15 % reduziert, weil diese Einkommensteile auf der Ebene der Anteilseigner einer erneuten Besteuerung mit dem vollen persönlichen Steuersatz unterlagen.

 

Rz. 69

Ein Sonderfall des Systems des gespaltenen Steuersatzes ist das Dividendenabzugsverfahren. Bei diesem Verfahren wird die Doppelbelastung dadurch beseitigt, dass die ausgeschütteten Gewinne bei der Gesellschaft wie Betriebsausgaben abgesetzt werden, steuerlich also vollständig unbelastet bleiben.

 

Rz. 70

Das System des gespaltenen Steuersatzes weist insoweit einen Mangel auf, als die Entlastung von der KSt automatisch sämtlichen Anteilseignern zugutekommt. Es gestattet nicht, diejenigen Anteilseigner von der Entlastung auszuschließen, bei denen die Dividende nur der KapESt, und damit keiner vollen inländischen Besteuerung, unterliegt. Hierdurch werden insbesondere die Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie ausländische Muttergesellschaften begünstigt, die Dividenden von ihrer inländischen Tochtergesellschaft beziehen. Bei ausländischen Muttergesellschaften werden die Dividendenausschüttungen im Ausland häufig nicht besteuert (z. B. Niederlande: Schachtelprivileg), sodass diese Anteilseigner die Dividende mit einer insgesamt niedrigeren Steuerbelastung erhalten als inländische Anteilseigner ("Ausländereffekt"). Dies gilt insbesondere, wenn die Ausschüttung aufgrund eines DBA oder als Ausschüttung an eine EU-Muttergesellschaft[1] nicht mit KapESt belastet ist. Wenn diese Anteilseigner die nur mit KapESt oder im Inland überhaupt nicht belasteten Dividenden wieder zu Erwerbszwecken investieren, z. B. durch Anschaffung von Produktionsmitteln, durch Darlehensgewährung oder durch Erwerb neuer Beteiligungen, erlangen sie erhebliche wirtschaftliche Vorteile gegenüber Anteilseignern, bei denen die Dividende voll besteuert wird. Das System des gespaltenen Steuersatzes fördert mit der höheren Belastung der thesaurierten Gewinne und niedrigeren Belastung der ausgeschütteten Gewinne daher Steuerminderungskonzeptionen wie das Schütt-aus-hol-zurück-Verfahren (vgl. § 8 KStG Rz. 397).

 

Rz. 71

Ein weiterer Nachteil des Systems des gespaltenen Steuersatzes besteht darin, dass die Milderung der Doppelbelastung nur bis zur Höhe des zu versteuernden Einkommens der Gesellschaft möglich ist. Wird der auszuschüttende Gewinn einer Rücklage entnommen und übersteigt er das Jahreseinkommen, so wirkt sich die Entlastung auf den übersteigenden Betrag nicht aus. Das angestrebte Ziel, die Doppelbelastung ausgeschütteter Gewinne voll zu beseitigen, ist daher mit dem Verfahren des gespaltenen Steuersatzes nicht erreichbar.

[1] Vgl. § 43b EStG.

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