Rz. 634

Durch Gesetz v. 9.12.2004[1] ist Abs. 9 angefügt worden. Danach gelten Abs. 7 und 8 nicht für Bezüge, auf welche die EU-Staaten die Mutter-Tochter-Richtlinie[2] anzuwenden haben. Dadurch soll vermieden werden, dass nach Abs. 7, 8 eine Besteuerung eintritt, die europarechtswidrig ist.

Die Regelung gilt grundsätzlich ab Vz 2004. Abs. 9 regelt nur die Unanwendbarkeit des Abs. 8. Die Gewinnausschüttungen unterliegen daher, wenn Abs. 8 nicht anwendbar ist, den allgemeinen Regelungen. Grundsätzlich gelten dann die Steuerfreistellung nach Abs. 1, jedoch unter Berücksichtigung des Korrespondenzprinzips nach Abs. 1 S. 2ff.,[3] und die Hinzurechnung der nicht abzugsfähigen Ausgaben nach Abs. 5. Ausschüttungen auf Streubesitzbeteiligungen sind gem. Abs. 4 nicht steuerfrei. Gegen die Mutter-Tochter-Richtlinie verstößt das nicht, da die Anwendung der Richtlinie, wie § 8b Abs. 4 KStG, eine Beteiligung von mindestens 10 % voraussetzt.

 

Rz. 635

Abs. 9 macht die Erweiterung der Steuerpflicht nach Abs. 7 und Abs. 8, also die Nichtgeltung des Abs. 1, für Gewinnausschüttungen rückgängig, für die die Mutter-Tochter-Richtlinie gilt. Diese Gewinnausschüttungen sind daher auch bei Erfüllung der Tatbestände der Abs. 7, 8 von der Steuer freigestellt.

 

Rz. 636

Abs. 9 bezieht sich nur auf Gewinnausschüttungen, die eine Muttergesellschaft eines EU-Staats von einer in einem anderen EU-Staat ansässigen Tochtergesellschaft erhält. Das bedeutet, dass Abs. 7 und 8 uneingeschränkt Anwendung finden, wenn sowohl die ausschüttende Tochtergesellschaft als auch die Muttergesellschaft in der Bundesrepublik ansässig sind oder wenn eine dieser Gesellschaften in einem Nicht-EU-Staat (Drittstaat) ansässig ist.

 

Rz. 637

Die Mutter-Tochter-Richtlinie bezieht sich stets nur auf Gewinnausschüttungen der Tochtergesellschaft. Entsprechend bestimmt Abs. 9, dass Abs. 7 und 8 nur für "Bezüge" nicht gelten. Damit wird nur die Steuerfreistellung nach Abs. 1 wiederhergestellt, nicht die nach Abs. 2 für Veräußerungsgewinne und gleichgestellte Gewinne. Veräußerungsgewinne bleiben daher bei Vorliegen der Tatbestände des Abs. 7 und 8 steuerpflichtig, auch wenn die Beziehung zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft unter die Mutter-Tochter-Richtlinie fällt. Ebenfalls nicht anwendbar ist die Mutter-Tochter-Richtlinie auf Liquidationsauskehrungen, und zwar unabhängig davon, ob diese als Gewinnausschüttungen oder als Veräußerungsgewinne bzw. gleichgestellte Gewinne zu qualifizieren sind. Nach ihrem Art. 4 Abs. 1 gilt die Mutter-Tochter-Richtlinie generell nicht für Liquidationsauskehrungen der Tochtergesellschaft.

 

Rz. 638

Ab dem Vz 2005 sind Abs. 7 und 8 auf diejenigen Bezüge nicht anzuwenden, auf die die Mutter-Tochter-Richtlinie i. d. F. v. 22.12.2003[4] anzuwenden ist. Dadurch wird die Beteiligungsquote, die von der Muttergesellschaft erreicht werden muss, um sich für die Steuerfreistellung der Gewinnausschüttungen der Tochtergesellschaft zu qualifizieren, gesenkt, und zwar ab Vz 2005 auf 20 %, ab Vz 2007 auf 15 % und ab Vz 2009 auf 10 %.

 

Rz. 639

Zusätzlich gelten Abs. 7 und Abs. 8 nicht für Gewinnausschüttungen einer Tochtergesellschaft in einem anderen EU-Staat an die deutsche Betriebsstätte einer in einem anderen EU-Staat ansässigen Muttergesellschaft. Die Mutter-Tochter-Richtlinie ist insoweit auf Betriebsstätten ausgedehnt worden. Das hat zur Folge, dass diese Gewinnausschüttungen bei der inl. Betriebsstätte nach Abs. 1 steuerfrei gestellt werden müssen, auch wenn der Tatbestand der Abs. 7 und 8 erfüllt ist. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die Tochtergesellschaft in demselben oder in einem anderen Mitgliedsstaat ansässig ist als die Muttergesellschaft; erforderlich ist nur, dass die Betriebsstätte nicht in demselben Mitgliedsstaat wie die Muttergesellschaft und die Tochtergesellschaft belegen ist. Außerdem gilt die Regelung nur, wenn Mutter- und Tochtergesellschaft in einem EU-Staat ansässig sind und die Betriebsstätte in einem EU-Staat belegen ist. Ist nur eine dieser 3 Einheiten in einem Drittstaat ansässig bzw. belegen, greift die Mutter-Tochter-Richtlinie nicht ein, sodass Abs. 7 und 8 uneingeschränkt gelten. Das ist der Fall, wenn

  • eine in einem Drittstaat ansässige Muttergesellschaft eine Betriebsstätte in der Bundesrepublik unterhält und diese Gewinnausschüttungen von einer in einem EU-Staat ansässigen Tochtergesellschaft empfängt;
  • eine EU-Muttergesellschaft eine Betriebsstätte in der Bundesrepublik unterhält, in die Gewinnausschüttungen einer in einem Drittstaat ansässigen Tochtergesellschaft fließen.
 

Rz. 640

Erst recht sind Abs. 7, 8 mit der Folge der Steuerpflicht der Gewinnausschüttungen anwendbar, wenn Gewinnausschüttungen einer in einem Drittstaat ansässigen Tochtergesellschaft in eine in der Bundesrepublik belegene Betriebsstätte einer in einem Drittstaat ansässigen Muttergesellschaft fließen.

[1] BStBl I 2004, 1158.
[2] RL 2011/96/EU des Rates v. 30.11.2011, ABl. EU Nr. L 345, 9; zuletzt geändert durch RL 2014/86/EU v. 8.7.2014, Abl. EU Nr. L 219, 40.
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