Rz. 33

Unter Cum/Ex Gestaltungen werden Aktiengeschäfte verstanden, bei denen Erwerbsgeschäfte um den Aktienstichtag herum mit dem Ziel einer zwei- oder mehrfachen Kapitalertragsteuererstattung abgeschlossen werden. Diese auch als Dividendenstripping bekannten Geschäfte laufen dergestalt ab, dass Aktien mit Dividendenanspruch ("Cum") erworben, sodann aber einige Tage später ohne Dividendenanspruch ("Ex") geliefert werden. Da der Erwerber den Kaufpreis inkl. einer Vergütung für die anstehende Dividendenzahlung geleistet hat, muss der Veräußerer eine entsprechende Kompensationszahlung leisten. Diese erfolgt i. d. R. auf Nettobasis. Aufgrund technischer Unzulänglichkeiten kam es hierbei in der Praxis zu einer mehrfachen Bescheinigung von Kapitalertragsteuer, die tatsächlich aber lediglich einmal entrichtet worden ist.[1]

 

Rz. 34

Für die Argumentationskette der Initiatoren derartiger Geschäfte, die von einer Rechtmäßigkeit der mehrfachen Steuererstattung ausgingen, war entscheidend, dass zum einen die Stpfl., die eine Erstattung der KapESt beantragten, auch als wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien galten. Darüber hinaus zum anderen, dass eine Bescheinigung über vermeintlich entrichtete KapESt ausgestellt und dem Finanzamt vorgelegt werden konnte. Dabei gingen die Initiatoren offenbar davon aus, dass es zu einer Vervielfältigung des Eigentums im steuerrechtlichen Sinne kommen konnte. Überdies wurde davon ausgegangen, dass die tatsächliche Entrichtung von KapESt keine Voraussetzung für die Anrechnung sein sollte.[2]

 

Rz. 35

Für Gestaltungen, bei denen die zwei- oder mehrfache Erstattung von KapESt im Vordergrund stand, war das Tragen von Kursrisiken meist unerwünscht, sodass – sofern es sich nicht von vornherein um rein künstliche Gestaltungen handelte, bei denen der Erwerber ohnehin aufgrund spezieller Absprachen die Aktien zu einem festen Preis zurückveräußern durfte – häufig entsprechende Gegengeschäfte abgeschlossen wurden, um keinerlei Kursverluste tragen zu müssen. Dem möglicherweise mehrfachen Bestehen von wirtschaftlichem Eigentum hat der BFH – m. E. zutreffend – eine deutliche Absage erteilt.[3]

Zwar ist für die Beurteilung, ob wirtschaftliches Eigentum an einer Aktie gem. § 39 AO gegeben ist, eine Entscheidung des jeweiligen Einzelfalls.[4] In den der Öffentlichkeit bekannt gewordenen Cum/Ex-Gestaltungen mangelte es aber regelmäßig an den für die Qualifizierung des wirtschaftlichen Eigentums maßgeblichen Chancen und Risiken, die mit dem Besitz einer Aktie verbunden sind.

 

Rz. 36

In den in der Öffentlichkeit bekannt gewordenen Fällen wurden durch nicht im Inland ansässige Händler die Aktien mit Dividendenanspruch verkauft (cum) und ohne Dividendenanspruch geliefert (ex). Aufgrund der Differenz zwischen dem Erwerb der Aktie inkl. Dividendenanspruch, aber Lieferung ohne diesen, hat der Veräußerer eine Dividendenkompensationszahlung zu leisten. Diese wird in der Praxis typischerweise "netto", d. h. unter Abzug der Kapitalertragsteuer ausgezahlt. Die Depotbank des Erwerbers konnte indessen nicht erkennen, ob die Nettozahlung auf einer Weiterleitung der Dividende inkl. intendierter Weiterleitung der Anrechnung einbehaltener KapESt, einen Einbehalt und eine Abführung der KapESt durch den Veräußerer selbst oder eine reine Nettozahlung ohne Einbehalt von KapESt basierte.

 
Praxis-Beispiel

Der in einem ausländischen Staat ansässige Leerverkäufer L veräußert Aktien mit Dividendenanspruch (cum) kurz vor Ausschüttung der Dividende zu einem Preis von 100 an den inländischen Stpfl. K ohne diese zu besitzen. L kauft diese nach Ausschüttung einer Jahresdividende i. H. v. 10 (davon 2,5 KapESt und 7,5 Ausschüttung) von Besitzer B, der die Ausschüttung bezogen und eine Kapitalertragsteuerbescheinigung zutreffenderweise erhalten hat. Da L die Aktie ohne Dividendenanspruch an K liefert (ex), obwohl dieser die Aktie mit Anspruch (cum) erworben hat, muss L zusätzlich eine Dividendenkompensationszahlung von 7,5 an K leisten. Die Depotbank des K hatte in den bekannt gewordenen Fällen dann eine Steuerbescheinigung über KapESt ausgestellt, da für diese lediglich erkennbar war, dass die Nettodividende an K weitergeleitet wurde. Sofern die Aktienkurse c. p. lediglich um den Betrag der Dividende gesunken wären, hätte K für 100 Aktien im Wert von 90, eine Dividendenkompensationszahlung von 7,5 und eine Kapitalertragsteuerbescheinigung von 2,5 erhalten. L hingegen hat die 2,5 nicht abgeführt und konnte diese als Gewinn behalten.[5]

 

Rz. 37

Unabhängig von der Frage, ob K das wirtschaftliche Eigentum im vorstehend genannten Fall überhaupt hatte, als die Dividende ausgezahlt wurde, resultiert der Gewinn allein aus dem Umstand, dass L keine Kapitalertragsteuer einbehalten und abgeführt hat, K aber eine entsprechende Bescheinigung hierüber erhält. M. E. ist in der Ausgangslage zunächst fraglich, ob nicht ein zivilrechtlicher Anspruch von K auf die Bruttodividende durch L besteht, da L eben nicht nach inl. Maßstäben zum Einbehalt und zur Abführung der...

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