Tz. 60

Stand: EL 109 – ET: 03/2023

Große öffentliche und politische Aufmerksamkeit – bis hin zur Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses – erregte die Aufdeckung der sog "Cum-/Ex-Geschäfte", durch die der dt Fiskus mutmaßlich um zweistellige Milliardenbeträge gebracht wurde.

Als Cum-/Ex-Geschäfte werden Aktientransaktionen bezeichnet, bei denen die Veräußerung/Übertragung bzw der Erwerb von Aktien (schuldrechtliche Übertragung) mit (cum) Dividendenanspruch erfolgt, die (dingliche) Lieferung der Aktien jedoch erst nach dem Dividendenstichtag ohne (ex) Dividende. Die hier relevanten Geschäfte werden idR in der Var des "Leerverkaufs" nach dem folgenden (vereinfacht dargestellten) Schema abgewickelt (im Einzelnen hierzu s Spengel/Eisgruber, DStR 2015, 785; s Schön, RdF, 2.2015; s Spengel, Sachverständigengutachten für den 4. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode; und s Bozza, EFG 2020, 385).

 

Tz. 61

Stand: EL 109 – ET: 03/2023

 

Beispiel:

Bei dem beschriebenen Geschäft (Cum-/Ex-Geschäft mit Leerverkauf) verkauft der Veräußerer vor dem Dividendenstichtag Aktien, die (noch) nicht ihm, sondern einem Dritten gehören, cum (mit) Dividendenanspruch an den Erwerber (Preis hier: 1 000). Am Dividendenstichtag ist der Dritte zivilrechtlicher Eigentümer der Aktien, vereinnahmt die Netto-Dividende (hier: 75) und erhält eine St-Besch über die zu seinen Lasten einbehaltene KapSt (hier: 25). Der Verkäufer besorgt sich die Aktien nach dem Dividendenstichtag von dem Dritten (zu einem um die ausgezahlte Dividende von 100 gesunkenen Preis iHv 900) und liefert sie anschließend an den Erwerber für 1 000. Da der Wert der Aktien durch die zwischenzeitlich an den Dritten erfolgte Dividendenausschüttung gesunken ist, der Erwerber jedoch Aktien "mit" Dividende erworben hat, muss der Verkäufer diesem nicht nur die Aktien liefern, sondern auch eine Zahlung iHd (dem Erwerber entgangenen) Dividende (sog Dividendenkompensationszahlung) leisten, die iHd Nettodividende (hier: 75) erfolgt.

Bei der depotführenden Bank des Erwerbers kommt eine Geldzahlung iHd Nettodividende (hier: 75) an. Diese Bank kann nicht erkennen, ob es sich hierbei um die weitergeleitete Dividende handelt, die der Verkäufer noch vereinnahmt hat, obwohl sie ihm nicht mehr zusteht, oder ob die Zahlung von einem Leerverkäufer stammt und eine Kompensationszahlung darstellt. Die Bank des Käufers erkennt lediglich den Eingang eines Betrags iHd Nettodividende, schließt daraus die vorherige Einbehaltung und Abführung der KapSt und stellt (wie im Falle eines Verkaufs aus dem Bestand des Verkäufers) die entspr St-Besch (hier: über 25) aus.

Der Leerverkäufer erzielt aus diesem Geschäft einen Gewinn iHd KapSt. Der Käufer erzielt, wenn es zur Anrechnung bzw Erstattung der KapSt kommt, aus dem Geschäft ein ausgeglichenes Ergebnis. Auch der urspr Eigentümer der Aktien (Dritter) erzielt ein ausgeglichenes Ergebnis.

Zusammengefasst:

 
Der Leerverkäufer erzielt einen Kaufpreis von 1 000
und zahlt hierfür einen Kaufpreis von ./. 900
sowie eine Dividendenkompensationszahlung von ./. 75
Gewinn iHd KapSt von 25

Der Dritte erzielt für die Aktien im Wert von 1000 (cum Dividende)

einen Kaufpreis iHv
900
erhält die Netto-Dividende iHv + 75
sowie die KapSt-Anrechnung oder -Erstattung iHv + 25
Erlös 1 000

Der Erwerber zahlt für die Aktien im Wert von 1000 (cum Dividende)

einen Kaufpreis iHv
1 000
und erhält hierfür Aktien (ex Dividende) im Wert von 900
sowie eine Dividendenkompensationszahlung von + 75
und die KapSt-Anrechnung oder -Erstattung iHv + 25
Summe 1 000

Ein Gesamt-Gewinn aus den Geschäften iHd KapSt (25) entsteht nur dadurch, dass diese zwar nur einmal einbehalten und abgeführt, jedoch zweimal bescheinigt und angerechnet bzw erstattet wird. Dieser Gewinn lässt sich noch vervielfachen, wenn nicht nur ein Leerverkauf erfolgt, sondern mehrere solcher Geschäfte hintereinandergeschaltet werden. Der insoweit bei dem Leerverkäufer entstehende Gewinn, der ausschl vom Fiskus finanziert wird, wird idR über die Preisgestaltungen zwischen den Beteiligten des Geschäfts aufgeteilt.

 

Tz. 62

Stand: EL 109 – ET: 03/2023

Aufgr von Änderungen durch das JStG 2007 waren derartige Geschäfte ab 2007 nicht mehr möglich, wenn die Depotbank des Verkäufers im Zeitpunkt der Dividendenzahlung im Inl belegen war (s Schön, RdF 2.2015; s Spatscheck/Spilker, DB 2016, 2920; und s Bozza, EFG 2020, 385). Die FinVerw versuchte, mit Schr des BMF v 05.05.2009 (BStBl I 2009, 631) und vom 21.09.2010 (BStBl I 2010, 753) den noch verbliebenen Gestaltungsmöglichkeiten unter Einschaltung ausl Kreditinstitute zu begegnen, indem sie verlangte, dass bei entspr Leerverkäufen von Aktien über den Dividendenstichtag in der auszustellenden St-Besch anzugeben war, dass die Kap-Erträge iSd § 43 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG aus Aktien stammten, die mit Dividendenanspruch erworben, aber ohne Dividendenanspruch geliefert wurden. Ferner konnte eine Anrechnung sowie Erstattung der in diesen St-Besch angeführten KapSt nur erfolgen, wenn zusammen mit der...

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