2.1 Allgemeines

 

Rz. 34

§ 3 Abs. 2 wurde eingeführt, um die unterschiedliche Behandlung von Realgemeinden zu beseitigen, die sich daraus ergab, dass Realgemeinden nach einzelnen Landesgesetzen die Stellung von juristischen Personen hatten, nach anderen dagegen nicht. Die Sonderregelung wurde nicht allein im Interesse einer gleichmäßigen Behandlung aller Realgemeinden, sondern auch zur Vereinfachung geschaffen.[1]

 

Rz. 35

§ 3 Abs. 2 enthält eine zusätzliche vollständige oder teilweise Befreiung von der Körperschaftsteuer. § 3 Abs. 2 ist eine (vorrangige) Spezialvorschrift gegenüber § 3 Abs. 1.[2] Eine beschränkte Körperschaftsteuerpflicht nach § 2 Nr. 2 scheidet für die in § 3 Abs. 2 bezeichneten Realgemeinden aus. Auch fehlt für die steuerbefreiten Realgemeinden eine gesetzliche Bestimmung für Einkünfte, die dem Steuerabzug unterliegen und für die die Körperschaftsteuer mit dem Steuerabzug abgegolten ist (wie sie für die nach § 5 Abs. 1 steuerbefreiten Personenvereinigungen und Vermögensmassen in § 5 Abs. 2 Nr. 1 besteht).

2.2 Personenkreis

 

Rz. 36

Nach § 3 Abs. 2 sind gewisse Realgemeinden nur insoweit körperschaftsteuerpflichtig, als sie einen Gewerbebetrieb unterhalten oder verpachten, der über den Rahmen eines Nebenbetriebs hinausgeht. Voraussetzung ist jedoch stets, dass es sich dabei um eine Realgemeinde handelt, die zu den in § 1 bezeichneten Steuerpflichtigen gehört. Abzugrenzen davon sind Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften i.S.d. GenG, deren KSt-Pflicht auf § 1 Abs. 1 Nr. 2 beruht.[1]

 

Rz. 37

Für die Anwendung des § 3 Abs. 2 ist die Rechtsform ohne Bedeutung. So kann es sich bei den Realgemeinden um juristische Personen oder um nichtrechtsfähige Gebilde i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 handeln.[2] Ob sie nach dem privaten oder nach dem öffentlichen Recht gebildet worden sind, spielt für ihre steuerliche Behandlung ebenfalls keine Rolle.[3]

 

Rz. 38

Es lässt sich bezweifeln, dass unter diese Bestimmung auch Realgemeinden des öffentlichen Rechts fallen. Nach dem Wortlaut „zu den in § 1 bezeichneten Steuerpflichtigen” könnte die Ansicht vertreten werden, dass sich § 3 Abs. 2 nur auf Realgemeinden des privaten Rechts bezieht, weil unter die unbeschränkte Steuerpflicht des § 1 nur die Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts fallen. Bereits der RFH hat aber die juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu dem einschlägigen Personenkreis gezählt[4], was heute allg. Ansicht ist.[5]

In der praktischen Auswirkung bedeutet dies, dass die Realgemeinden des öffentlichen Rechts auch dann von der Körperschaftsteuer freigestellt sind, wenn sie zwar keinen Gewerbebetrieb, wohl aber einen Betrieb gewerblicher Art i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 6 i. V. m. § 4 unterhalten. Der wesentliche Unterschied zwischen einem Gewerbebetrieb und einem Betrieb gewerblicher Art liegt darin, dass für einen Gewerbebetrieb die Gewinnerzielungsabsicht erforderlich ist, während für die Annahme eines Betriebs gewerblicher Art allein eine Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen ausreicht.[6]

[1] Levedag, in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2015, § 3 KStG Rz. 25; Pfirrmann, in Gosch, KStG, 4. Aufl. 2020, § 3 KStG Rz. 31;Suchanek, in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 3 KStG Rz. 35.
[2] Suchanek, in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 3 KStG Rz. 35, der auf § 1 Abs. 1 Nr. 4 bis 6 verweist; mit Verweis auf § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 6.
[4] Vgl. RFH v. 25.4.1939, I 85/39, RStBl 1939, 1058.
[5] Levedag, in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG 2015, § 3 KStG Rz. 24 m. w. N.; Rengers, in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 3 KStG Rz. 33.
[6] Insgesamt zust. FG Bremen v. 16.3.2004, 1 K 413/02 (1), EFG 2004, 1551, rkr.

2.3 Begriff der Realgemeinden

 

Rz. 39

Realgemeinden i. S. d. § 3 Abs. 2 sind Vereinigungen (von meist natürlichen Personen) des älteren agrarwirtschaftlichen Genossenschaftsrechts, bei denen mit der Mitgliedschaft das Recht zur gemeinsamen land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung des Grund und Bodens (im Wege der Selbstbewirtschaftung) verbunden ist.[1]

Ihre rechtliche Gestalt hat sich aus den Allmend- und den Markgenossenschaften entwickelt. Sie bestehen kraft Art. 164 EG BGB unter Aufrechterhaltung der landesgesetzlichen Vorschriften fort.[2]  Im RFH v. 28.2.1932, I A 459/31, RStBl 1932, 828) werden sie „als ins Privatrecht verlaufende Nebenerscheinungen der politischen Gemeinden” bezeichnet.

Typische Realgemeinden i. S. d. § 3 Abs. 2 sind Hauberg-, Wald-, Forst- und Laubgenossenschaften.

Im Zuge der politischen Nachhaltigkeitsziele könnte der Gesetzgeber neue Formen eines ökologisch ausgerichteten Genossenschaftsrechts einführen, die den bisherigen Vergangenheitsbezug der Norm überwinden.

 

Rz. 40

Wohl zu den Realgemeinden, die unter Art. 164 EGBGB — nicht aber unter § 3 Abs. 2 — fallen, gehören Verbände, deren Mitglieder als solche zu Nutzungen an Mü...

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