Rz. 215

Als Rechtsfolge bestimmt Abs. 4, dass bei Verlust der wirtschaftlichen Identität der Verlustabzug (Verlustvor- und -rücktrag) nicht mehr zulässig ist. Betroffen ist der verbleibende Verlustabzug, den die Körperschaft im Zeitpunkt des Verlusts der wirtschaftlichen Identität hatte; später eintretende Verluste sind abziehbar.

 

Rz. 216

Erfasst werden alle Verluste der Kapitalgesellschaft, ohne Rücksicht darauf, aus welcher Geschäftsaktivität sie stammen. Das gilt auch, wenn die Verluste nach anderen Vorschriften abziehbar sind. Hat die Kapitalgesellschaft als Gesellschafter einer Personengesellschaft nach § 15a EStG verrechenbare Verluste, können diese verrechenbaren Verluste bei der Kapitalgesellschaft körperschaftsteuerlich nicht abziehbar werden, wenn bei der Kapitalgesellschaft die Voraussetzungen des Abs. 4 erfüllt sind.[1] Gewerbesteuerlich können die Verluste abzugsfähig bleiben, da insoweit auf die Ebene der Personengesellschaft, nicht auf die der Kapitalgesellschaft, abzustellen ist.

 

Rz. 217

In zeitlicher Hinsicht ist derjenige Verlust nicht abziehbar, der vor der Tatbestandsverwirklichung entsteht. Der Tatbestand besteht aus dem Übergang der Anteile und der Zuführung überwiegend neuen Betriebsvermögens. Die Rechtsfolge der Nichtabziehbarkeit der Verluste kann also erst in dem Zeitpunkt eintreten, in dem beide Tatbestandsmerkmale erfüllt sind, also die Anteile übergegangen sind und überwiegend neues Betriebsvermögen zugeführt worden ist.

 

Rz. 218

Werden beide Tatbestandsmerkmale zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfüllt, kann ein Verlust noch mit Gewinnen, die vor der Erfüllung des zweiten Tatbestandsmerkmals entstanden sind, ausgeglichen werden. Soweit das zweite Tatbestandsmerkmal (wobei die Reihenfolge keine Rolle spielt) nicht erfüllt ist, besteht keine Rechtsgrundlage für ein Verlustabzugsverbot. Die Erfüllung des zweiten Tatbestandsmerkmals wirkt nicht auf den Zeitpunkt des ersten Tatbestandsmerkmals zurück.

 

Beispiel (nach Neyer, BB 2001, 174):

Am 1.1.01 erwirbt A alle Anteile an einer GmbH, die Verlustvorträge aufweist. Im Jahr 02 erwirtschaftet die GmbH Gewinne. Am 1.1.03 führt A der GmbH überwiegend neues Betriebsvermögen zu. Die Verluste können mit den Gewinnen des Jahres 02 verrechnet werden, da der Tatbestand des Abs. 4 erst am 1.1.03 erfüllt ist, sofern ein sachlicher Zusammenhang angesichts des zeitlichen Abstands zwischen beiden Vorgängen nachgewiesen werden kann. Vorher besteht für ein Verlustabzugsverbot keine Rechtsgrundlage.

 

Rz. 219

Umgekehrt fällt ein Verlust, der in dem Zeitraum zwischen der Verwirklichung der beiden Tatbestandselemente entsteht, unter das Verlustabzugsverbot.[2] Insoweit ist der Tatbestand vollständig erst nach der Verlustentstehung erfüllt; die Verluste fallen daher unter das Abzugsverbot. Abweichend hiervon hat der BFH[3] jedoch entschieden, dass die Rechtsfolge bereits an die Übertragung der Anteile anknüpft, auch wenn die Zuführung neuen Betriebsvermögens, und damit die vollständige Tatbestandsverwirklichung, später liegt. Die Rspr. zieht insoweit eine Analogie zum Fall des Verlustausgleichs, bei dem ausdrücklich an die Übertragung der Anteile angeknüpft wird. Außerdem soll die Vorschrift den "Verlusthandel" unterbinden; damit sei es nicht vereinbar, Verluste vom Abzug auszuschließen, die von den neuen Anteilseignern erwirtschaftet worden seien.

 

Rz. 220

Folgt man dieser Auffassung, stellt die nach der Anteilsübertragung erfolgende Zuführung überwiegend neuen Betriebsvermögens ein Ereignis dar, das auf den Zeitpunkt des schädlichen Anteilserwerbs zurückwirkt. Der Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs auf den Schluss des Wirtschaftsjahrs der schädlichen Anteilsübertragung ist daher nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO zu ändern.

 

Rz. 221

Nicht abziehbar wird der ganze Verlust der Körperschaft, und zwar auch dann, wenn weniger als 100 % der Anteile übertragen worden sind. § 8 Abs. 4 KStG nimmt bei der Übertragung von mehr als 50 % der Anteile und der Zuführung von überwiegend neuem Betriebsvermögen (typisierend) einen Verlust der wirtschaftlichen Identität an. Wirtschaftliche Identität kann bei einer Körperschaft aber nur bestehen oder nicht bestehen; sie kann nicht teilweise verloren gehen. Im Ergebnis bedeutet dies, dass bei einer Anteilsveräußerung durch den Mehrheitsgesellschafter auch die Minderheitsgesellschafter Schaden erleiden können, wenn der Verlust unabziehbar wird. Die Rechtsfolge greift hier in die zivilrechtlichen Beziehungen der Gesellschafter untereinander ein, ein Ergebnis, das äußerst kritisch zu sehen ist.

 

Rz. 222

Die Folge, dass der gesamte Verlust verloren geht, ist nicht umkehrbar, d. h., wenn die wirtschaftliche Identität einmal entfallen ist, kann sie nicht durch gegenläufige Maßnahmen, z. B. die Wiederherstellung des ursprünglichen Geschäftsbetriebs, rekonstruiert werden.[4]

 

Rz. 223

§ 8 Abs. 4 KStG beschränkt sich aber nicht auf das Verbot des Verlustabzugs gem. § 10d EStG, sondern umfasst auch das Verbot, vom Beginn des Wir...

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