Rz. 48

Im Hinblick auf die große Bedeutung der Bescheinigung für die Anrechnung von Körperschaftsteuer enthält Abs. 5 eine zusätzliche Haftungsvorschrift. Danach haftet der Aussteller einer Bescheinigung, die den Absätzen 1 bis 3 nicht entspricht, für die aufgrund der Bescheinigung verkürzten Steuern oder zu Unrecht gewährten Steuervorteile. Bei den sonstigen zu Unrecht gewährten Steuervorteilen handelt es sich im wesentlichen um nach § 52 zu Unrecht gewährte Vergütungen. Bei Ausstellung der Bescheinigung durch ein Kreditinstitut nach § 45 haftet die ausschüttende Körperschaft nur, wenn sie zum Zweck der Ausstellung der Steuerbescheinigung unrichtige Angaben macht. Für eine unrichtige Steuerbescheinigung, die nicht auf unrichtigen Angaben der Körperschaft beruht, haftet die Körperschaft nicht; in diesen Fällen tritt die Haftung des die Steuerbescheinigung ausstellenden Kreditinstituts nach § 45 Abs. 4 an die Stelle der Haftung der Körperschaft.

"Kreditinstitut" in Sinne dieser Regelung ist ein inländisches Kreditinstitut oder die inländische Zweigniederlassung eines Kreditinstituts mit Sitz in einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes (vgl. § 45 Rz. 3).

 

Rz. 49

Die Haftung nach § 44 Abs. 5 setzt mithin objektiv zweierlei voraus, daß

  • die erteilte Steuerbescheinigung unrichtig oder unvollständig ist und
  • es aufgrund der unrichtigen (unvollständigen) Bescheinigung tatsächlich zu Steuerverkürzungen in Form von unberechtigten Erstattungen oder Vergütungen gekommen ist.

Objektiv ist der Tatbestand der Steuerverkürzung erst eingetreten, wenn der Rückforderungsanspruch nicht gegen denjenigen durchgesetzt werden kann, der die Anrechnung zu Unrecht geltend gemacht hat, d. h., wenn

  • entweder der auf der unrichtigen Bescheinigung beruhende unrichtige Steuerbescheid verfahrensrechtlich nicht mehr geändert werden kann oder
  • der Rückforderungsanspruch aus tatsächlichen Gründen nicht mehr realisiert werden kann.
 

Rz. 49a

Ein Sonderfall der Haftung nach § 44 Abs. 5 kann sich aus der Regelung über das Inkrafttreten des Standortsicherungsgesetzes vom 13.9.1993[1] ergeben. Die die Ausschüttungen betreffenden Regelungen des Standortsicherungsgesetzes gelten bereits für offene Ausschüttungen, die in einem Wirtschaftsjahr abfließen, das nach dem 31.12.1993 endet. Damit greift die Neuregelung zeitlich weit in abgeschlossene Zeiträume zurück. Dabei kann es vorgekommen sein, daß der Steuerpflichtige mangels Kenntnis noch das alte Recht angewandt hat, obwohl bereits das neue Recht galt.

 
Praxis-Beispiel

Bei einem abweichenden Wirtschaftsjahr vom 1.4. bis 31.3. sind im Mai 1993 Ausschüttungen vorgenommen worden. Das Standortsicherungsgesetz ist erst in dem BGBl v. 17.9.1993 veröffentlicht worden. In solchen Fällen kann die Steuerbescheinigung falsch sein, weil etwa ein Anrechnungsguthaben von 9/16 statt 3/7 bescheinigt ist, oder weil ein Anrechnungsguthaben für Ausschüttungen aus dem EK 01 bescheinigt wurde[2].

In solchen Fällen ist die Berichtigung der Steuerbescheinigung möglich. Ist das nicht durchführbar, etwa bei Publikumsgesellschaften, tritt die Haftung ein. Um dies zu vermeiden, gibt § 54 Abs. 10a S. 2 i. d. F. des Gesetzes vom 29.12.1993[3] der ausschüttenden Körperschaft das Recht, auf die Anwendung des neuen Rechts zu verzichten.

 

Rz. 50

Sind die Voraussetzungen für eine Haftung objektiv erfüllt, ist für das Eingreifen der Haftung kein Verschulden des Ausstellers der Steuerbescheinigung erforderlich. Ein schuldloses Verhalten kann jedoch bei der Beurteilung der Frage zu würdigen sein, ob eine Inanspruchnahme der ausschüttenden Körperschaft durch Haftungsbescheid im Rahmen des Ermessens liegt.

Die Voraussetzungen für eine Haftung sind nicht erfüllt, wenn eine Körperschaft in Unkenntnis eines bestehenden Treuhandverhältnisses dem Treuhänder eine Steuerbescheinigung erteilt und dieser — weil anrechnungsberechtigt — Erstattungen entgegennimmt, die der Treugeber als eigentlicher Anteilseigner — weil nicht anrechnungsberechtigt — nicht geltend machen könnte (vgl. Rz. 8ff., 14).

Keine Haftung greift ein, wenn der Aussteller der Steuerbescheinigung das Finanzamt nach Abs. 4 davon benachrichtigt hat, daß er eine berichtigte Steuerbescheinigung ausgestellt hat, die ursprüngliche Steuerbescheinigung aber nicht an ihn zurückgesandt wurde.

 

Rz. 51

Die Haftung besteht der Höhe nach für denjenigen Betrag, der tatsächlich verkürzt worden ist, bzw. der tatsächlich zu Unrecht vergütet worden ist. Sie setzt daher der Höhe nach voraus, daß die zu Unrecht gewährten Steuervorteile festgestellt werden. Eine pauschale Ermittlung der Haftungssumme, z. B. bei einer Vielzahl von unrichtigen Bescheinigungen, sieht das Gesetz nicht vor.

Im Falle der unrichtigen Bescheinigung der Ausschüttung aus dem EK 03 ist der Aussteller an der Berichtigung der Bescheinigung gehindert (vgl. Rz. 45). Die Haftung greift trotz des Fehlens der Berichtigungsmöglichkeit ein, wenn dadurch eine unrechtmäßige Vergütung gewährt wurde (so auch Schrickel, in Arthur Andersen, KStG, §...

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