2.3.1 Systematische Zusammenhänge

2.3.1.1 Begriffliche Einordnung

 

Rz. 32

Hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereichs des Anrechnungsverfahrens, d. h. der dem Anrechnungsverfahren unterliegenden Leistungen der Anrechnungskörperschaft an die Anteilsinhaber, ist die Begriffsbildung des Gesetzes nicht eindeutig.

  • Nach § 27 Abs. 1 greift das Anrechnungsverfahren bei Gewinnausschüttungen ein; da die Gewinnausschüttungen nicht näher spezifiziert sind, gilt dies für offene Gewinnausschüttungen, für Vorabausschüttungen (vgl. § 8 Rz. 109, 111) und für verdeckte Gewinnausschüttungen (vgl. Anh. vGA zu § 8, Rz. 245ff.).
  • Der sachliche Anwendungsbereich wird in § 41 auf sonstige Leistungen ausgedehnt. Hierunter fallen die Leistungen, die bei dem Empfänger Einnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG sind.
 

Rz. 33

Dem Anrechnungsverfahren unterliegen Leistungen nur, wenn sie auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage beruhen. Für Gewinnausschüttungen ergibt sich dies schon aus dem Begriff, da Gewinnausschüttungen immer gesellschaftsrechtlich veranlasst sind und nur an den Gesellschafter erbracht werden können. Dies gilt aber auch für die sonstigen Leistungen des § 41; auch diese unterliegen nur dann dem Anrechnungsverfahren, wenn sie an den Gesellschafter erfolgen[1]. Erfolgt die Leistung an eine nahestehende Person, ist sie steuerlich dem Gesellschafter zuzurechnen, so dass auch in diesem Fall das Anrechnungsverfahren eingreift.

Im Ergebnis unterliegen dem Anrechnungsverfahren grundsätzlich alle Vermögensminderungen der Anrechnungskörperschaft, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und sich durch Abfluss (vgl. Rz. 190) konkretisiert haben[2].

 

Rz. 34

Man könnte daraus, dass § 27 auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG verweist, ableiten, dass dem Anrechnungsverfahren nur solche Leistungen unterliegen, die unter § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG fallen. Das wäre aber in einem gewissen Sinne nicht richtig, da damit Ausschüttungen und sonstige Leistungen unter Verwendung des EK 04 aus dem Anrechnungsverfahren ausgeschlossen wären. Die Verwendung des EK 04 führt zwar nicht zu ausschüttungsbedingten Körperschaftsteueränderungen; trotzdem liegt das EK 04 nicht vollständig außerhalb des Anrechnungsverfahrens, da es nach § 30 in der Gliederungsrechnung zu entwickeln und nach § 47 gesondert festzustellen ist. Das EK 04 gehört also zum Anrechnungsverfahren, wird aber nach § 40 Nr. 2 besonders behandelt.

 

Rz. 35

Aus § 27 Abs. 1 und § 41 ergibt sich somit das Begriffspaar Gewinnausschüttungen (offene oder verdeckte Gewinnausschüttungen, Vorabausschüttungen) und sonstige Leistungen nach § 41. Dagegen enthalten § 27 Abs. 3 und § 28 Abs. 2 ein anderes Begriffspaar, das für die Praxis des Anrechnungsverfahrens wesentlich bedeutsamer ist. Dieses Begriffspaar besteht aus "Ausschüttungen, die auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr beruhen" und "anderen Ausschüttungen". Dieses zweite ­Begriffspaar regelt bestimmte zeitliche Zuordnungen, z. B. die Zuordnung der Körperschaftsteueränderung zu einem bestimmten Veranlagungszeitraum (vgl. § 27 Abs. 2) oder die Verrechnung mit dem verwendbaren Eigenkapital auf den Schluss eines bestimmten Wirtschaftsjahres (vgl. § 28 Abs. 3).

Zu unterscheiden sind also die Begriffspaare "Gewinnausschüttungen und sonstige Leistungen" für die Bestimmung des sachlichen Regelungsbereichs (Definition der einzubeziehenden Leistungen), und "Ausschüttungen und andere Ausschüttungen" für die notwendigen zeitlichen Zuordnungen. Beide Begriffspaare decken sich zwar insofern, als sie die gleichen Sachverhalte betreffen; ein Sachverhalt, der unter das eine Begriffspaar fällt, gehört notwendig auch zu dem anderen Begriffspaar. Innerhalb der Begriffspaare ist die Einordnung aber nicht deckungsgleich, sodass die Begriffe nicht synonym verwendet werden können. So sind offene Gewinnausschüttungen (ohne Vorabausschüttungen) und Vorabausschüttungen für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr sowohl Gewinnausschüttungen i.S.d. § 27 Abs. 1 als auch gleichzeitig Ausschüttungen i.S.d. § 27 Abs. 3 S. 1. Verdeckte Gewinnausschüttungen und Vorabausschüttungen für ein laufendes Wirtschaftsjahr sind zwar Gewinnausschüttungen i.S.d. § 27 Abs. 1, aber "andere Ausschüttungen" nach § 27 Abs. 3 S. 2. Die sonstigen Leistungen nach § 41 sind nie Gewinnausschüttungen nach § 27 Abs. 1 und immer andere Ausschüttungen nach § 27 Abs. 3 S. 2 (vgl. die Übersicht der Begriffe in Rz. 194).

 

Rz. 36

Das Begriffspaar "Gewinnausschüttungen und sonstige Leistung" bezieht sich auf den sachlichen Anwendungsbereich des Anrechnungsverfahrens, das Begriffspaar "Ausschüttungen und andere Ausschüttungen" dagegen auf die zeitliche Zuordnung der ausschüttungsbedingten Körperschaftsteueränderungen zu einem Veranlagungszeitraum (nicht auf den zeitlichen Anwendungsbereich des Anrechnungsverfahrens, vgl. Rz. 88). Im Folgenden wird daher nur dargestellt, welche Leistungen überhaupt unter das Anrechnungsverfahren fallen (sachliche Zuordnung), also Gewinnausschüt...

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