Rz. 207

Die dritte im Gesetz genannte Fallgruppe umfasst schließlich die zu hohe Bescheinigung der Verwendung des steuerlichen Einlagekontos. In diesem Fall könnte ein Steuerschaden entstehen, da dieser Betrag beim Anteilseigner eine steuerfreie Kapitalrückzahlung darstellt, soweit die Auskehrung die Anschaffungskosten bzw. den Buchwert der Anteile nicht übersteigt.[1] § 27 Abs. 5 S. 4 KStG regelt deshalb die Haftung der Körperschaft für zu Unrecht nicht einbehaltene und abgeführte KapESt aufgrund einer zu hohen Bescheinigung der Verwendung des steuerlichen Einlagekontos. Die Vorschrift schafft keine eigenständige Haftungsnorm, sondern ist als Rechtsgrundverweisung auf § 44 Abs. 5 EStG zu verstehen, der einen Haftungstatbestand für nicht abgeführte KapESt enthält.[2] Zusätzlich beseitigt § 27 Abs. 5 S. 4 Hs. 2 KStG die Möglichkeit zur Exkulpation gem. § 44 Abs. 5 S. 1 Hs. 2 EStG. Nach § 44 Abs. 5 S. 1 Hs. 2 EStG tritt keine Haftung ein, sofern weder eine vorsätzliche noch eine grob fahrlässige Pflichtverletzung der Körperschaft vorliegt. Eine solche Haftungsbefreiung besteht demnach bei der Haftung des § 27 Abs. 5 S. 4 KStG nicht.[3]

 

Rz. 208

Die Regelung kommt meist nach einer Betriebsprüfung zur Anwendung. Hat eine Körperschaft eine offene Gewinnausschüttung vorgenommen und hierfür die Verwendung des steuerlichen Einlagekontos bescheinigt, kommt es infolge der Betriebsprüfung jedoch zu einer nachträglichen Erhöhung des ausschüttbaren Gewinns, so ist die Verwendung des steuerlichen Einlagekontos zu hoch bescheinigt.[4] Wurde eine verdeckte Gewinnausschüttung in einem Jahr festgestellt, in dem der Bestand des steuerlichen Einlagekontos in voller Höhe verwendet wurde, wäre die Verwendung auf die Leistungen entsprechend aufzuteilen. Auch insoweit kann es zu einer zu hohen Bescheinigung der Verwendung gekommen sein, da ein Teil der Verwendung auf die verdeckte Gewinnausschüttung entfallen würde.[5]

 

Rz. 209

Die Haftung für die KapESt richtet sich nach den allgemeinen Regelungen, d. h. der Haftungsbetrag ist mit 25 % der Leistung, die nicht aus dem steuerlichen Einlagekonto gespeist wird, zu bemessen[6], sofern diese auf Rechnung des Anteilseigners geleistet wird. Übernimmt die Körperschaft die KapESt, beträgt der Steuersatz 33,3 %[7], da die Übernahme eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellt. Haftungsschuldner ist im Regelfall die Körperschaft, da diese die Haftung durch Ausstellung einer berichtigten Bescheinigung nach § 27 Abs. 5 S. 5 KStG vermeiden könnte.[8]

 

Rz. 210

Fraglich ist, ob der Körperschaft bei Haftungsinanspruchnahme zivilrechtlich ein Rückforderungsanspruch gegen die Anteilseigner zusteht.[9] Die Anteilseigner können sich die KapESt, die im Wege der Haftung erhoben wurde, nicht auf die persönliche Steuerschuld anrechnen lassen, da die Steuerbescheinigung nicht berichtigt wird. Somit wurde diese streng genommen nicht für Rechnung der Anteilseigner einbehalten. Trifft die Anteilseigner kein Verschulden an der fehlerhaften Bescheinigung, sondern sind die haftungsbegründenden Versäumnisse allein der Körperschaft zuzurechnen, ist m. E. zumindest fraglich, ob in der Haftung nicht die Erfüllung einer eigenen Schuld der Körperschaft zu sehen sein könnte. Hiergegen spricht allerdings, dass die h. M. auch bei der Inanspruchnahme nach § 44 Abs. 5 EStG davon ausgeht, dass die Haftung zugunsten des Gläubigers der Kapitalerträge erfolgt.[10] Hinzu kommt, dass die Körperschaft die Möglichkeit zur Berichtigung hat, die im Regelfall durchführbar sein dürfte. Insoweit wäre dann KapESt auf Rechnung der Anteilseigner einzubehalten. Hat die Körperschaft allerdings Probleme mit der Beitreibung der Forderungen gegenüber den Anteilseignern, wäre es fraglich, ob eine Haftung i. H. v. 33,3 % angenommen werden dürfte. Sofern der Wille der Körperschaft erkennbar ist, die Forderungen gegen die Gesellschafter geltend zu machen, sollte die "normale" Haftung i. H. v. 26,375 % erfolgen.

 

Rz. 211

Im Hinblick auf die Haftung für KapESt gem. § 44 Abs. 5 EStG besteht generell ein Vorrang des Veranlagungsverfahrens.[11] Dies erkennt auch die Finanzverwaltung an.[12] Fraglich ist, ob dieser Vorrang auch für die Haftung gem. § 27 Abs. 5 S. 4 KStG gilt, da insoweit die Rechtsgrundverweisung besteht.[13] M. E. ist ein Vorrang des Veranlagungsverfahrens in Bezug auf § 27 Abs. 5 S. 4 KStG zu verneinen, da das Risiko, dass der Bezug des Anteilseigners vom FA bei fortbestehender falscher Bescheinigung als steuerfreie Nennkapitalrückzahlung behandelt, also nicht besteuert wird, einen "beachtlichen Grund" i. S. d. BFH-Rechtsprechung[14] darstellt, welcher der Besteuerung der Beträge im Zuge der Veranlagung entgegensteht.

 

Rz. 212

§ 27 Abs. 5 S. 5 KStG eröffnet der Körperschaft im Hinblick auf die zu hohe Bescheinigung der Verwendung des steuerlichen Einlagekontos die Möglichkeit, die Steuerbescheinigungen zu berichtigen. Hierbei handelt es sich um ein Wahlrecht, das in der Praxis zur Pflicht werden dürfte, da die KapESt, die ohne Berichtigung im Haf...

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