Rz. 164

Abs. 3 enthält eine in den Rechtsfolgen sehr belastende Regelung, falls eine Körperschaft ihren Sitz und/oder ihre Geschäftsleitung in einen Staat, der nicht Mitglied der EU oder des EWR ist, verlegt und dadurch aus der unbeschränkten Steuerpflicht der Bundesrepublik oder eines anderen EU-/EWR-Staates ausscheidet. In diesem Fall kommt es nicht darauf an, ob die Wirtschaftsgüter durch die Sitzverlegung der deutschen Besteuerungshoheit entzogen werden oder ob diese beschränkt wird. Allein die Tatsache der Sitzverlegung mit der Folge des Verlusts des Rechts zur unbeschränkten Besteuerung im Bereich der EU bzw. des EWR führt zu einer Liquidationsbesteuerung unter Aufdeckung der stillen Reserven.

 

Rz. 165

Zivilrechtlich ist die strenge Voraussetzung, dass sich Sitz und Geschäftsleitung im Inland befinden müssen, aufgegeben worden. In § 4a GmbHG bzw. § 5 AktG wird dies nicht mehr verlangt. Dadurch soll die Flexibilität der deutschen Gesellschaftsformen erhöht und eine Verlagerung der Geschäftsleitung in das Ausland ermöglicht werden.[1] Es ist gegenwärtig jedoch nicht klar, ob durch diese Vorschriften die Sitztheorie aufgegeben und zur Gründungstheorie übergegangen wurde. Die Rspr. fordert insoweit eine ausdrückliche Gesetzesänderung, die bisher nicht vorliegt.[2] Angesichts der zivilrechtlichen Frage, ob und inwieweit die Sitztheorie gilt (Rz. 156), hat § 12 Abs. 3 KStG eine eigenständige Regelung für den Wegzug einer Körperschaft geschaffen, die von der zivilrechtlichen Rechtslage und damit von der Entscheidung für die Gründungs- oder die Sitztheorie unabhängig ist.[3] Die Rechtsfolgen des Abs. 3 treten also unabhängig davon ein, ob in der Bundesrepublik weiterhin die Sitztheorie gilt oder die Gründungstheorie übernommen wird. Die steuerlichen Rechtsfolgen sind auch unabhängig davon, ob handelsrechtlich die Auflösung und der Verlust der Rechtsfähigkeit aufgrund der Sitztheorie tatsächlich zum Anlass einer Liquidation genommen werden, oder ob die Körperschaft als nicht rechtsfähig weiter besteht.

 

Rz. 166

In persönlicher Hinsicht ist Abs. 3 auf alle KSt-Subjekte des § 1 Abs. 1 KStG anwendbar, also auch auf Personenvereinigungen und Vermögensmassen (Stiftungen), gleichgültig, ob es sich um ein KSt-Subjekt nach deutschem, ausl. oder EU-Recht handelt. Maßgebend ist nur, dass es sich um ein KSt-Subjekt handelt. Die Vorschrift erfasst also auch die SE und die SCE. Die FRL enthält insoweit keine Regelung. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass SE und SCE Sitz und Geschäftsleitung in einem, und zwar demselben, EU-Staat haben müssen (Rz. 92). Dadurch kommt eine Sitzverlegung einer SE oder SCE i. S. d. Abs. 3 wohl kaum in Betracht, da Sitz und Geschäftsleitung schon handelsrechtlich nicht in einen Drittstaat verlegt werden dürfen.

 

Rz. 166a

Europarechtliche Probleme wirft die Vorschrift nicht auf. Von den Grundfreiheiten ist nur die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV betroffen, da es um die Niederlassung einer Körperschaft in einem bestimmten Staat geht. Auf die Niederlassungsfreiheit können sich aber Drittstaatengesellschaften nicht berufen. Die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV, die auch Drittstaatengesellschaften zusteht, ist gegenüber der Niederlassungsfreiheit nachrangig und nicht anzuwenden, soweit es um die Niederlassung der Gesellschaft geht.

 

Rz. 166b

Auch ein Verstoß gegen die Diskriminierungsverbote der DBA[4] dürfte nicht vorliegen. Nach den DBA ist nur eine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit verboten, bei Körperschaften also nach dem jeweiligen Gründungsstatut. Abs. 3 knüpft aber nicht an das Gründungsstatut, sondern an die Ansässigkeit an. Unterschiedliche Regelungen je nach der Ansässigkeit der Körperschaft sind aber keine nach den DBA verbotenen Diskriminierungen.

 

Rz. 167

Weitere Voraussetzung ist, dass die Körperschaft vor dem Wegzug in einem EU- oder EWR-Staat unbeschränkt steuerpflichtig gewesen ist. Das ergibt sich mittelbar aus Abs. 3, da die Anwendung der Vorschrift voraussetzt, dass die Körperschaft aus der unbeschränkten Steuerpflicht eines EU- oder EWR-Staates ausscheidet, diese also vorher bestanden haben muss. Allerdings ergibt sich hieraus auch, dass die unbeschränkte Steuerpflicht nicht im Inland bestanden haben muss. Nach Abs. 3 ist Voraussetzung, dass die unbeschränkte Steuerpflicht in einem Mitgliedsstaat der EU oder des EWR endet. Daher genügt es für die Anwendung des Abs. 3, dass die Körperschaft vor dem Wegzug in einem Staat der EU oder des EWR unbeschränkt steuerpflichtig gewesen ist. Sie kann also für die Anwendung des Abs. 3 in der Bundesrepublik nur beschränkt steuerpflichtig gewesen sein.[5]

 

Rz. 167a

Andererseits ergibt sich hieraus, dass die Verlegung des Sitzes und/oder der Geschäftsleitung einer Körperschaft, die in keinem EU- bzw. EWR-Staat unbeschränkt steuerpflichtig ist, nicht unter die Regelung fällt.[6] Die Sitzverlegung einer Körperschaft von einem Drittstaat in einen Drittstaat oder von einem Drittstaat in einen EU- bzw. EWR-Staat (einschl. der Sit...

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