Rz. 8

Die Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit (Leistungsfähigkeitsprinzip) findet ihren Ausdruck in verschiedenen gesetzgeberischen Belastungsgrundentscheidungen. Bezogen auf inländische Besteuerungssachverhalte für die KSt gehören dazu namentlich insb. das objektive Nettoprinzip, das Periodizitätsprinzip und das Subjektsteuerprinzip. Die gesetzgeberischen Belastungsgrundentscheidungen stehen untereinander in einem Verhältnis der gegenseitigen Konkretisierung und Limitierung.[1] Die vorgenannten Belastungsgrundentscheidungen werden durch die Belastungsgrundentscheidung des Gesetzgebers hinsichtlich der Besteuerung des Welteinkommens und des steuerlichen Territorialitätsprinzips (Besteuerung der im Inland erzielten Wertschöpfung)[2] im internationalen Kontext ergänzt. Das steuerliche Territorialitätsprinzip konkretisiert die Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip räumlich dergestalt, dass jedenfalls diejenigen (steuerbaren) Wertveränderungen von Wirtschaftsgütern der deutschen Besteuerung unterliegen, die im Inland erzielt werden. Dadurch soll sichergestellt werden, das die im Inland erzielten Wertveränderungen auch im Inland besteuert werden.

Die Beschränkung oder der Ausschluss des Besteuerungsrechts für die Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts löst indes keine Besteuerung nach dem Realisationsprinzip aus und führt auch insoweit nicht zu einer steuerlichen Aufdeckung der Wertveränderung eines Wirtschaftsguts. Indes liegt dem Realisationsprinzip die Prämisse zugrunde, dass die Erfassung eines Wertzuwachses solange aufgeschoben wird, bis ein am Markt erzielter Umsatzakt erfolgt. Erst dann ist hinreichend sicher ein Ertrag entstanden und eine Steigerung der Leistungsfähigkeit des Stpfl. bewirkt. Diese Leistungsfähigkeitssteigerung würde im reinen Inlandsfall allein durch die Bundesrepublik Deutschland besteuert werden. Kommt es hingegen durch die Beschränkung und den Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts nicht mehr zu einem für die Bemessung der steuerlichen Leistungsfähigkeit in der Bundesrepublik Deutschland maßgeblichen Umsatzakts, läuft das Realisationsprinzip partiell leer. Trotz späterer Realisation hätte die Bundesrepublik Deutschland kein oder nur ein beschränktes Besteuerungsrecht. In Ausformung des steuerlichen Territorialitätsprinzips wird das Realisationsprinzip durch die Vorschriften zur steuerlichen Entstrickung ergänzt. § 12 KStG sichert damit als einer von mehreren steuerlichen Entstrickungstatbeständen das Realisationsprinzip ab und bewirkt als sog. Ersatzrealisationstatbestand die steuerliche Erfassung von im Inland erzielten Wertveränderungen. Nach § 12 KStG erfolgt eine Besteuerung, wenn die stillen Reserven den steuerverhafteten inländischen Bereich verlassen und in den nicht (allein) von der deutschen Besteuerung erfassten ausländischen Bereich übergehen.[3]

Im Inland entstandene und daher mit der deutschen Besteuerung "verstrickte" stille Reserven werden im Zeitpunkt der Verlagerung des Wirtschaftsguts besteuert. Die Besteuerung tritt dabei freilich ein, obwohl kein Realisationsakt stattgefunden hat. Indes ist zu beachten, dass der Stpfl. trotz fehlenden Umsatzaktes durch die Wertsteigerung des Wirtschaftsguts eine (potenziell) erhöhte Leistungsfähigkeit hat. Allerdings kommt es nicht mehr zu einem Ereignis, welches vom national gedachten Realitistionsprinzip vorausgesetzt wird, wonach bei einer Veräußerung die Wertsteigerung der (unbeschränkten) inländischen Besteuerung unterliegt. Aus dem Wegfall dieser Prämisse einer unbeschränkten Besteuerung der Wertsteigerung nach Maßgabe des Realisationsprinzips folgt die Rechtfertigung eines Steuerzugriffs auf die Wertsteigerungen ohne Realisation im Fall der Entstrickung.

 

Rz. 9

Der Ersatzrealisationstatbestand des § 12 KStG ist auf die Entstrickung durch KSt-Subjekte zugeschnitten. Von den übrigen Gewinnrealisierungstatbeständen des KSt-Rechts nach dem Realisationsprinzip unterscheidet sich der Besteuerungstatbestand des § 12 Abs. 1 KStG dadurch, dass bei § 12 KStG keine Übertragung des (rechtlichen oder wirtschaftlichen) Eigentums auf eine andere Person erfolgt. Daher haben die Tatbestände der Gewinnrealisierung durch Veräußerung (Bewertung mit der Gegenleistung), durch Einlage[4], durch grenzüberschreitende Nutzungseinlage[5] und durch verdeckte Gewinnausschüttung (Bewertung mit dem gemeinen Wert[6]) Vorrang vor dem Gewinnrealisierungstatbestand des § 12 KStG. Die Gewinnrealisierungstatbestände der Veräußerung, der Einlage und der verdeckten Gewinnausschüttung sowie die Nutzungseinlage nach § 1 AStG haben gemeinsam, dass eine Beziehung zu einer anderen Person besteht, auf die das Wirtschaftsgut übertragen bzw. der die Nutzung gewährt wird. Diese Fälle können daher regelmäßig unter das Realisationsprinzip (Umsatzakt am Markt) subsumiert werden. Ebenfalls Vorrang vor § 12 KStG haben die Tatbestände des UmwStG. Da die spezielleren Ersatzrealisati...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge