FinMin Nordrhein-Westfalen, 3.12.2014, S 0353

 

1. Allgemeines

Grundlagenbescheide im Sinne von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sind Feststellungsbescheide, Steuermessbescheide oder sonstige für die Steuerfestsetzung bindende Verwaltungsakte (§ 171 Abs. 10 Satz 1 AO). Auch Verwaltungsakte anderer Behörden, die keine Finanzbehörden sind, können Grundlagenbescheide sein (vgl. Tz. 11 und AEAO zu § 175, Nr. 1.1).

Folgebescheide sind nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO an die Grundlagenbescheide anzupassen, soweit die in den Grundlagenbescheiden getroffenen Feststellungen nach § 182 Abs. 1 AO für die Folgebescheide bindend sind. Die Anpassung steht nicht im Ermessen des Finanzamtes (AEAO zu § 175, Nr. 1.2).

Die Anpassung des Folgebescheides an die Feststellungen des Grundlagenbescheides besteht nicht nur in der Übernahme der festgestellten Beträge. Sie schließt auch eine neue selbständige Würdigung eines für das Folgeverfahren (die Einkommensteuerveranlagung) relevanten Sachverhalts in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ein (BFH-Beschluss vom 30.8.2012, X B 97/11, BFH/NV 2013 S. 13). So kann z.B. ein Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils an einer Personengesellschaft, der im Rahmen einer einheitlichen und gesonderten Feststellung als Veräußerungsgewinn bezeichnet wird, im Einkommensteuerbescheid in einen laufenden Gewinn aus einem gewerblichen Grundstückshandel umqualifiziert werden.

 

2. Hemmung der Verjährung

2.1 Durch § 171 Abs. 10 AO wird die Änderungsbefugnis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO über die Regelfestsetzungsfrist der §§ 169, 170 AO hinaus erweitert. Danach endet die Festsetzungsfrist beim Folgebescheid nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheides, soweit dieser für die Festsetzung der Folgesteuer bindend ist (§ 171 Abs. 10 Satz 1 AO).

Durch den Erlass eines Grundlagenbescheides wird nicht eine bereits abgelaufene Festsetzungsfrist für den Folgebescheid wieder in Lauf gesetzt. Solange die Feststellungsfrist für einen Grundlagenbescheid noch nicht abgelaufen bzw. der Fristablauf gehemmt ist und ein Grundlagenbescheid daher noch ergehen kann, läuft vielmehr im Umfang der Bindungswirkung auch die Festsetzungsfrist für den Folgebescheid nicht ab. Diese Ablaufhemmung wird durch § 171 Abs. 10 AO auf die Frist von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheides ausgedehnt (BFH-Urteil vom 12.8.1987, II R 202/84, BStBl 1988 II S. 318). Wird der Grundlagenbescheid durch Einspruch oder Klage angefochten, so dass der Ablauf der Feststellungsfrist nach § 171 Abs. 3a AO bis zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung über den Rechtsbehelf gehemmt wird, führt dies im Umfang der Bindungswirkung auch zu einer entsprechenden Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist für den Folgebescheid, und zwar auch über den Ablauf der Zwei-Jahres-Frist nach § 171 Abs. 10 Satz 1 AO hinaus (vgl. BFH-Urteil vom 30.11.1999, IX R 41/97, BStBl 2000 II S. 173).

2.2 Die Zwei-Jahres-Frist des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO beginnt mit Bekanntgabe des Grundlagenbescheides, nicht mit dem Zugang der Mitteilungen (z.B. ESt 4 B-Mitteilungen), mit denen die für den Erlass der Folgebescheide zuständigen Finanzämter über die getroffenen Feststellungen unterrichtet werden. Das für den Grundlagenbescheid zuständige Finanzamt hat deshalb darauf zu achten, dass die Mitteilungen über die festgestellten Besteuerungsgrundlagen möglichst gleichzeitig mit der Bekanntgabe des Grundlagenbescheides an die für den Erlass der Folgebescheide zuständigen Finanzämter abgesandt werden. In der Mitteilung ist stets das Datum des Grundlagenbescheides anzugeben.

2.3 Eingehende Mitteilungen sind von den für die Folgebescheide zuständigen Finanzämtern grundsätzlich unverzüglich auszuwerten. Ist zu erwarten, dass eine Anpassung an mehrere Grundlagenbescheide erforderlich werden wird (z.B. weil der Steuerpflichtige an mehreren Personengesellschaften beteiligt ist), kann es aus arbeitsökonomischen Gründen im Einzelfall sinnvoll sein, Mitteilungen mit steuerlich nicht erheblichen Auswirkungen zurückzustellen und zur gemeinsamen Auswertung zu sammeln. In diesen Fällen muss jedoch durch geeignete turnusmäßige Überwachung (z.B. Wiedervorlage) sichergestellt sein, dass die Mitteilungen noch innerhalb der Regelfestsetzungsfrist ausgewertet werden.

Ist die Regelfestsetzungsfrist bereits abgelaufen, sind die Mitteilungen stets unverzüglich auszuwerten.

2.4 Stellt ein Steuerpflichtiger vor Ablauf der Zwei-Jahres-Frist des § 171 Abs. 10 AO einen Antrag auf Änderung des Folgebescheides nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO, wird der Ablauf der Zwei-Jahres-Frist nach § 171 Abs. 3 AO gehemmt (vgl. BFH-Urteil vom 27.11.2013, II R 57/11, BFH/NV 2014 S. 596).

2.5 Bei der uneingeschränkten Anfechtung eines erstmaligen Steuerbescheides umfasst die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 3a AO den gesamten Steueranspruch, so dass diese auch die gesondert festgestellten Besteuerungsgrundlagen umfasst. Soweit die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 3a AO weiter reicht als die Ablaufhemmung nach § 171 Ab...

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