OFD Frankfurt, 2.3.2017, S 0353 A - 3 - St 21

 

1. Allgemeines

Grundlagenbescheide i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sind Feststellungsbescheide, Steuermessbescheide und sonstige für eine Steuerfestsetzung bindende Verwaltungsakte (§ 171 Abs. 10 Satz 1 AO). Auch Verwaltungsakte von Behörden, die keine Finanzbehörden sind, können Grundlagenbescheide sein.

Wirksame Grundlagenbescheide sind im Umfang der in ihnen getroffenen – positiven wie negativen Feststellungen – für die Folgebescheide bindend (§ 182 Abs. 1 AO). Wirksam ist der Grundlagenbescheid, wenn er ordnungsgemäß adressiert und bekannt gegeben wurde und wenn er nicht nichtig ist (BFH-Urteil vom 16.3.1993, XI R 42/90, BFH/NV 1994 S. 75m.w.N.). Ob dies der Fall ist, kann im Folgebescheidverfahren überprüft werden (BFH-Urteil vom 6.12.1995, I R 131/94, BFH/NV 1996 S. 592). Das Wohnsitzfinanzamt ist dazu jedoch nur bei akuten Zweifeln hinsichtlich der Wirksamkeit verpflichtet. Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Grundlagenbescheid unanfechtbar ist (§ 182 Abs. 1 Satz 1 AO). Er ist auch dann bindend, wenn er unrichtig und damit rechtswidrig ist (u.a. BFH-Urteil vom 20.12.2000, I R 50/00, BStBl 2001 II S. 381, m.w.N.).

Die Bindungswirkung hat zur Folge, dass nicht durch den Folgebescheid geregelt werden darf, was durch Grundlagenbescheid geregelt ist und umkehrt. Es ist deshalb erforderlich, Folgebescheide in dem vom Gesetz gezogenen Rahmen an die Grundlagenbescheide anzupassen. Die Anpassung steht nicht im Ermessen des Wohnsitzfinanzamts. Soweit die Bindung reicht ist der Folgebescheid ohne neue sachliche Prüfung an die Feststellungen im Grundlagenbescheid anzupassen, indem es den Folgebescheid erlässt, aufhebt oder ändert; dabei sind ggf. entstehende Folgeauswirkungen zu berücksichtigen.

Beispiel

In einer gesonderten und einheitlichen Feststellung wird festgestellt, dass die Ehefrau als Mitunternehmerin und nicht als Arbeitnehmerin des Gewerbebetriebs des Ehemanns anzusehen ist. Sodann ist durch das Wohnsitzfinanzamt, neben der Erfassung ihres Gewinnanteils als gewerbliche Einkünfte, der bisherige Ansatz der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit rückgängig zu machen.

Diese Anpassungspflicht bleibt so lange bestehen, wie der Grundlagenbescheid im Folgebescheid noch nicht zutreffend berücksichtigt ist, die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist und der Steueranspruch noch nicht verwirkt ist. Die Bindungswirkung des Grundlagenbescheids verlangt stets, dass er richtig und vollständig ausgewertet wird.

Die Bindungswirkung erstreckt sich allerdings nicht auf die Art und Höhe der Einkünfte eines Gesellschafters, der betrieblich an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft beteiligt ist (sog. Zebragesellschaft). Diese Qualifizierung wird durch das für die persönliche Besteuerung des Gesellschafters zuständige Finanzamt getroffen (BFH-Beschluss vom 11.4.2005, GrS 2/02, BStBl 2005 II S. 679).

 

2. Hemmung der Verjährung und Auswertung der Mitteilungen über die festgestellten Besteuerungsgrundlagen

 

2.1. Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 Satz 1 AO

Für die Änderungsvorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO findet sich in § 171 Abs. 10 AO eine eigene Ablaufhemmung wieder. Im Fall des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO endet die Festsetzungsfrist des Folgebescheides nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheides, soweit dieser für die Festsetzung einer Steuer bindend ist. Maßgebend ist hierbei der Zeitpunkt der Bekanntgabe nach §§ 122, 124 AO an den Steuerpflichtigen.

Auf den Zugang der verwaltungsinternen Mitteilung (ESt-4B-Mitteilung) beim Wohnsitzfinanzamt kommt es nicht an (BFH-Urteil vom 26.2.1997, X R 111/95, BFH/NV 1997 S. 734).

Ist ein Grundlagenbescheid zulässig ergangen, weil die für seinen Erlass geltende Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen war, so kann die Anpassung der Folgebescheide in jedem Fall noch innerhalb von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe vorgenommen werden (BFH-Urteil vom 30.11.1999, IX R 41/97, BStBl 2000 II S. 173).

Die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung eines Grundlagenbescheids steht dem Erlass eines geänderten Grundlagenbescheids gleich und setzt daher die Zweijahresfrist in Lauf (BFH-Beschluss vom 11.4.1995, III B 74/92, BFH/NV 1995 S. 943). Soweit ein Folgebescheid den nunmehr endgültigen Grundlagenbescheid noch nicht berücksichtigt hat, muss er selbst dann nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO korrigiert werden, wenn der Vorbehalt der Nachprüfung des Grundlagenbescheids aufgehoben wurde, ohne dass eine sachliche Änderung des Grundlagenbescheids erfolgt.

Auch die Änderung eines Grundlagenbescheids im Rechtsbehelfsverfahren durch Einspruchs- oder Gerichtsentscheidung setzt die Zweijahresfrist des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO in Lauf. Wird allerdings durch eine Einspruchs- oder Gerichtsentscheidung der Grundlagenbescheid lediglich bestätigt, beginnt keine neue Zwei-Jahres-Frist (BFH-Urteil vom 30.11.1999, IX R 41/97, BStBl 2000 II S. 173).

Bei Ergehen eines geänderten Grundlagenbescheides, der mehrere gesonderte Festst...

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