1. Keine eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerte

 

Rz. 1011

[Autor/Stand] 3. Stufe. In § 1 Abs. 3 Sätze 5–12 wird die 3. Stufe des genannten Stufenverhältnisses (Anm. 905) geregelt. An sich sind darunter die Fälle des hypothetischen Fremdvergleichs, dh. eines Fremdvergleichs, zu verstehen, der durch Nachdenken über den Preis zu ermitteln ist, den zwei voneinander unabhängige ordentliche und gewissenhafte Vertragspartner miteinander vereinbart hätten. Voraussetzung für die Anwendung des § 1 Abs. 3 Sätze 5 ff. ist, dass kein Fall des § 1 Abs. 3 Satz 1 oder 2 gegeben ist. Das Problem, das sich insoweit stellen kann, besteht darin, dass möglicherweise Fremdvergleichspreise i.S. der Sätze 1 und 2 feststellbar sind, dass jedoch die Existenz eines uneingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichspreises die Berücksichtigung eingeschränkt vergleichbarer Fremdvergleichspreise ausschließt. Während in der Vergangenheit die entsprechende Gefahr zulasten der Feststellungslast der Finanzverwaltung ging, eröffnet § 1 Abs. 3 Sätze 5 ff. nunmehr die Möglichkeit, auf einem hypothetischen Fremdvergleich zu bestehen.

[Autor/Stand] Autor: Baumhoff/Liebchen, Stand: 01.11.2015

2. Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs

 

Rz. 1012

[Autor/Stand] Hypothetischer Fremdvergleich und Verrechnungspreismethoden. § 1 Abs. 3 Satz 5 regelt für die 3. Stufe des Stufenverhältnisses, dass der Stpfl. für seine Einkünfteermittlung einen hypothetischen Fremdvergleich durchzuführen habe (Anm. 905). Dies impliziert wegen der offenkundigen Formulierung als Programmsatz zunächst, dass jede auf einen hypothetischen Fremdvergleich zurückgehende Verrechnungspreisbestimmung auf dieser letzten Stufe des Stufenverhältnisses mit der Folge Anwendung findet, dass für sie § 1 Abs. 3 Sätze 5 ff. gelten. Ein solches Verständnis steht jedoch im Widerspruch zu § 1 Abs. 3 Satz 2, der in Fällen eingeschränkt vergleichbarer Vergleichswerte die Anwendung jeder geeigneten Verrechnungspreismethode zulässt (Anm. 942). Während der Gesetzgeber für Fälle uneingeschränkt vergleichbarer Vergleichswerte in § 1 Abs. 3 Satz 1 den tatsächlichen Fremdvergleich unzulässigerweise mit den klassischen Methoden gleichsetzt (vgl. Anm. 906), wird für Fälle eingeschränkter Vergleichbarkeit die Anwendung jeder geeigneten Verrechnungspreismethode auf die Durchführung eines tatsächlichen Fremdvergleichs zurückgeführt. Dies bedeutet, dass die Anwendung einer konkreten Verrechnungspreismethode nicht auf die Durchführung des in § 1 Abs. 3 Satz 5 gesetzlich geregelten hypothetischen Fremdvergleichs zurückgeführt werden kann. Ist eine Verrechnungspreismethode für den konkreten Sachverhalt geeignet, basiert ihre Anwendung bei uneingeschränkter Vergleichbarkeit auf § 1 Abs. 3 Satz 1 und bei eingeschränkter Vergleichbarkeit auf § 1 Abs. 3 Satz 2. Eine nach § 1 Abs. 3 Satz 2 mangels Eignung ausgeschlossene Verrechnungspreismethode kann für die Umsetzung des Fremdvergleichs nicht angewendet werden.

Zwar ist der hypothetische Fremdvergleich von seiner Grundkonzeption ein Denkmodell, bei dem gemessen am Verhalten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters auf Seiten des leistungserbringenden wie auf Seiten des leistungsempfangenden Unternehmens (doppelter ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter, Anm. 324) Soll-Vergleichstatbestände für beide Kontrahenten durch Nachdenken ermittelt werden und ein Preisbildungsprozess simuliert wird (Anm. 313 ff.).[2] Nach welchen Grundsätzen die Preisgrenzen als Soll-Vergleichstatbestände konkret zu bestimmen sind, ist gesetzlich jedoch lediglich für den hypothetischen Fremdvergleich in Gestalt der sog. Einigungsbereichsbetrachtung geregelt.

Jede andere Bestimmung von Soll-Vergleichstatbeständen für einen Soll-Ist-Vergleich mag zwar konzeptionell einen hypothetischen Fremdvergleich darstellen. Es ist jedoch kein hypothetischer Fremdvergleich i.S. der gesetzlichen Regelungen in § 1 Abs. 3 Sätze 5 ff. Die Anwendung der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnmethoden – geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode (Anm. 791 ff.) und geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode (Profit-Split-Method, Anm. 841 ff.) – basiert vor diesem Hintergrund nicht auf dem gesetzlich geregelten hypothetischen Fremdvergleich i.S. von § 1 Abs. 3 Satz 5. § 1 Abs. 3 Satz 6 ("Dazu") lässt eine andere Formulierung von Soll-Vergleichstatbeständen als eine zweiseitige ertragswertbasierte Bewertung für den im Rahmen eines hypothetischen Fremdvergleichs durchzuführenden Soll-Ist-Vergleich nicht zu. Eine andere Frage ist, ob die Anwendung finanzmathematischer Bewertungsverfahren im Rahmen einer zweiseitigen Bewertung letztlich für sich genommen eine Verrechnungspreismethode darstellt. Die Überlegungen der OECD im Zusammenhang mit der Bestimmung von Fremdvergleichspreisen für immaterielle Wirtschaftsgüter gehen jedenfalls in diese Richtung.[3]

Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen den Verrechnungspreismethoden und dem gesetzlichen Stufenverhältnis zwischen tatsächlichem und hypothetischem Fremdvergleich in § 1 Abs. 3 ist festzustellen, dass sich die unzutreffende Vermengung von Verrech...

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