Rz. 12

[Autor/Stand] Zeitliche Anwendung vor und nach der jeweiligen Gesetzesnovelle. § 1a ist erstmals im VZ 2022 anzuwenden (§ 21 Abs. 1 Nr. 1). Infolgedessen gilt § 1a für Geschäftsbeziehungen mit wesentlichen immateriellen Werten oder Vorteilen, die der Steuerpflichtige nach dem 31.12.2021 eingegangen ist. Mangels konkreter Übergangsregelungen ist mit Blick auf den zeitlichen Anwendungsbereich indes unklar, ob für bereits bestehende Geschäftsbeziehungen (v.a. mit Blick auf die Anwendung des siebenjährigen Beobachtungszeitraums) noch die bisherige oder bereits die neue Regelung anzuwenden ist. So wird in der Literatur bisweilen auch vertreten, dass § 1a bereits für Verrechnungspreistransaktionen mit wesentlichen immateriellen Werten gilt, die nach dem 31.12.2015 durchgeführt werden.[2] Für die VZ 2008 bis 2021 gelten u.E. jedoch die Vorgaben aus § 1 Abs. 3 Sätze 11–12 a.F. Für Zeiträume vor 2008 kommt eine nachträgliche Anpassung der vom Steuerpflichtigen angesetzten Verrechnungspreise aufgrund der nachstehenden Überlegungen dagegen nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht.[3]

 

Rz. 13

[Autor/Stand] Preisanpassung in Zeiträumen vor 2008. Die Finanzverwaltung stellt sich in den Rz. 191 ff. der VWG-Funktionsverlagerung[5] auf den Standpunkt, dass die Preisanpassungsklausel des § 1 Abs. 3 Sätze 11, 12 a.F. vor dem VZ 2008 zwar keine Anwendung findet. Sie gelangt unter Rückgriff auf § 313 BGB aber zu vergleichbaren Ergebnissen. Nach Verwaltungsauffassung ist eine Verrechnungspreiskorrektur für VZ vor 2008 vorzunehmen, wenn sich fremde Dritte erfolgreich auf eine Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB oder einer vergleichbaren ausländischen Regelung hätten berufen können. Dies soll der Fall sein, wenn die prognostizierten Gewinne erheblich von den tatsächlich realisierten Gewinnen abweichen. Die Auffassung der Finanzverwaltung ist indes abzulehnen.[6] Die Regelungen zur Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen sowie zur Möglichkeit nachträglicher Preisanpassungen folgen Grundsätzen, die es vor dem VZ 2008 so nicht gab.[7] Es handelt sich für die Zeit ab dem VZ 2008 um echte Neuregelungen und nicht lediglich um Klarstellungen oder Präzisierungen. Insbesondere der Verweis der Finanzverwaltung auf den Fremdvergleichsgrundsatz geht ins Leere. Zwar war der Fremdvergleichsgrundsatz bereits vor dem VZ 2008 geltendes Recht in Deutschland. Die neuen Besteuerungsgrundsätze stimmen aber in wesentlichen Teilen nicht mit dem Fremdvergleichsgrundsatz überein, sondern setzen sich vielmehr in expliziten Widerspruch zu diesem. Eine rückwirkende Anwendung der Neuregelungen kommt daher allein schon aus diesem Grund nicht in Betracht. Darüber hinaus steht die Möglichkeit einer nachträglichen Vertragsanpassung auf der Grundlage von § 313 BGB in einem erheblichen Spannungsverhältnis zum Grundsatz der Vertragstreue. Bei der Anwendung des § 313 BGB ist daher Zurückhaltung geboten.[8] Vor diesem Hintergrund kann der pauschalen Aussage der Finanzverwaltung, dass immer dann, wenn die prognostizierten Gewinne erheblich von den tatsächlich realisierten Gewinnen abweichen, der Anwendungsbereich des § 313 BGB eröffnet ist, nicht gefolgt werden. Vielmehr kommt es für die Anwendung des § 313 BGB stets auf die Umstände des Einzelfalls an. Besondere Bedeutung erlangen hierbei die vertragliche Risikoverteilung und die Zumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag. Nach ständiger höchstrichterlicher Rspr. ist für eine Anwendung des § 313 BGB insbesondere dann kein Raum, wenn sich ein Risiko verwirklicht, das nach der vertraglichen Regelung in den Risikobereich einer Partei fällt.[9] Hinzu kommt, dass eine Anwendung des § 313 BGB nur dann in Betracht kommt, wenn dies zur Vermeidung untragbarer, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin nicht vereinbarer und damit der betroffenen Vertragspartei nicht zumutbarer Folgen unabweisbar erscheint.[10] Dies macht deutlich, dass die Anwendung des § 313 BGB stark vom Einzelfall abhängt und die absolute Ausnahme darstellt. Demgegenüber will die Finanzverwaltung die Anwendung des § 313 BGB zur Regel machen. Dies kann nicht überzeugen. Schließlich kann auch der Verweis der Finanzverwaltung auf die OECD-Verrechnungspreisleitlinien 2010[11] nicht überzeugen.[12] Abgesehen davon, dass die OECD-Verrechnungspreisleitlinien 2010 auf Sachverhalte vor dem VZ 2008 keine Anwendung finden,[13] sehen diese nur bei immateriellen Wirtschaftsgütern, nicht aber bei Funktionsverlagerungen nachträgliche Preisanpassungen vor. Hinzu kommt, dass die OECD-Verrechnungspreisleitlinien 2010 nur die Möglichkeit und nicht die Pflicht zu nachträglichen Preisanpassungen vorsehen und dies auch nur dann, wenn fremde Dritte auf einer Preisanpassungsklausel bestanden hätten.[14] Dies ist aber nur selten der Fall.[15] Insgesamt betrachtet dürften nachträgliche Preisanpassungen vor dem VZ 2008 damit die absolute Ausnahme sein.[16]

[Autor/Stand] Autor: Ditz/Licht, Stand: 01.10.2022
[2] Vgl. Grotherr, DB 2021, 2450.
[3] Vgl. dazu Andre...

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