Rz. 410

[Autor/Stand] Konkretisierung des wesentlichen Zusammenhangs. Wie bereits dargelegt (vgl. Rz. 405 f.), ist der erforderliche Zusammenhang nach dem Veranlassungsprinzip im Wege einer wirtschaftlich-funktionalen Betrachtungsweise zu konkretisieren. Dabei sind die Kriterien für das Bestehen eines solchen wesentlichen Zusammenhangs am normspezifischen und unionsrechtlich determinierten Missbrauchszweck des § 50d Abs. 3 EStG auszurichten (vgl. Rz. 398 ff., s. schon Rz. 12 ff.: zum Unionsrecht s. ausf. die Kommentierung Vor § 50d Abs. 3 EStG). Dieser soll die missbräuchliche Verlagerung von Einkunftsquellen verhindern, sodass die entscheidende Frage dahin geht, ob das Halten der Einkunftsquelle gerade durch die Körperschaft (d.h. anstelle ihrer Anteilseigner) objektiv künstlich bzw. willkürlich erscheint. Maßgeblich muss demzufolge sein, ob für das Halten der Einkunftsquelle wirtschaftliche Gründe sprechen, sodass es aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers wirtschaftlich nachvollziehbar ist. Abzustellen ist auf die konkrete Tätigkeitsstruktur der Körperschaft und deren betriebsinternen Abläufe. Erste Anhaltspunkte können sich aus der Branchenüblichkeit des Haltens der Einkunftsquelle ergeben. Letztlich kommt es aber auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. Es muss ermittelt werden, ob die Einkunftsquelle tatsächlich eine Funktion für die Ausübung der Tätigkeit hat und damit objektiv erkennbar der Förderung des Geschäftszwecks der Wirtschaftstätigkeit dient. Das Halten der Einkunftsquelle muss seine Veranlassung – d.h. sein "auslösendes Moment" – in dem übergeordneten Geschäftszweck der Wirtschaftstätigkeit haben. Die Schwelle zum fehlenden Zusammenhang und damit zu einem Missbrauch ist (jedenfalls in unionsrechtskonformer Auslegung) dort anzulegen, wo das Halten der Einkunftsquelle objektiv willkürlich und nur vorgeschoben erscheint. Hierbei hilft wiederum die Betrachtung aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers: Würde dieser die Einkunftsquelle unter den konkreten Umständen des Einzelfalls nicht aus wirtschaftlich vernünftigen, durch die Ausübung der Wirtschaftstätigkeit veranlassten Gründen halten, spricht dies (erst!) für das missbräuchliche Zwischenschalten der Körperschaft. Abzustellen ist also auf die Verkehrsauffassung, deren Ergebnisse aber gleichwohl durch die subjektiven Absichten der Geschäftsführung der Körperschaft bzw. die konkreten (ggf. auch nach der Verkehrsauffassung untypischen, aber nachvollziehbaren) Umstände des Einzelfalls widerlegt werden können.

 

Rz. 411

[Autor/Stand] Praktische Anwendung. Eine Orientierung für die Feststellung eines wesentlichen Zusammenhangs können in der Praxis die Grundsätze der zu § 8 AStG entwickelten funktionalen Betrachtungsweise geben (vgl. hierzu die Kommentierung zu § 8 AStG Rz. 31 ff.). Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es bei dem wesentlichen Zusammenhang des § 50d Abs. 3 EStG streng genommen nicht um die Subsumtion von gemischten Tätigkeiten unter einen Aktivitätskatalog wie bei § 8 Abs. 1 AStG geht. Daher kann die Heranziehung dieser Grundsätze funktionaler Betrachtung naturgemäß nur eine "entsprechende" sein. Gerade für Beteiligungen spielt die funktionale Betrachtungsweise aber heute wegen § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG keine Rolle mehr, sodass ergänzend auch ein Rückgriff auf die (nationalen[3]) Grundsätze funktionaler Zuordnung von Wirtschaftsgütern i.S.d. Betriebsstättengewinnabgrenzung hilfreich erscheint.[4] Wäre bei Hinwegdenken der Körperschaft die Einkunftsquelle einer Betriebsstätte zuzuordnen, in der die Wirtschaftstätigkeit der Körperschaft ausgeübt wird, so kann sicherlich kein Missbrauch vorliegen. Auf beides kommt es aber letztlich für § 50d Abs. 3 EStG u.E. nicht entscheidend an[5]: Die Grundsätze der Betriebsstättengewinnabgrenzung verfolgen nicht den Zweck einer Missbrauchsvermeidung, sondern sollen eine Besteuerung am Maßstab des Betriebsstättenprinzips sicherstellen. Auch geht es streng genommen nicht – wie bei § 8 Abs. 1 AStG – um die Qualifikation einer gemischten Tätigkeit nach ihrem wirtschaftlichen Schwergewicht, auch wenn der Missbrauchsvermeidungszweck der Hinzurechnungsbesteuerung ähnlich liegen mag. Insbesondere die Fallgruppe des erheblichen wirtschaftlichen Eigengewichts[6] kann nicht auf § 50d Abs. 3 EStG übertragen werden. Daher passen diese Grundsätze nicht unbedingt auf die Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG, auch wenn sie eine erste (sichere) Orientierung geben können. Auch ähneln sich die jeweiligen Kriterien, sodass sie in der praktischen Anwendung oft zum selben Ergebnis führen werden. Ausreichend muss für die Feststellung eines wesentlichen Zusammenhangs aber sein, dass die Einkunftsquelle aus Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers (notwendiges oder gewillkürtes) Betriebsvermögen der ausgeübten Wirtschaftstätigkeit der Körperschaft darstellen würde (vgl. näher Rz. 413 ff.). Ist das der Fall, kann der Körperschaft kein Missbrau...

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