Rz. 251

[Autor/Stand] Wirtschaftlich. Wirtschaftstätigkeit bedeutet (eigen-)wirtschaftliche Tätigkeit. Nach der gesetzlichen Wertung entscheidet die Eigenschaft einer Tätigkeit als wirtschaftlich oder "nicht wirtschaftlich" darüber, ob die Körperschaft missbräuchlich zwischengeschaltet wurde. Die "Nichtwirtschaftlichkeit" einer Tätigkeit soll einen Missbrauch tragfähig indizieren und muss dies aus unionsrechtlicher Sicht auch. Das ist bei der Auslegung maßgeblich zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber hat sich in der Negativabgrenzung der Nr. 2 Halbs. 2 an der Rechtsprechung des EuGH zum unionsrechtlichen Missbrauchsbegriff orientiert.[2] Nicht nur aus unionsrechtlicher Sicht, sondern auch aus Sicht des Gesetzgebers (historische Auslegung) definiert demnach Nr. 2 Halbs. 2 (negativ) die Merkmale, die eine Tätigkeit als "nicht wirtschaftlich" erscheinen lassen und aus diesem Grund einen Missbrauch tragfähig vermuten sollen (vgl. dazu Rz. 248). Liegen hingegen die Merkmale der Nr. 2 Halbs. 2 nicht vor, ist ein Missbrauch aus Sicht des Unionsrechts und des nationalen Gesetzgebers nicht indiziert. Sofern Nr. 2 Halbs. 2 unionsrechtskonform ausgelegt wird und damit den unionsrechtlichen Rahmen der fehlenden realen wirtschaftlichen Tätigkeit bzw. fehlenden der wirtschaftlichen Realität abbildet, enthält dieser eine abschließende Definition (Negativabgrenzung) des Begriffs der Wirtschaftstätigkeit (vgl. Rz. 248), sodass jedes darüberhinausgehende Merkmal § 50d Abs. 3 EStG in die Unionsrechtswidrigkeit stoßen würde. Eine Tätigkeit ist daher wirtschaftlich (d.h. eine Wirtschaftstätigkeit), wenn sie die Merkmale der Nr. 2 Halbs. 2 nicht erfüllt (vgl. Rz. 248).

 

Rz. 252

[Autor/Stand]"Wirtschaftlich": Auf die Art der Tätigkeit kommt es nicht an. Der Begriff Wirtschaftstätigkeit wurde von der FinVerw bislang als gewerbliche Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 2 EStG verstanden.[4] Auch nahm § 50d Abs. 3 Satz 3 Alt. 1 EStG i.d.F. BeitrRLUmsG vermögensverwaltende Tätigkeiten aus dem Begriff der Wirtschaftstätigkeit ausdrücklich aus. Der EuGH hat indes in den Rs. Deister Holding und GS ausdrücklich hervorgehoben, dass die Art einer Tätigkeit als vermögensverwaltende kein tragfähiges Indiz für einen Missbrauch sein kann (vgl. Vor § 50d Abs. 3 EStG Rz. 98).[5] In diesem Sinne hat der EuGH bereits in der Rs. Leur-Bloem entschieden, dass die Einschaltung bzw. Schaffung einer "Holdinggesellschaft, die als solche kein Unternehmen besitzt" auf vernünftigen wirtschaftlichen Gründen beruhen kann und deshalb nicht per se einen Missbrauch darstellen kann.[6] Der Begriff Wirtschaftstätigkeit kann daher aus unionsrechtlichen Gründen nicht gleichgesetzt werden mit "gewerblich" i.S.d. § 15 Abs. 2 EStG, sodass nicht jede Tätigkeit unter der Schwelle der Gewerblichkeit einen Missbrauch i.S.d. Unionsrechts indizieren kann[7], zumal dies ein Begriffsverständnis des deutschen (!) Steuerrechts ist (vgl. Rz. 268). Andernfalls unterlägen vermögensverwaltende Tätigkeiten einem Pauschalverdachtdes Missbrauchs, was nach der klaren Rechtsprechung des EuGH unionsrechtswidrig wäre (vgl. Vor § 50d Abs. 3 EStG Rz. 41 ff., 96 ff.): Auch vermögensverwaltende Tätigkeiten unterliegen dem Schutz des Unionsrechts, sie sind grundsätzlich vom Schutzbereich der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit (vgl. Vor § 50d Abs. 3 EStG Rz. 88, 108) sowie der MTR/ZLR erfasst.[8] Vermögensverwaltenden Körperschaften kann daher nicht allein aufgrund der Art ihrer Tätigkeit der Schutz des Unionsrechts pauschal verwehrt werden. Allein aufgrund der Art der vermögensverwaltenden Tätigkeit einen Missbrauch anzunehmen, würde den Schutzbereich entgegen der integrationspolitschen Entscheidung des Unionsgesetzgebers verkürzen. Auch wenn § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG weiterhin den Begriff der Wirtschaftstätigkeit enthält, zeigt die Streichung der Bereichsausnahme für vermögensverwaltende Tätigkeiten, dass offenbar auch der Gesetzgeber dieser Rechtsprechung des EuGH nun gefolgt ist, auch wenn die Gesetzesbegründung insoweit Zweifel aufwirft. Jedenfalls in unionsrechtskonformer Auslegung fällt aber unter den Begriff der Wirtschaftstätigkeit auch eine solche vermögensverwaltender Art. Zugleich kann aber nicht jedwede Tätigkeit als "Wirtschaftstätigkeit" i.S.d. Norm verstanden werden, ansonsten hätte der Begriffsteil "Wirtschafts-" keine Bedeutung mehr. Gesetzeskonzeptionell enthält § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 EStG die entscheidenden Voraussetzungen für die Einstufung der Tätigkeit einer Körperschaft als Wirtschaftstätigkeit, womit zugleich die Grenze zu einer missbrauchsindizierenden ("nicht-wirtschaftlichen") Tätigkeit definiert wird. Hiernach indiziert eine Tätigkeit eine missbräuchliche Zwischenschaltung der Körperschaft (erst), wenn sie (i) nur in der Erzielung der Einkünfte oder (ii) deren Weiterleitung besteht oder (ii) mit einem nicht angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb ausgeübt wird. S. ausf. zur Vermögensverwaltung als Wirtschaftstätigkeit auch Rz. 345 ff.

 

Rz. 253

[Autor/Sta...

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